Paus: Entscheidung über geschlechtliche Identität ist Menschenrecht
Berlin – Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Grüne) hat mit Blick auf das geplante Selbstbestimmungsgesetz betont, dass die Entscheidung über die eigene geschlechtliche Identität ein Menschenrecht ist.
„Kein Mensch sollte langwierige Gerichtsverfahren und psychiatrische Gutachten über sich ergehen lassen müssen, nur um seinen Personenstand im Pass ändern zu können“, sagte die Grünen-Politikerin. „Die selbstbestimmte Entscheidung über die eigene geschlechtliche Identität ist Kern des Gesetzentwurfs der Bundesregierung. Schließlich ist diese selbstbestimmte Entscheidung ein Menschenrecht.“
Der Bundestag beschäftigt sich heute Abend in erster Lesung mit dem Selbstbestimmungsgesetz. Dadurch soll künftig jeder Mensch in Deutschland sein Geschlecht und seinen Vornamen selbst festlegen und in einem einfachen Verfahren beim Standesamt ändern können. Das Gesetz richtet sich vor allem an transgeschlechtliche, intergeschlechtliche und nicht-binäre Menschen.
Der Queer-Beauftragte der Bundesregierung, Sven Lehmann (Grüne), forderte alle demokratischen Parteien auf, sich „schützend vor transgeschlechtliche Menschen zu stellen und ihre Menschenwürde zu verteidigen.“ In den letzten Monaten sei mit diffamierenden Falschbehauptungen gezielt gegen das geplante Selbstbestimmungsgesetz Stimmung gemacht worden, sagte er.
„Es dürfen keine Ängste und Unsicherheiten geschürt werden, nur um auf Stimmenfang zu gehen. Statt auf dem Rücken der Betroffenen die Stimmung weiter anzuheizen, fordere ich insbesondere die Union dazu auf, eine sachliche Debatte über das Gesetz zu führen.“
Die stellvertretende Unionsfraktionsvorsitzende Dorothee Bär (CSU) kritisierte unter anderem die Regelungen zum Geschlechtseintrag für Kinder und Jugendliche. „Jugendliche, vor allem Mädchen, sind gerade in der Pubertät unsicher bezüglich ihrer Geschlechtsidentität“, sagte Bär der Welt.
„Das Selbstbestimmungsgesetz leistet gerade bei dieser vulnerablen Gruppe der Tendenz Vorschub, altersbedingten Persönlichkeitszweifeln gleich mit einem rechtlichen Geschlechtswechsel zu begegnen.“ Das Gesetz sehe auch für Jugendliche keine verpflichtende Begutachtung mehr vor.
Die Vizevorsitzende der Unionsfraktion, Andrea Lindholz, warf dem Bund vor, schwierige Entscheidungen dabei auf Bundesländer oder Vereine abzuwälzen: Welche Regeln für Umkleidekabinen in Schulen oder Sportvereinen gelten würden, bleibe beispielsweise ungeklärt. Dieses Gesetz schaffe „nur Rechtsunsicherheit“, sagte sie dem Portal web.de.
Die Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK) begrüßt den Entwurf eines Selbstbestimmungsgesetzes. Es sei „überfällig, dass das diskriminierende Transsexuellengesetz endlich abgeschafft und durch ein Selbstbestimmungsgesetz ersetzt wird“, sagte Andrea Benecke, BPtK-Präsidentin.
„Es ist wissenschaftlicher Konsens, dass Transgeschlechtlichkeit und Transidentität keine psychischen Erkrankungen sind. Psychisch krank machen können vielmehr die gesellschaftlichen Diskriminierungserfahrungen, die Trans*-, intergeschlechtliche und nichtbinäre Personen noch immer häufig erleben.“
„Die pathologisierende Begutachtung darf nicht länger Voraussetzung für die Änderung des Geschlechtseintrags und der Vornamen sein“, forderte BPtK-Vizepräsidentin Sabine Maur. „Die Altersgrenze für die eigenständige Erklärung über die Änderung des Geschlechtseintrags und der Vornamen sollte auf das 16. Lebensjahr herabgesetzt werden.“
16-Jährige seien einsichtsfähig und könnten die Folgen der Änderung abschätzen. Der Gesetzentwurf sieht allerdings bisher vor, dass die eigenständige Erklärung erst ab dem 18. Lebensjahr möglich ist. Zwischen dem 14. Lebensjahr bis zur Volljährigkeit ist die Zustimmung der Sorgeberechtigten notwendig.
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