„Ein zentraler Punkt ist, dass Gesundheits- und Klimaschutz in allen Politikbereichen verankert sein müssen“
Dubai – Noch bis zum 12. Dezember laufen bei der Weltklimakonferenz, der COP28, Verhandlungen darüber, wie sich der globale Temperaturanstieg verringern lässt. Ein entscheidender und am schwierigsten zu verhandelnder Punkt ist dabei ein möglicher Ausstieg aus fossilen Energieträgern – auch um die Gesundheit der Menschen zu schützen. Erstmalig hat es auf der Weltklimakonferenz daher einen eigenen Tag für Gesundheit gegeben. Das Deutsche Ärzteblatt hat mit Sophie Gepp über die Bedeutung von Gesundheit bei den Klimaverhandlungen gesprochen. Gepp hat sowohl Medizin als auch Public Health studiert und beobachtet die COP für den Think Tank Centre for Planetary Health Policy (CPHP).

5 Fragen an Sophie Gepp, Centre for Planetary Health Policy
Welchen Stellenwert hat der Gesundheitstag auf der Weltklimakonferenz?
Der Gesundheitstag auf der COP ist ein Meilenstein, weil das Thema Gesundheit das erste Mal so prominent in den Vordergrund gerückt wurde. Es gab bisher noch nie einen Gesundheitstag auf der Weltklimakonferenz.
Es wurde deutlich unterstrichen, dass die Klimakrise die größte Bedrohung für die Gesundheit im 21. Jahrhundert ist. So wirken sich zum Beispiel Hitzewellen, Überschwemmungen oder die Folgen von Ernährungsunsicherheit negativ auf unsere Gesundheit aus. Umgekehrt kommen viele Maßnahmen, die das Klima schützen, auch der Gesundheit zugute.
Auf dem Gesundheitstag gab es ein ministerielles Treffen zu Klimawandel und Gesundheit. Eines der wichtigsten Ergebnisse war außerdem die Deklaration zu Klimawandel und Gesundheit, die mittlerweile mehr als 130 Staaten unterstützen.
Der Gesundheitstag und die Deklaration sind nicht Teil des offiziellen Prozesses der Verhandlungen auf der Weltklimakonferenz. So bringt der Gesundheitstag zwar politische Aufmerksamkeit, die dort verabschiedete Deklaration ist aber nicht bindend und wurde auch nicht im Detail verhandelt, wie in den offiziellen Verhandlungen.
Was können die Beschlüsse in der Erklärung zu Klimawandel und Gesundheit dann bewirken?
Was sie leisten kann, ist das Thema Gesundheit beim Klimaschutz stark hervorzuheben und ein Momentum zu schaffen. Gleichzeitig kann eine Deklaration auch Signalwirkung in die Länder haben und dafür sorgen, dass sich Ministerien und Sektoren auf nationaler Ebene koordinieren und besser an der Schnittstelle Klimawandel und Gesundheit zusammenarbeiten. In der Deklaration wird unter anderem die Transformation des Gesundheitswesens zu einem klimaresilienten und emissionsarmen Gesundheitssystem genannt.
Und auch der Klimaschutz soll im Kontext von Gesundheitsprogrammen berücksichtigt werden. Es werden viele Anknüpfungspunkte und wichtige Aspekte in der Erklärung benannt, aber es wurden keine konkreten Ziele mit einem klaren Zeitrahmen festgelegt. Es ist also sehr wichtig, im Blick zu behalten, wie diese Schritte umgesetzt werden und was in den einzelnen Ländern konkret passiert.
Tatsächlich hätte die Sprache in der Erklärung noch ambitionierter sein können, so hätte man zum Beispiel das Ziel der klimaneutralen Gesundheitssysteme statt emissionsarmer Gesundheitssysteme darin festhalten sollen. Große Kritik gab es zudem, dass fossile Energien in dem Papier nicht angesprochen werden, obwohl sie natürlich einer der Hauptgründe für Treibhausgasemissionen sind und durch Luftverschmutzung starke Auswirkungen auf die Gesundheit haben.
Gab es weitere wichtige Ereignisse auf dem Gesundheitstag?
Es wurden sowohl von staatlicher Seite als auch von Initiativen und anderen Organisationen Finanzierungszusagen für den Klima- und Gesundheitsschutz gemacht. So hat zum Beispiel der Globale Fonds zur Bekämpfung von AIDS, Tuberkulose und Malaria 300 Millionen US Dollar für die Vorbereitung von Gesundheitssystemen zugesagt, und Großbritannien will bis zu 54 Millionen Pfund bereitstellen.
Es ist wirklich wichtig, dass die Vereinbarungen finanziell untermauert werden. Allerdings muss man jedes Mal genau hinschauen, woher die Gelder kommen und ob es sich um zusätzliche Gelder handelt, oder sie aus anderen ebenfalls gesundheitsfördernden Sektoren umgeleitet werden.
Kommen wir zur nationalen Klimastrategie: Ist das deutsche Gesundheitssystem auf die Folgen des Klimawandels vorbereitet?
Wir können noch lange nicht davon sprechen, dass das deutsche Gesundheitssystem klimaresilient ist. Auch wenn in den letzten Monaten zum Beispiel viel im Bereich Hitzeschutz passiert ist, sind wir noch nicht ausreichend vorbereitet. Da muss noch viel getan werden. Außerdem stößt der Gesundheitssektor selbst viele Emissionen aus, die dringend reduziert werden müssen. Deutschland muss noch deutliche Schritte hin zur Dekarbonisierung gehen und trägt meines Erachtens auch globale Verantwortung ambitioniert voranzugehen. Grund dafür sind die historischen Emissionen und die Situation als eines der global gesehen reichsten Länder.
Zum Thema Hitze ist also schon viel passiert. Welche Themen kommen beim Gesundheits- und Klimaschutz aktuell zu kurz?
Ein zentraler Punkt ist, dass Gesundheits- und Klimaschutz in allen Politikbereichen verankert sein müssen. Natürlich müssen wir den Gesundheitssektor transformieren und klimaneutral sowie klimaresilient machen, aber wir müssen im Blick behalten, dass unsere Gesundheit maßgeblich durch andere Sektoren bestimmt wird. So haben zum Beispiel der Energie- oder Transportsektor, sowie auch die Landwirtschaft bedeutenden Einfluss auf unsere Gesundheit.
Ein weiteres Thema, was immer noch zu wenig Beachtung findet, ist psychische Gesundheit im Kontext des Klimawandels. Auch dazu gab es auf der COP einige Veranstaltungen und das Thema wurde von einigen Staaten im ministeriellen Treffen aufgegriffen.
Bei all der Aufmerksamkeit, die auf dem Gesundheitstag liegt, dürfen wir aber nicht aus den Augen verlieren, dass das, was innerhalb des offiziellen Verhandlungsprozess der COP28 entschieden wird, zentral für Gesundheit ist. Ambitionierte Schritte zum Ausstieg aus fossilen Energien sind das Wichtigste, was für die Gesundheit auf der Klimakonferenz beschlossen werden kann und sollte. Ob diese Weltklimakonferenz wirklich eine Gesundheits-COP war, wird sich erst rückblickend sagen lassen.
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