Ärzteschaft

Politischer Leitantrag: Weniger Direktiven, mehr Freiheit

  • Dienstag, 28. Mai 2019
/Jürgen Gebhardt
/Jürgen Gebhardt

Münster – Die Delegierten des 122. Deutschen Ärztetages fordern von den verant­wort­lichen Gesundheitspolitikern ein klares Bekenntnis zur Freiberuflichkeit der Ärzte­schaft. Im Leitantrag des Vorstandes der Bundesärztekammer heißt es: „Dirigistische Eingriffe, wie die Neuregelung zu Mindestsprechstundenzeiten und offenen Sprech­stunden im Terminservice- und Versorgungsgesetz lassen vor allem junge Ärztinnen und Ärzte von einer Niederlassung absehen und verkehren die Ziele des Gesetzes in das Gegenteil.“

Mit dem Antrag wollen sich die Delegierten auch gegen die Eingriffe in die Selbstver­waltung wehren und sehen die wissenschaftliche Evidenz „als wesentliche Grundlage einer qualitativ hochwertigen Gesundheitsversorgung sowie des Patientenschutzes.“ Dies dürfe nicht per Gesetz des Bundesgesundheitsministers in Frage gestellt werden.

Thomas Carl Stiller /Jürgen Gebhardt
Thomas Carl Stiller /Jürgen Gebhardt

„Die neuen Gesetze haben für uns als Ärzte nichts gebracht“, sagte Thomas Carl Stiller aus Nieder­sachsen unter dem Applaus der Delegierten. „Wir werden mit Dingen beschäftigt, die eigentlich nichts direkt mit der Patientenversorgung zu tun haben.“ Um dem etwas entgegenzusetzen brauche man inner­ärzt­lichen Respekt und eine ge­schlossene Kommuni­kation.

Für die Zukunft der Versorgung unterstütze die Ärzteschaft die Zusammenarbeit zwi­schen den Gesundheitsberufen „bei klaren Verantwortlichkeiten“. Allerdings werden „politische Bestrebungen abgelehnt, die aus vornehmlich ökonomischen Gründen originäre ärztliche Aufgaben und Tätigkeiten auf nichtärztliche Gesundheitsberufe verlagern“, heißt es in dem mit großer Mehrheit angenommenen Antrag.

Erheblichen Nachbesserungsbedarf sehen die Delegierten beim Ausbildungsreform­gesetz für psychologische Psychotherapeuten oder bei der Ausbildungsreform von Gesundheitsfachberufen sowie beim möglichen Impfrecht für Apotheker. „Der 122. Deutsche Ärztetag stellt klar: Der Vorbehalt der Ärzte für Diagnose, Indikationsstellung und Therapie ist unverzichtbar.“ Zurückgewiesen werden auch Ideen des Gesetzge­bers, dass Krankenkassen als „Gestalter von innovativen Versorgungsprozessen zu etablieren.“

Für die Entwicklung der künftigen Versorgungskonzepte fordert der Ärztetag auch in Münster erneut, in die Arbeit der Bund-Länder-Arbeitsgruppe zur „Sektorübergreifen­den Versorgung“ einbezogen zu werden. Dies gelte speziell für die Landesärzte­kammern, die bereits hier Kompetenzen habe. An die derzeit tagende Gruppe der Landesgesund­heitsminister geht auch die Forderungen, moderne sektorübergreifende Versorgungs­planung unter der Berücksichtigung der regionalen Strukturen zu ent­wickeln.

Ein zweiter Appell geht an die Landesgesundheitsminister: Mit „Nachdruck“ fordert der Deutsche Ärztetag, dass sie „endlich in vollem Umfang ihren Investitionsverpflich­tun­gen für den stationären Bereich nachkommen.“ Die Investitionslücke von 3,7 Milliar­den Euro müsse geschlossen werden. Dazu benötige es eine Neuausrichtung der Krankenhausfinanzierung. Den ersten Schritt, die Ausgliederungen der Pflegeperso­nal­kosten, wird von den Delegierten des Ärztetages begrüßt.

