Politik

Reinhardt warnt vor kommerziellen Motiven bei Klinikreform

  • Mittwoch, 5. August 2020
Klaus Reinhardt, Präsident der Bundesärztekammer. /picture alliance, Wolfgang Kumm
Klaus Reinhardt, Präsident der Bundesärztekammer. /picture alliance, Wolfgang Kumm

Berlin – In der Diskussion um eine Reform des Klinikangebots in Deutschland hat der Präsident der Bundesärztekammer (BÄK), Klaus Reinhardt, vor kommerziellen Motiven gewarnt. „Krankenhäuser müssen dem Patienten dienen, nicht dem Profit“, sagte der BÄK-Chef.

„Ein Abbau der Versorgungskapazitäten, den uns immer wieder verschiedene politik­bera­tende Stiftungen empfehlen, hätte bei uns im März und April zu gleichen Verhält­nissen ge­­führt wie in Spanien und Italien.“ Die Coronakrise habe aber gezeigt, dass Deutschland im internationalen Vergleich gut aufgestellt sei.

„Wir haben das schaffen können, weil wir uns in den letzten Jahren gegen die weitere Kommerzialisierung im Gesundheitswesen gestemmt haben, weil wir Kliniken als Ein­richtung der Daseinsvorsorge sehen und nicht als Industriebetriebe“, sagte Reinhardt.

„Wir haben schnell die notwendigen Kapazitäten im Krankenhaus aufgebaut. Und unser System flächendeckender ambulanter ärztlicher Versorgung hat uns vor einer Überinan­spruchnahme der Krankenhäuser bewahrt.“

Im Sommer vergangenen Jahres hatte eine Studie im Auftrag der Bertelsmann Stiftung für Aufsehen gesorgt. Demnach könnte die Patientenversorgung durch die Schließung von mehr als jedem zweiten Krankenhaus erheblich verbessert werden. Die verblei­ben­den Häuser könnten deutlich mehr Personal und eine bessere Ausstattung erhalten.

Reinhardt sagte, es sei anzuerkennen, dass es einen großen Reformstau gebe. „Wir brau­chen vor allem eine neue Vergütungssystematik, die nicht mehr ausschließlich auf wirt­schaftliche Effizienz ausgerichtet ist.“

Auch die Krankenhauslandschaft sei neu zu organisieren. „Auf dem Land brauchen wir weiterhin flächendeckend eine stationäre Versorgung, bei der Notfälle schnell und gut behandelt werden können. Aber wenn es medizinisch sinnvoll ist, vor allem in urbanen Gebieten, dann müssen auch Standorte zusammengelegt werden können.“

Dies bedeute, Synergieeffekte zu nutzen, um den Arbeitsdruck auf Ärzte und Pflege­perso­nal zu reduzieren. „Nur bitte diskutieren wir nicht über Einsparung beim Personal, nicht bei dem Behandlungsbedarf der zweitältesten Gesellschaft der Welt, nicht bei unserem Ärzte- und Pflegemangel“, mahnte Reinhardt.

„Im Gegenteil, wir brauchen mehr pflegerische Stellen, gleichzeitig aber darf keine einzi­ge ärztliche Stelle verloren gehen.“ Er verwies zudem darauf, dass die Länder Investiti­ons­verpflichtungen für die Kliniken von inzwischen etwa 30 Milliarden Euro in den ver­gangenen zehn Jahren nicht nachkämen.

Christoph Radbruch, Vorstandsvorsitzender des Deutschen Evangelischen Krankenhaus­verbandes (DEKV), betonte, bei einer möglichen Reform müssten die Patienten mit ihren Bedürfnissen in den Mittelpunkt gestellt werden. Eine bedarfsgerechte und qualifizierte Versorgung sei nicht automatisch an die Größe eines Krankenhauses gebunden.

Radbruch warnte zudem davor, bereits jetzt schon Lehren aus der Coronakrise zu ziehen. Um Schlussfolgerungen für eine zukünftige Krankenhausstruktur abzuleiten, benötige man belastbare Daten. „Subjektive Einschätzungen und Meinungsumfragen sind keine Basis für eine langfristige Planung, mit der wir zu einer systemischen Antwort kommen.“

dpa

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