5 Fragen an...

„Die Teststrategie müsste eher eine wissenschaftliche Leitlinie sein, als ein juristischer Text“

  • Mittwoch, 11. November 2020

Berlin – Deutschland diskutiert über die beste Strategie für den Winter, über eine „wellen­­brechende“ Strategie. Bislang galten die niedergelassenen Ärzte als „Schutzwall“. Das Deutsche Ärzteblatt () sprach mit dem Hausarzt Stefan Lodders über seine bis­he­rigen Erfahrungen im Umgang mit der Pandemie. Er ist Facharzt für Allgemein­medizin und Anästhesiologie mit den Zusatzbezeichnungen Ärztliches Qualitäts­management und Notfallmedizin.

Dr. Stefan Lodders, Facharzt für Allgemeinmedizin und Anästhesiologie. /privat
Stefan Lodders, Facharzt für Allgemeinmedizin und Anästhesiologie. /privat

5 Fragen an Stefan Lodders, Facharzt für Allgemeinme­dizin und Anästhesiologie mit den Zusatzbezeich­nun­gen Ärztliches Qualitätsmanagement und Notfallmedi­zin.

DÄ: Was sind aus Ihrer Sicht unverzichtbare Bestand­tei­le einer nachhaltigen Teststrategie für die kom­menden kalten Monate?
Stefan Lodders: Eine nachhaltige Teststrategie muss rational durchführbar sein. Zu oft wird gerade noch das „Freitesten“ offiziell gestattet. Auch Laien entdecken Logikfehler und faule Kompromisse in den Testregeln und ziehen ihre Schlüsse.

Eine PCR (Polymerase Kettenreaktion) muss wieder ge­zielt diagnostischen Wert bekommen. Sonst wird das Netz unkontrolliert löchrig. Mit einer nachhaltigen Teststrategie wüsste man zumindest, wo die Löcher sind.

DÄ: Wie beurteilen Sie die aktuellen Rahmenbedingungen für die Durchführung von SARS-CoV-2-Tests?
Lodders: Wer Symptome hat, die mit COVID-19 vereinbar sind, dem kann ein Test in einer Infektionssprechstunde angeboten werden. Das ist gut. Da weiß ich, dass das so vom Ro­bert-Koch-Institut (RKI) gewollt und von den Kassenärztlichen Vereinigungen (KV) be­zahlt wird. Mit den Gesundheitsämtern kann man dann fallbezogen sehr gut zusammen­arbeiten.

Eine echte Lenkung der Patientenströme erlebe ich aber von keiner Seite. Wie auch? Der Wunsch nach einem Test entsteht aus so heterogenen Gründen, er ist ja quasi gerade die Eintrittskarte zum sozialen Leben.

Es ist ein täglicher Kampf unserer Medizinischen Fachangestellten (MFA) die „saubere“ Sprechstunde von Patientinnen und Patienten frei zu halten, die einfach irgendwann am Tresen stehen und über Husten und Fieber klagen.

Die Testung selbst wird von den Patienten gerne angenommen. Es ist sogar etwas amü­sant: Früher sollte man bei Erkältungskrankheiten noch lang und breit etwas zu Husten­saft, Nasenspray, Fiebersenkern und Halsspray sagen. Heute ist das mit einem Abstrich „auserzählt“ und fast alle Patienten sind mit einem Abstrich zufrieden. Hier könnte die Gesellschaft vielleicht sogar über COVID hinaus etwas für die Zukunft lernen.

DÄ: Wie bewerten Sie die bisherige Kommunikation der sich stetig weiterentwickelnden Teststrategien?
Lodders: Die Kommunikation ist der Teil der ganzen Krise, in dem das meiste Potenzial steckt. Bezogen auf die Teststrategien heißt das: Sie müsste mehr einer wissenschaft­li­chen Leitlinie ähneln als einem juristischen Text. Viele Websites zur Teststrategie sind veraltet. Der Pflegeaufwand dieser Inhalte wird unterschätzt.

Die KV ist an dieser Stelle recht hilfreich. Wir bekommen ab und an aktualisierte Darstell­ungen darüber, wer, wann, auf welchem Schein, unter welchen Bedingungen, mit wel­chen ICDs codiert und mit welchen GOPs bezahlt wird. Das ist toll, aber eigentlich muss man drüber weinen, dass das nötig ist.

DÄ: Was halten Sie, Stand jetzt, von den Rufen nach Coronaschnelltests?
Ich sehe Antigenschnelltests als durchaus sinnvoll an. Sie sollen gerade bei den Men­schen mit hoher Viruslast eine gute Sensitivität haben. Das ist ein Merkmal von Super­sprea­dern und die Überdispersion scheint ja ein bedeutender Faktor der Pandemie zu sein.

Daher halte ich sie gerade vor Zusammenkünften, bei denen die AHA+L+C-Regeln nicht eingehalten werden können, für sinnvoll. Wenn ich mit Antigentests zumindest die Men­schen mit Superspreaderpotenzial herausfiltere, dann ist das Event zwar nicht sicher, aber man kann ziemlich sicher sein, dass es kein Fiasko wird.

Für unsere Praxis kann ich sagen: Wir testen jeden Tag eine Person des Teams als „Senti­nel“ mit einem Antigenschnelltest. Immer diejenige Person, die am längsten nicht dran war oder die sich irgendwie nicht gut fühlt. Sollte sie positiv sein, würde ich das kom­plette Team mit Antigentests plus PCR abstreichen: Wer Antigen-positiv ist, darf nicht mehr arbeiten, wer Antigen-negativ ist, also keine hohe Viruslast hat, darf mit FFP2 bis zum PCR-Ergebnis arbeiten.

Jede erkältete Person im Team kriegt sowieso einen PCR-Abstrich und bleibt mindestens fünf Tage zuhause.

DÄ: In welchen Einrichtungen sollten sich Patienten in den kommenden Monaten aus Ihrer Sicht testen lassen können?
Lodders: Es ist gut, wenn Tests an vielfältigen Orten möglich sind. Wie viele Orte man benötigt, hängt aber auch von der neuen Teststrategie ab. Bleibt es weiter bei der „Viel-Testen“-Strategie, sollte es auch mehr Testmöglichkeiten geben. In der Großstadt, in wel­cher ich mit einem tollen Team praktizieren darf, sind aktuell 16 Praxen von der KV aus­gewiesen, die Abstriche machen. Darunter ist kein einziger Spezialist.

Wenigstens für asymptomatische Menschen, die aus administrativen Gründen einen Test benötigen, sollten alle Praxen ihre Tore öffnen. „Drive-Ins“ und Ähnliches sehe ich sehr skeptisch, sie tragen zur Beliebigkeit des Testens bei und erschweren die unterschätzte wichtige Kommunikationsarbeit im Umfeld eines Tests.

jff

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