Die dritte Forderung an die Landespolitik: Der Masterplan Medizinstudium 2020 soll „vollständig und bundesweit“ umgesetzt werden. „Die finanziellen Mittel für die Erhöh­ung der Zahl der Studienplätze soll bundesweit um mindestens zehn Prozent sollen bereitgestellt werden.“

An die Bundespolitik richtet sich ebenso ein Finanzierungsapell: „Die Finanzierung von Gesundheitsleistungen darf nicht weiter durch ‚Verschiebebahnhöfe‘ infrage gestellt werden“, so der Antrag. Dabei beziehen sich die Delegierten vor allem auf Ideen, an­dere Sozialleistungen mit den Rücklagen aus der gesetzlichen Krankenversicherung zu finanzieren.

Daniela Dewald /Jürgen Gebhardt
Daniela Dewald /Jürgen Gebhardt

Dass dringend Taten folgen müssen, verdeutlichte Daniela Dewald aus Nordrhein. Sie verwies auf die stetig wachsende Anzahl von privaten Anbietern von Medizin­studien­gängen. „Wir wollen aber qualitativ gut ausgebildete Nachwuchsärzte“, sagte sie. Man müsse jetzt handeln.

Um die fortschreitende Konzernbildung bei Medizi­nischen Versorgungszentren (MVZ) entgegenzuwirken, fordert der 122. Deutsche Ärztetag die Gesundheits­politiker auf, weitere Regelungen zu schaffen, damit Konzerne nicht weiter in der ambulanten Versorgung aktiv werden.

„Der freiberufliche Charakter der ärztlichen Tätigkeit sowie die Wahlfreiheit der Patien­ten muss erhalten bleiben.“ Dabei geht der Blick auch auf die EU-Ebene: „Der 122. Deutsche Ärztetag fordert die europäischen Institutionen auf, ärztliche Leistungen keinen marktwirtschaftlichen Optimierungsstrategien unterzuordnen und bewährte Strukturen beruflicher Selbstverwaltung anzuerkennen.“

Susanne Johna /Jürgen Gebhardt
Susanne Johna /Jürgen Gebhardt

Auch die Digitalisierung spielte bei der Debatte im Plenum eine Rolle: Leider habe Bundesgesundheits­minister Jens Spahn (CDU) nicht angesprochen, was er konkret bei der Digitalisierung vorhabe, kritisierte Susanne Johna aus Hessen. Als besonders dringend sieht sie eine Verbesserung der Interoperabilität der bestehenden Systeme an.

Silke Lüder /Jürgen Gebhardt
Silke Lüder /Jürgen Gebhardt

Medizindaten seien auf Dauer nicht sicher in einer zentralen elektronischen Akte zu speichern, meinte Silke Lüder aus Hamburg. Der Zugriff per Smartphone-Apps konterka­riere die nachfolgende Sicherheitskette der Telematikinfrastruktur. Die datenschutz­rechtlichen Sicherheitsanforderungen würden nicht erfüllt. Lüder stellte den Antrag, den Zugriff auf eine zentrale E-Akte per Handy abzulehnen.

Präsident der Landesärztekammer Sachsen, Erik Bodendieck. /Jürgen Gebhardt
Erik Bodendieck /Jürgen Gebhardt

Diesen nahm der 122. Deutsche Ärztetag in einer ersten Lesung auch mit knapper Mehrheit an, lehnte ihn aber in einer zweiten mit knapper Mehrheit ab. Zuvor hatte Erik Bodendieck von der Sächsischen Landes­ärztekammer, an die Delegierten appelliert: „Verbauen Sie uns nicht den Weg in die Zukunft!“.

Nach seiner Ansicht möchte der Patient nicht nur gemeinsam mit dem Arzt auf seine ureigenen Daten zurückgreifen können. „Das muss für ihn an jedem Ort der Welt möglich sein, wenn er plötzlich erkrankt“, sagte er. Sicherheitsbedenken seien ernst zu nehmen und würden auch ernst genommen, dürften aber nicht zur Ablehnung führen.

ER/bee

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