„Der Wunsch, sich der notwendigen Dokumentation zu entziehen, ist nachvollziehbar, aber unrealistisch“
Berlin – Am 24. September ist Bundestagswahl. Das Deutsche Ärzteblatt hat die gesundheitspolitischen Sprecher der Parteien, Länderminister, Verbände und Ärzte aus der Patientenversorgung befragt, wie es mit der Gesundheitspolitik in der kommenden Legislatur weitergehen sollte.

Fünf Fragen an Maria Michalk, gesundheitspolitische Sprecherin der CDU/CSU-Bundestagsfraktion
DÄ: Viele Ärzte und Pflegekräfte im Gesundheitswesen leiden unter Zeitdruck, Personalmangel und zu viel Bürokratisierung. Welche konkreten Rezepte haben Sie, um diese Situation in der kommenden Legislaturperiode zu verbessern?
Maria Michalk: Der wachsende Zeitdruck ist eine Erscheinung unserer Zeit. In allen gesellschaftlichen Bereichen ist dies zu beklagen, so auch bei Ärzten und Pflegekräften. Der Wunsch, sich der notwendigen Dokumentation zu entziehen, um sich auf das Wesentliche im Aufgabenfeld zu konzentrieren, ist nachvollziehbar, aber unrealistisch, da dem haftungsrechtliche Ansprüche entgegenstehen. Deshalb sehen wir die Nutzung der technologischen Möglichkeiten der Digitalisierung als strukturelle Notwendigkeit, alle Versorgungsdaten effizient erfassen und auswerten zu können. Die Vermeidung von Doppeluntersuchungen beispielsweise bringt Zeit- und Kostenersparnis bei gleich hoher Qualität in der medizinischen Versorgung.
Die Pflegedokumentation muss künftig vollständig digitalisiert werden, auch im ambulanten Bereich. Zeitverzögerungen in der Umsetzung der Digitalisierung bedeuten Rückschritt in der Versorgung.
DÄ: Die Digitalisierung wird eines der Top-Themen der nächsten Legislaturperiode sein. Welche drei Punkte sind bei der Digitalisierung des Gesundheitswesens nach der Wahl vordringlich anzugehen?
Michalk: Ein besseres Entlassungsmanagement, auch mithilfe des elektronischen Entlassungsbriefes, ist im Gesetz verankert und muss zügig umgesetzt werden. Das gilt auch für die elektronische Patientenakte, einschließlich des Patientenfaches. Uns ist bewusst, dass es sich hier um einen sehr komplexen Prozess handelt. Dennoch erwarten wir endlich Ergebnisse, um die nächsten Schritte gestalten zu können. Die Entwicklung und damit die Möglichkeiten der Digitalisierung gehen rasant voran. Das Gesundheitswesen darf hierbei nicht abgekoppelt werden. Niemand versteht, warum nicht schon heute auf der elektronischen Gesundheitskarte alle Notfalldaten, der Medikationsplan, der Impfstatus und die Organspendebereitschaft erfasst sind.
DÄ: Welches sind die drei größten Fehlentwicklungen in der medizinischen Versorgung in den vergangenen Jahren?
Michalk: Der Krankenhausbereich fußt auf der bewährten dualen Finanzierung – die Länder zeichnen für die Investitionen, der Bund für die Personal- und Sachkosten. Welche Investitionen für die Zukunft wichtig und richtig sind, kann vor Ort am besten entschieden werden. Doch die nicht getätigten Investitionen durch die Länder haben sich zu einem Problem entwickelt, das wir bisher nicht lösen konnten. Das bleibt eine Aufgabe.
Ferner müssen wir alles daran setzen, den Pflegeberuf in seiner Vielfalt weiter zu stärken. Der Pflegebedarf wird größer. Darunter darf die Pflegequalität nicht leiden. Und betrügerisches Verhalten in diesem Bereich ist konsequent zu bekämpfen.
Trotz vieler kleinteiliger Maßnahmen für individuelle Lösungsansätze konnte der bereits bestehende Ärztemangel in den ländlichen Regionen bisher nicht abgewendet werden. Alle Akteure sind weiter in der Verantwortung.
DÄ: Blick in die nahe Zukunft: Was sind die drei ersten gesundheitspolitischen Anträge, die Sie nach der Wahl stellen wollen?
Michalk: In der Gesundheitspolitik wird es zunächst weiter darauf ankommen, wie es uns gemeinsam gelingt, das gesellschaftliche Bewusstsein für eine gesunde Lebensweise und präventive Untersuchungen zu stärken. Als konkrete Gesetzgebung gehen wir zügig folgende Themen an:
Das Verbot des Versandhandels mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln zu regeln, ist uns wichtig, weil wir den Erhalt der flächendeckenden Versorgung durch Apotheken vor Ort wollen.
Wir werden den Anpassungsbedarf zur Bildung von Mischpreisen beraten, um die Verunsicherung bei den Ärzten hinsichtlich der Wirtschaftlichkeit ihrer Verordnung von Medikamenten mit Blick auf einen möglichen Regress zu verhindern.
Ein großes Thema werden die notwendigen Reformen der Ausbildung nicht ärztlicher Berufe sein. Dabei steht die Reform der Psychotherapeutenausbildung an oberster Stelle.
DÄ: Das deutsche Gesundheitswesen genießt einen guten Ruf. In welchen drei Bereichen läuft es so gut, dass momentan keine Korrekturen notwendig sind?
Michalk: Unser Gesundheitswesen gilt international in der Tat als sehr vorbildlich. Jedem ist der Zugang zu neuesten medizinischen Erkenntnissen und Therapien gesichert. Das jeden Tag an jedem Ort in unserem Land durchzusetzen, ist ein hoher Anspruch an alle Leistungserbringer im Gesundheitswesen und verdient unseren Respekt. Auch wenn es hier und da, wie wir aus den Petitionen erkennen, Verbesserungsmöglichkeiten gibt.
Die große Reform der Pflegeversicherung, die Verabschiedung des seit vielen Legislaturperioden diskutierten Präventionsgesetzes und ein eigenständiges Heil- und Hilfsmittelgesetz bewirken, dass wir hier in absehbarer Zeit keinen Korrekturbedarf haben werden. Voraussetzung ist eine konsequente und maßgeschneiderte Umsetzung, bei der die Selbstverwaltungsgremien, die Länder, alle medizinischen Berufsgruppen, die Patienten selbst, ja die Bürgerschaft insgesamt in die Pflicht genommen werden.
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