Ausland

Keine Einigung auf Verhaltenskodex für Rettungen im Mittelmeer

  • Mittwoch, 26. Juli 2017

Rom – Italienische Regierungsbeamte und Hilfsorganisationen haben sich vorerst nicht auf einen Verhaltenskodex als Grundlage für Rettungen von Migranten im Mittelmeer geeinigt. Für Freitag sei ein neues Treffen in Rom angesetzt worden, berichtete Titus Molkenbur, der für die deutsche Nichtregierungsorganisation (NGO) Jugend Rettet gestern bei einem Treffen im Innenministerium in Rom teilnahm. Bis dahin könnten die Organisationen Vorschläge zur Verbesserung und Ergänzung des Regelkatalogs einrei­chen. Dies ging auch aus einer Mitteilung des italienischen Innenministeriums hervor.

An dem Gespräch unter Federführung des Flüchtlingsbeauftragten des italienischen Innenministeriums, Mario Morcone, haben neben Jugend Rettet die NGO MOAS, Save the Children, Ärzte ohne Grenzen, Sea-Watch, Sea-Eye und SOS Mediterranee teilge­nommen. Jede der Organisationen habe ihre Sorgen vorbringen können, sagte Molkenbur. Morcone habe deutlich gemacht, dass es der italienischen Regierung um die innere Sicherheit Italiens gehe.

Mit dem Verhaltenskodex will die italienische Regierung klare Regeln für die Rettungs­aktionen im Mittelmeer aufstellen und hatte damit für Verunsicherung bei den Hilfs­organisationen gesorgt. Sie fühlen sich durch den Vorstoß der italienischen Regierung kriminalisiert, weil sie sich bei den Rettungseinsätzen nach eigenen Angaben bereits an Recht und Gesetz auf See halten.

Regeln für Retter

Nur im äußersten Notfall sollen die Schiffe der Hilfsorganisationen in libysche Hoheits­gewässer eindringen, so schreibt es auch das Internationale Seerecht vor. Der Code of Conduct in seiner jetzigen Form untersagt den Helfern ferner, Ortungsgeräte abzustel­len und mit Lichtsignalen Schmuggler an der libyschen Küste zu ermuntern, Boote mit Migranten aufs Meer zu schicken. Außerdem sollen die NGO den Behörden, auch der Kriminalpolizei, Zugang zum Schiff gewähren und ihre Finanzierung offenlegen.

Seit ein sizilianischer Staatsanwalt einigen NGO vorwarf, von Schleppern finanziert zu sein, sind die Nichtregierungsorganisationen in den Fokus der Debatte um Rettungs­einsätze im Mittelmeer geraten. Belege für die Anschuldigungen gibt es nicht.

Die EU-Grenzschutzbehörde Frontex stellte Anfang des Jahres fest, dass die Seenot­retter mit ihrem Engagement im Mittelmeer Schleppern in die Hände spielten – unter­stellte den Helfern aber keine bösen Absichten. Vielmehr helfen demnach alle an Rettungen Beteiligten den Verbrechern unbeabsichtigt, ihre Ziele mit minimalem Kosten­aufwand zu erreichen. Also auch die Küstenwache oder Frontex selbst.

Während der Beratungen in Rom gingen Hilfseinsätze im Mittelmeer weiter. Die spanische NGO Proactiva Open Arms rettete 167 Migranten von einem Schlauchboot. 13 Menschen, darunter Schwangere und Mütter, konnten nur noch tot geborgen werden, wie die Gruppe auf Twitter mitteilte. Ärzte ohne Grenzen und SOS Mediterra­nee brachten mehr als 400 Gerettete in Sizilien an Land, darunter zahlreiche Kinder.

Die Hilfsorganisationen beklagen stets das Fehlen einer europäischen Rettungsmission auf dem Mittelmeer. 2016 kamen mehr als 180.000 Menschen über die zentrale Mittel­meerroute zwischen Libyen und Italien nach Europa. Mehr als 5.000 ertranken, weil Schlepper sie auf kaum seetüchtigen und vollkommen überladenen Booten aufs Meer schicken. In diesem Jahr starben bereits mehr als 2.300 Menschen.

Gestern stimmten die EU-Mitgliedsstaaten einstimmig einer Fortsetzung der 2015 gestarteten Operation „Sophia“ zu, die vor der libyschen Küste ebenfalls Migranten rettet, dort aber eigentlich gegen Schlepper im Einsatz ist. Italien hatte die Verlänge­rung zunächst blockiert. Das Land versucht derzeit mit unterschiedlichen Vorstößen, der Vielzahl an ankommenden Geretteten aus dem Mittelmeer Herr zu werden und die EU-Partner zu einer größeren Lastenteilung zu bewegen. In diesem Jahr kamen bereits mehr als 93.300 Migranten an den heimischen Häfen an.

dpa

Diskutieren Sie mit:

Diskutieren Sie mit

Werden Sie Teil der Community des Deutschen Ärzteblattes und tauschen Sie sich mit unseren Autoren und anderen Lesern aus. Unser Kommentarbereich ist ausschließlich Ärztinnen und Ärzten vorbehalten.

Anmelden und Kommentar schreiben
Bitte beachten Sie unsere Richtlinien. Der Kommentarbereich wird von uns moderiert.

Es gibt noch keine Kommentare zu diesem Artikel.

Newsletter-Anmeldung

Informieren Sie sich täglich (montags bis freitags) per E-Mail über das aktuelle Geschehen aus der Gesundheitspolitik und der Medizin. Bestellen Sie den kostenfreien Newsletter des Deutschen Ärzteblattes.

Immer auf dem Laufenden sein, ohne Informationen hinterherzurennen: Newsletter Tagesaktuelle Nachrichten

Zur Anmeldung