Ausland

Deutlich mehr gemeldete HIV-Infektionen in der EU

  • Freitag, 1. Dezember 2023
/gamjai, stock.adobe.com
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Kopenhagen – Im Jahr 2022 gab es im Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) gegenüber dem Jahr 2021 einen Anstieg bei den gemeldeten HIV-Infektionen. Im Vergleich zu 2019 ist die Zahl der Meldungen aber gesunken. Das geht aus einem neuen Bericht der Weltgesundheits­organisation WHO hervor. Das European Centre for Disease Prevention and Control (ECDC) geht von einer „stabilen“ Infektionslage aus.

In den Ländern wurden im Jahr 2022 laut den Daten insgesamt 22.995 HIV-Diagnosen gemeldet, was einer Rate von 5,1 pro 100.000 Einwohner entspricht. Dies ist ein Anstieg um 30,8 Prozent im Vergleich zu 2021, aber immer noch ein Rückgang um 3,8 Prozent im Vergleich zur Rate von 2019. Die höchsten Raten wurden aus Zypern (218 Fälle) und Estland (250 Fälle) gemeldet, die niedrigste aus Slowenien (42 Fälle).

In den Jahren zuvor hatten sich die HIV-Infektionen in einem Abwärtstrend bewegt. Das ECDC sieht trotz des jetzt beobachteten Anstiegs keinen tatsächlichen Anstieg der Infektionen. „Wir gehen davon aus, dass die Situation stabil ist“, erklärte Anastasia Pharris, Expertin für Infektionskrankheiten bei der ECDC. Die Ursachen erkläre sich die ECDC unter anderem durch die COVID-Pandemie oder Migration.

Migration und COVID-Pandemie haben zu scheinbarem HIV-Anstieg geführt

Im EWR stammten im Jahr 2022 laut dem Bericht 48,3 Prozent der diagnostizierten Personen aus Ländern außerhalb der EU. Coronapandemie und die Ausweitung und Einführung neuer Teststrategien zur Erkennung zuvor nicht diagnostizierter Fälle hätten zu einem Anstieg der Zahl der Diagnosen und der Zahl der zuvor mit HIV diagnostizierten Personen unter ihnen geführt. All dies mache es schwierig, die HIV-Trends für 2019 bis 2022 zu interpretieren, hieß es auch aus der WHO.

Wichtig für die Veränderungen seien außerdem „zunehmende Bevölkerungsbewegungen in ganz Europa, insbesondere in den EU/EWR-Ländern sowie die Wiederaufnahme der Gesundheitsdienste nach der COVID-19-Pandemie“, heißt es in dem Bericht.

Zu den Ländern, in denen mehr als die Hälfte der HIV-Diagnosen Menschen betrafen, die nicht aus dem Meldeland stammten, gehörten Österreich, Belgien, Zypern, Tschechien, Dänemark, Estland, Finnland, Frankreich, Deutschland, Island, Irland, Luxemburg, Niederlande, Norwegen, Slowakei und Schweden.

Wie in den Vorjahren war die Rate der HIV-Diagnosen im Jahr 2022 bei Männern (7,3 pro 100.000 Einwohner) höher als bei Frauen (2,9 pro 100.000 Einwohner. 33,3 Prozent (7.656) aller gemeldeten HIV-Diagnosen im Jahr 2022 und 45,8 Prozent der Diagnosen, bei denen der Übertragungsweg bekannt war, entfielen auf Sex zwischen Männern.

Der erste heterosexuelle Kontakt war im Jahr 2022 im EWR häufiger als Geschlechtsverkehr zwischen Männern der Grund für die HIV-Übertragung: Er machte 33,7 Prozent (7.743) der HIV-Diagnosen und 46,3 Prozent der Diagnosen aus, bei denen der Übertragungsweg bekannt war.

Die Übertragung durch injizierenden Drogenkonsum machte 2022 4,3 Prozent der HIV-Diagnosen aus. Mehr als die Hälfte der Personen mit einer gemeldeten Diagnose, die auf injizierenden Drogenkonsum zurückzuführen ist, wurden außerhalb des Meldelandes geboren.

Mehr als doppelt so hohe Meldezahlen in der gesamten Europäischen Region

Deutlich höher sind die Meldezahlen bei Betrachtung der gesamten Europäische Region der WHO – hierzu gehören zum Beispiel auch Russland und die Ukraine. Im Jahr 2022 wurden in den 49 Ländern dieser Region 110.486 Menschen mit HIV diagnostiziert, was einer Rate von 12,4 pro 100.000 Einwohner entspricht. Dies bedeutet ein Anstieg um 4,2 Prozent gegenüber 2021, aber gleichzeitig ein Rückgang um 20,5 Prozent gegenüber 2019.

Die höchsten Raten pro 100.000 Einwohner wurden in der Russischen Föderation (38,4) beobachtet, gefolgt von der Ukraine (29,8), der Republik Moldau (28,4), Zypern (24,1), Kasachstan (20,7), Armenien (19,2), Estland (18,8), Irland (17,5), Belarus (17,2), Georgien (16,5) und Kirgisistan (16,5). Die niedrigsten Raten (2,0 und darunter) meldeten Slowenien (2,0), Nordmazedonien (2,0) sowie Bosnien und Herzegowina (1,7).

Der größte Anteil der in der Region diagnostizierten Personen gehörte zur Altersgruppe der 30- bis 39-Jährigen (36 Prozent). Sechs Prozent waren junge Menschen im Alter von 15 bis 24 Jahren und 17 Prozent waren bei der Diagnose 50 Jahre oder älter.

Das Ziel der Vereinten Nationen ist es, der weltweiten HIV/AIDS Pandemie bis 2030 ein Ende zu setzen. „Das bedeutet konkret, dass wir neue HIV-Infektionen um 90 Prozent reduzieren müssen bis 2023“, erklärte Andrea Ammon, Leiterin der ECDC, am Dienstag bei einer Pressekonferenz.

„Wir bewegen uns in der EU in die richtige Richtung.“ Dennoch betonte Ammon, dass man mehr tun müsse. Denn immer noch weiß einer von zehn Menschen nicht, dass er mit HIV infiziert ist. Und die Hälfte der Diagnostizierten hatten eine späte Diagnose.

„Diese Zahlen zeigen, dass Menschen entweder nicht gewillt sind oder es ihnen nicht ermöglicht wird, sich rechtzeitig testen zu lassen und Zugang zur Versorgung zu bekommen.“ Hierfür müssten es regional angepasste Massnahmen geben.

hil/gie

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