Pharmabranche und Großhandel kritisieren Arzneimittelengpassgesetz

Berlin – Die Vorgaben zur besseren Sicherstellung der Arzneimittelversorgung aus dem Arzneimittellieferengpassbekämpfungs- und Versorgungsverbesserungsgesetz (ALBVVG) laufen teilweise ins Leere. Das erklärten Vertreter aus Industrie und Großhandel gestern bei einer Anhörung im Bundesgesundheitsausschuss.
Allein in den vergangenen acht Wochen habe der genossenschaftliche Pharmagroßhändler Noweda rund drei Millionen Arzneimittelbestellungen nicht bedienen können, erklärte dessen Vorstandsvorsitzender Michael P. Kuck.
Davon sei eine lange Reihe an Medikamenten betroffen, die zur Grundversorgung gehörten, wie das Asthmamittel Salbutamol, verschiedene Antibiotika, aber auch Blutdruck- und Cholesterinsenker sowie Schmerzmittel. Insgesamt handele es sich um rund 8.000 Pharmazentralnummern (PZN).
Kuck kritisierte die erhöhten verbindlichen Bevorratungspflichten bei rabattierten Arzneimitteln von sechs Monaten, die mit dem ALBVVG eingeführt wurden. Das Problem liege in der mangelnden Verfügbarkeit bei den Herstellern – der Großhandel könne nichts einlagern, was er selbst nicht beziehen könne.
Von den rund 1.000 PZN, für die das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) diese Bevorratung vorsehe, könnten demnach 260 mangels Verfügbarkeit gar nicht bevorratet werden, bei weiteren 130 könne man maximal Bestände für zwei Wochen einlagern.
Der Geschäftsführer des Branchenverbands Pro Generika, Bork Bretthauer, regte an, bei den Bevorratungspflichten mehr Flexibilität zuzulassen, da oftmals nicht die Wirkstoffproduktion selbst, sondern einzelne Flaschenhälse in der Lieferkette zu Engpässen führen würden.
Würde beispielsweise ermöglicht, die Hälfte der Vorräte in größeren Gebinden einzulagern, die noch nicht abgabefertig seien, wäre eine größere Lagerhaltung möglich, erklärte Bretthauer. Im Engpassfall könnten diese Bestände dann auch nachträglich kommissioniert werden.
Auch sei die Abkehr von der Überökonomisierung im Generikabereich durch die Anhebung von Festpreisen zwar ein erster guter Schritt. Allerdings sei das mit Kinderarzneimitteln und Antibiotika erst bei zwei Arzneimittelgruppen getan worden, weitere müssten folgen.
Positiver äußerte sich der Verband der forschenden Arzneimittelhersteller (vfa). Mit dem Ende 2022 verabschiedeten GKV-Finanzstabilisierungsgesetz wollte der Gesetzgeber vor allem durch Nachbesserungen bei der Preisbildung von patentgeschützten Arzneimitteln eine Senkung der Kostenlast herbeiführen.
So müssen die Hersteller den Krankenkassen beispielsweise seitdem Abschläge für Kombinationstherapien gewähren und früher als bisher den niedrigeren, mit den Kassen verhandelten Erstattungspreis akzeptieren.
Die Maßnahmen des Gesetzes hätten „die Branche erschüttert“, erklärte vfa-Präsident Han Steutel. Mit ihrer Pharmastrategie und dem daraus hervorgegangenen Entwurf eines Medizinforschungsgesetzes (MFG) habe die Bundesregierung nun gezeigt, dass die das Ruder wieder rumreißen wolle.
„Ich würde sagen, dass die Bedeutung der Pharmastrategie der Bundesregierung nicht überschätzt werden kann“, sagte Steutel. Insbesondere Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck zeige, dass er Fehler korrigieren wolle. „Da ist sehr viel wiedergutgemacht worden.“ Das wiederum stelle auch bei der Industrie viel Vertrauen in den Standort Deutschland wieder her.
Antje Haas, Leiterin der Abteilung Arznei- und Heilmittel beim GKV-Spitzenverband, verwies demgegenüber auf die steigenden Kosten für die Beitragszahler. „Wir sehen uns vor allem im Patentbereich größten Herausforderungen gegenüber“, sagte sie.
Aber auch das ALBVVG habe durch die Preissteigerungen neue Belastungen verursacht, insgesamt beliefen sich die Zusatzkosten auf rund 500 Millionen Euro. Gleichzeitig würden beim GKV-Spitzenverband große Zweifel herrschen, ob dem auch eine spürbare Verbesserung der Versorgung gegenüberstehe.
Die Anhörung hatte auf Antrag der CDU/CSU-Bundestagsfraktion stattgefunden. Sie wirft der Bundesregierung vor, das ALBVVG habe zu keiner Entspannung der Situation geführt. Auch habe sie es versäumt, „mit allen Beteiligten fortlaufend in einen vertrauensvollen Dialog zu treten“.
„Die Veränderung der Festbetragsgruppenbildung für Kinderarzneimittel und die befristete und willkürlich in der Höhe ausgewählte Möglichkeit der Anhebung des Preises um 50 Prozent über zwei Jahre sind nicht zielführend, denn dies bringt keine Planungssicherheit für eine dauerhafte Aufstockung der Produktion und wirkt zum Teil sogar kontraproduktiv“, heißt es in ihrem Antrag.
Zudem müsse sich die Bundesregierung stärker in die Revision der EU-Arzneimittelgesetzgebung einbringen, die sich derzeit im Beratungsverfahren befindet. In ihrem Antrag führt sie eine Reihe von 21 Forderungen an, um die Engpasssituation zu entschärfen.
So solle unter anderem der Pharmadialog unter Federführung des Bundesgesundheitsministeriums (BMG) wieder aufgenommen werden, eine Arbeitsgruppe unter Einbeziehung aller Beteiligten neue Lösungen erarbeiten, ein kontinuierliches Monitoring von Lieferengpässen eingerichtet werden und die finanzielle und bürokratische Belastung der Apotheken verringert werden.
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