Ausland

Massenflucht in Gaza, schwierige humanitäre Lage

  • Montag, 16. Oktober 2023
/picture alliance, Mohammed Talatene
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Tel Aviv/Gaza – Aus Angst vor Israels erwarteter Bodenoffensive im Gazastreifen gegen die islamistischen Hamas-Angreifer suchen Hunderttausende Palästinenser Schutz im Süden des hermetisch abgeriegelten Küstenstreifens.

Nach mehreren Evakuierungsaufrufen an die Zivilbevölkerung hätten sich dort inzwischen mehr als 600.000 Menschen hinbegeben, teilte Israels Armeesprecher Daniel Hagari mit. Die Versorgung der dicht gedrängten Menschenmassen ist dramatisch. Wasser sollen sie wieder bekommen, kündigte Israels Energieminister Israel Katz auf der Plattform X (vormals Twitter) an.

Israel will die im Gazastreifen herrschende Hamas zerstören, die bei dem beispiellosen Terrorüberfall auf Israel vor mehr als einer Woche mehr als 1.300 Menschen getötet und mehr als 3.600 Menschen verletzt hatte.

Israels Armee konnte inzwischen die Entführung von fast 200 Menschen aus Israel in den Gazastreifen bestä­tigen. Unter den Entführten sind auch acht Deutsche. Die Bundesregierung hat nach Aussagen von Außenmi­nisterin Annalena Baerbock weiter „keinen direkten Kontakt“ zu den deutschen Geiseln.

Die Taten und die Politik der Hamas repräsentieren nach den Worten von Palästinenserpräsident Mahmud Abbas nicht das palästinensische Volk. Er lehne die Tötung von Zivilisten auf beiden Seiten ab, betonte Abbas, der die Autonomiebehörde im Westjordanland leitet, in einem Telefonat mit Venezuelas Staatschef Nicolás Maduro, wie die palästinensische Nachrichtenagentur Wafa berichtete. Abbas forderte alle Beteiligten auf, Gefangene freizulassen.

Angesichts eines Nahen Ostens „am Rande des Abgrunds“ forderte auch UN-Generalsekretär António Guterres eindringlich die sofortige Freilassung der Geiseln sowie einen raschen humanitären Zugang zum Gazastreifen. „Jedes dieser beiden Ziele ist berechtigt“, sagte Guterres in New York laut einer Mitteilung. Unterdessen soll der einzige Grenzübergang aus dem Gazastreifen zum Nachbarland Ägypten einer ägyptischen Sicherheits­quelle zufolge am Montag für die Ausreise von ausländischen Staatsangehörigen geöffnet werden.

Den Angaben zufolge laufen dafür die Vorbereitungen. Auch die Einfuhr von humanitären Hilfslieferungen über den Grenzübergang Rafah soll demnach ermöglicht werden. Wegen der israelischen Luftangriffe ist der Grenzübergang derzeit außer Betrieb. Für die Menschen im Gazastreifen gibt es keine Möglichkeit, das Gebiet zu verlassen.

Die EU-Kommission will humanitäre Hilfe für den Gazastreifen unverzüglich um 50 Millionen Euro auf mehr als 75 Millionen Euro aufstocken. Die Hilfe soll in Zusammenarbeit mit den Vereinten Nationen Bedürftige im Gazastreifen erreichen, sagte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen nach einem Gespräch mit UN-Generalsekretär António Guterres.

„Die Verdreifachung der humanitären Hilfe der EU wird dazu beitragen, dass die Zivilbevölkerung in Gaza mit dem Nötigsten versorgt werden kann“, teilte der EU-Kommissar für humanitäre Hilfe und Krisenschutz, Janez Lenarcic, mit. Es sei von entscheidender Bedeutung, dass ein sicherer und ungehinderter Zugang für die hu­manitäre Hilfe gewährleistet sei. Von der Leyen betonte zudem, die Kommission unterstütze das Recht Israels, sich unter voller Einhaltung des humanitären Völkerrechts gegen die Hamas zu verteidigen.

Der Weltärztebund (WMA) trauert über den Verlust von Menschenleben, insbesondere von medizinischem Per­sonal auf beiden Seiten des Konflikts, und steht in Solidarität mit allen Ärzten und medizinischem Personal, die an vorderster Front stehen und ihr Leben riskieren, um in diesen schwierigen Zeiten eine wichtige medi­zinische Versorgung zu gewährleisten.

Der WMA rief alle am Konflikt beteiligten Parteien unter anderem dazu auf, Gesundheitseinrichtungen nicht als Militärquartiere oder -depots zu nutzen sowie Einrichtungen und Fahrzeuge des Gesundheitspersonals nicht anzugreifen. Auch solten humanitären Korridore, die sichere Lieferung von medizinischer Ausrüstung und humanitären Hilfsgütern ermöglichen.

„Ich appelliere dringend an alle Parteien, keine Zivilisten, Gesundheitseinrichtungen, Infrastruktur oder Personal anzugreifen. Unsere oberste Pflicht als Ärzte ist es, im besten Interesse der Menschheit zu handeln und Leben zu erhalten. Es ist unerlässlich, dass Mediziner auf allen Seiten des Konflikts nicht zur Zielscheibe werden und die Opfer behandeln dürfen", forderte die neue WMA-Präsidentin Lujain Al-Qodmani.

Die Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK) verurteilte heute den Terror der Hamas gegen Israel scharf. „Unsere Gedanken sind bei all den Menschen, die unter den weitreichenden traumatischen Folgen von Krieg, Terror, Flucht und Antisemitismus leiden“, hieß es. Die BPtK erklärte sich solidarisch mit den Jüdinnen und Jugden, die in Deutschland antisemitisch angefeindet und angegriffen würden. „Dieser Form der Menschenfeindlichkeit muss gesellschaftlich und politisch entgegengetreten werden.“

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) forderte Israel auf, die Evakuierung der Krankenhäuser im nördlichen Gazastreifen rückgängig zu machen, und ruft zum Schutz der Gesundheitseinrichtungen, des medizinischen Personals, der Patienten und der Zivilbevölkerung auf. Die WHO forderte außerdem erneut die sofortige und sichere Lieferung von medizinischen Hilfsgütern, Treibstoff, sauberem Wasser, Lebensmitteln und anderen humanitären Hilfsgütern über den Rafah-Übergang in den Gazastreifen, wo lebensrettende Hilfsgüter - einschließlich.

dpa/afp/kna/EB

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