Psychotherapeutische Weiterbildung: Bundesgesundheitsministerium hat noch keinen Plan

Berlin – Das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) hat sich noch nicht eingehend mit der Finanzierung der psychotherapeutischen Weiterbildung beschäftigt. Das hat gestern eine Anhörung im Petitionsausschuss des Bundestages gezeigt. Die Petition, die eine gesetzliche Regelung zur Finanzierung der Weiterbildung fordert, hat mehr als 72.000 Unterstützer gefunden.
Im kommenden Jahr schließen die ersten Absolventen der neuen Studiengänge Klinische Psychologie und Psychotherapie ihre Ausbildung mit einer Approbation ab. Seit der Reform von 2019 besteht die Psychotherapeutenausbildung aus einem Psychotherapiestudium an einer Universität und einer anschließenden 5-jährigen Weiterbildung zum Fachpsychotherapeuten in Anstellung in Anlehnung an die Ausbildung von Ärzten.
In der Weiterbildung haben die Approbierten Anspruch auf ein angemessenes Gehalt. Unklar ist bislang indes, wie dieses Gehalt vor allem im ambulanten Bereich finanziert werden soll. Praxen, Hochschulambulanzen und künftige Weiterbildungsinstitute hängen in Bezug auf die Schaffung von Stellen von den Regelungen zur Finanzierung ab.
„Wir begrüßen die Petition sehr. Sie hat angeregt, uns mit der Weiterbildung zu beschäftigen“, sagte der parlamentarische Staatssekretär im BMG, Edgar Franke, vor den Abgeordneten, dem Petenten Felix Kiunke, der von der Präsidentin der Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK), Andrea Benecke begleitet wurde. Man müsse jedoch zuerst die Datenlage klären, beispielsweise habe das BMG keine Informationen darüber, wie viele Stellen in den Krankenhäusern benötigt würden.
Der Petent Kiunke, Psychologiestudent aus Kassel und Vertreter der Psychologie-Fachschaften-Konferenz (PsyFaKo), wies nochmal darauf hin, dass nach Berechnungen der Bundespsychotherapeutenkammer 2.500 neuapprobierte Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten pro Jahr erwartet werden, die in die Weiterbildung gehen wollen.
Kiunke selbst steht kurz vor dem Abschluss seines Studiums der Klinischen Psychologie und Psychotherapie und möchte anschließend die Weiterbildung zum Fachpsychotherapeuten beginnen. „Wie viele andere Studierende weiß ich nicht, wie es dann weiter geht. Es gibt derzeit keine Weiterbildungsstellen und wir wissen nicht, ob wir eine Chance haben, die neue Weiterbildung zu absolvieren.“
Im stationären Bereich wiederum gebe es für die Psychotherapeuten in Weiterbildung aktuell nicht genug Personalplanstellen, erläuterte Kiunke, da diese während der Übergangszeit bis 2032 noch von Psychotherapeuten in Ausbildung, die noch nach dem alten System ihre Ausbildung absolvieren, benötigt würden.
Der Vertreter des BMG, Christian Leber, wollte von dem Petenten und der BPtK-Präsidentin Andrea Benecke wissen, wie hoch die Vergütung der dann in Anstellung arbeitenden Fachpsychotherapeuten sein soll und wie hoch entsprechend die Finanzierungslücke zur gegenwärtigen Vergütung der Ausbildungskandidaten.
Benecke verwies auf Einschätzungen der Gewerkschaft Verdi, die künftige Fachpsychotherapeuten in die Entgeltgruppe E 14 im Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD) einordnet. Das entspricht aktuell rund 4.542 Euro im ersten Jahr. Psychotherapeuten in Ausbildung (PiA) erhalten in der Regel hingegen nur rund 40 Prozent ihres im Rahmen der Krankenbehandlung an den Ambulanzen erwirtschafteten Umsatzes. Theorie, Supervision und Selbsterfahrung müssen sie zumeist selbst finanzieren.
Die hohe finanzielle Belastung der PiA war ein Grund für die Reform der Psychotherapeutenausbildung von 2019. Die BPtK-Präsidentin geht entsprechend von Förderleistungen von rund 2.700 Euro für die neuen Psychotherapeuten in Weiterbildung aus, die sich in einem sozialversicherungspflichtigen Angestelltenverhältnis befinden werden.
„Die 40-Prozent-Regelung haben wir zur Prüfung gestellt“, berichtete BMG-Vertreter Leber. Und auch sonst will das Ministerium laut Franke „prüfen, abwägen und schauen, was man in Richtung Finanzierung der Weiterbildung machen kann“. Einen Mangel an Psychotherapeuten sehe er indes aktuell nicht.
Aus Sicht von BPtK-Präsidentin Benecke, wird es jedoch bald einen Nachwuchsmangel geben. Dann nämlich, „wenn die Stellen nicht zur Verfügung stehen und der Nachwuchs die Weiterbildung nicht absolvieren kann“. Es müsse also gesetzgeberisch gehandelt werden.
„Wir werden sonst viele psychisch kranke Menschen künftig nicht versorgen können“, sagte sie. Ein Drittel der niedergelassenen Psychotherapeuten sei aktuell 60 Jahre und älter. Wenn wir den Nachwuchs nicht mehr haben, können Kassensitze nicht nachbesetzt werden“, erklärte Benecke.
„Das Anliegen der Psychotherapeuten und Studierenden, die Finanzierung der Weiterbildung endlich anzugehen, wurde engagiert und sachkundig vorgetragen sowie von den Mitgliedern des Bundestages im Petitionsausschuss mit interessierten Fragen aufgenommen“, sagte der Bundesvorsitzende der Deutschen Psychotherapeutenvereinigung Gebhard Hentschel, der bei der Sitzung anwesend war.
Der Petitionsausschuss solle jetzt eine Überweisung an das BMG aussprechen und es so auffordern, sich zeitnah mit dem Anliegen der Anhörung zu befassen und aktiv zu werden.
Diskutieren Sie mit
Werden Sie Teil der Community des Deutschen Ärzteblattes und tauschen Sie sich mit unseren Autoren und anderen Lesern aus. Unser Kommentarbereich ist ausschließlich Ärztinnen und Ärzten vorbehalten.
Anmelden und Kommentar schreiben
Bitte beachten Sie unsere Richtlinien. Der Kommentarbereich wird von uns moderiert.
Diskutieren Sie mit: