Proteste für Aufwertung des Öffentlichen Gesundheitsdienstes

Berlin – Rund 100 Ärzte haben gestern vor dem Roten Rathaus in Berlin auf die desaströse Arbeitssituation beim Öffentlichen Gesundheitsdienst (ÖGD), der Feuerwehr und der Polizei aufmerksam gemacht. „Wenn der Bahnstreik nicht gewesen wäre, wären es sicher noch mehr gewesen“, sagte ein Sprecher des Marburger Bundes (MB) heute dem Deutschen Ärzteblatt auf Nachfrage.
Der Protest bildete die Abschlusskundgebung einer Tour durch acht Städte, zu der der Bundesverband der Ärztinnen und Ärzte des Öffentlichen Gesundheitsdienstes (BVÖGD) und der MB aufgerufen hatten und zu der nach BVÖGD-Schätzungen insgesamt rund 1.400 Ärzte gekommen waren. Das entspricht mehr als 50 Prozent aller beschäftigen Ärztinnen und Ärzte in den Gesundheitsämtern.
Beide Verbände forderten Politik und kommunale Arbeitgeber gestern zum wiederholten Mal auf, Ärzte im ÖGD endlich ihren Kollegen in den Krankenhäusern und im Medizinischen Dienst der Krankenversicherung tariflich gleichzustellen. Weil die Fachärzte in den Gesundheitsämtern nicht nach dem branchenüblichen Tarifvertrag für Ärzte bezahlt würden und teilweise mehr als 1.000 Euro weniger verdienten, verliere der ÖGD dramatisch an Attraktivität. In vielen Ämtern sei der Ärztemangel längst angekommen und drohe sich weiter zu verschärfen, warnten BVÖGD und Marburger Bund.
„Die personelle Ausstattung der Gesundheitsämter sinkt ständig. In den vergangenen 18 Jahren ist die Gesamtzahl der Ärzte im ÖGD um rund ein Drittel zurückgegangen“, sagte Ute Teichert, Vorsitzende des BVÖGD. Ein Blick auf die Altersverteilung zeige, dass spätestens in zehn Jahren die meisten der heute noch aktiven ÖGD-Ärzte im Ruhestand seien. Nachwuchs gebe es durch den allgemeinen Ärztemangel und die gravierend schlechtere Bezahlung im Öffentlichen Gesundheitsdienst kaum. Der ÖGD blute buchstäblich aus.
Der Ärztemangel sei nicht nur ein Problem für die Gesundheitsämter, sondern aufgrund der vielfältigen und wichtigen Aufgaben, die für die Bevölkerung bewältigt werden müssen, ein großes gesellschaftliches Problem, bekräftigte auch Rudolf Henke, Erster Vorsitzender des Marburger Bundes. Er betonte, es gehe bei dem Protest nicht um die spezifischen Interessen einer einzelnen Berufsgruppe, sondern um die „Sicherstellung wichtiger öffentlicher Gesundheitsdienstleistungen“, die allen Bürgern zugutekomme.
Dazu gehörten beispielsweise die Aufklärung, Beratung, Erkennung, Verhütung und Bekämpfung von übertragbaren Erkrankungen, aber auch sozialpsychiatrische Leistungen für Menschen, die sonst keine Hilfe bekommen würden. „Es steht die Existenz und Handlungsfähigkeit der Gesundheitsämter auf dem Spiel, wenn die Arbeit im ÖGD finanziell nicht aufgewertet wird“, mahnte Henke. Deshalb kämpfe der Marburger Bund für die sofortige tarifliche Gleichstellung der Ärzte im ÖGD mit den Ärzten in Krankenhäusern.
Heftige Kritik an der Schaukelpolitik des Berliner Senats gegenüber dem ÖGD übte der Landesvorsitzende des Marburger Bundes Berlin/Brandenburg, Peter Bobbert. „Wir haben fest an das Versprechen des Senats geglaubt, die Gehälter der Ärzte in den Berliner Gesundheitsämtern an die Tarife ihrer Kolleginnen und Kollegen in den Krankenhäusern anzugleichen“, sagte er. Von diesem Versprechen sei faktisch nichts übrig geblieben. Er kündigte an, die Ärzte würden keine Ruhe geben, bevor die Angleichung nicht erfolgt sei.
Diskutieren Sie mit
Werden Sie Teil der Community des Deutschen Ärzteblattes und tauschen Sie sich mit unseren Autoren und anderen Lesern aus. Unser Kommentarbereich ist ausschließlich Ärztinnen und Ärzten vorbehalten.
Anmelden und Kommentar schreiben
Bitte beachten Sie unsere Richtlinien. Der Kommentarbereich wird von uns moderiert.
Diskutieren Sie mit: