„Korridore und Pausen“ für humanitäre Hilfe im Gazastreifen angemahnt

Brüssel – Die Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union haben sich auf eine gemeinsame Erklärung zum Nahostkrieg geeinigt. Sie riefen darin gestern zu „Pausen“ in den Kämpfen zwischen Israel und der radikalislamischen Hamas auf und forderten „Korridore“ für Hilfslieferungen an Zivilisten.
Die Debatte der 27 Mitgliedsstaaten in Brüssel kreiste lange um eine Formulierung, mit der die EU Unterbrechungen der Kämpfe zur humanitären Versorgung der Zivilbevölkerung im Gazastreifen fordern kann. Schließlich einigten sie sich darauf, zur Einrichtung von „Korridoren und Pausen zu humanitären Zwecken“ aufzurufen.
Die Bundesregierung und Länder wie Österreich hatten sich gegen Forderungen nach einer „Waffenruhe“ oder einem „Waffenstillstand“ gestellt und Israels Recht auf Selbstverteidigung unterstrichen. Die 27 Staats- und Regierungschefs betonen nun zudem „Israels Recht auf Selbstverteidigung im Einklang mit dem Völkerrecht und dem humanitären Völkerrecht“.
Der militant-islamistischen Palästinenserorganisation Hamas werfen sie vor, Zivilisten als „menschliche Schilde“ zu nutzen. Es gehe „darum, dass wir gemeinsam nochmal deutlich machen, dass wir Israel unterstützen bei der Verteidigung des eigenen Landes gegen den furchtbaren Angriff der Hamas“, sagte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), der sich zudem überzeugt zeigte, dass die israelische Armee sich ans Völkerrecht halte. Die EU-Vertreter riefen dazu auf, „den schnellen, sicheren und ungehinderten“ Zugang für humanitäre Hilfe zu gewährleisten.
Seit Beginn des Kriegs durften 74 Lastwagen mit Hilfsgütern in den Gazastreifen fahren, in dem 2,4 Millionen Menschen unter katastrophalen Bedingungen leben – vor dem Konflikt waren es laut UNO täglich rund 500 Lastwagen. Nach dem Großangriff der Hamas am 7. Oktober hatte Israel den Gazastreifen abgeriegelt und mit massiven Vergeltungsschlägen begonnen. Seitdem ist die Bevölkerung ohne Wasser, Lebensmittel und Treibstoff.
Angesichts der andauernden israelischen Luftangriffe sei es nirgendwo im Gazastreifen mehr sicher, warnte die UNO gestern. Die Aufforderungen der israelischen Armee zur Evakuierung von Gebieten, die sie angreifen wolle, machten für viele Menschen „keinen Unterschied“, erklärte die UN-Koordinatorin für humanitäre Angelegenheiten, Lynn Hastings.
Israel wirft der radikalislamischen Hamas hingegen vor, Krankenhäuser im Gazastreifen als strategische Zentren für ihre Angriffe gegen Israel zu missbrauchen. „Die Hamas führt den Krieg gegen Israel von Krankenhäusern aus“, sagte der Sprecher der israelischen Armee, Daniel Hagari, heute vor Journalisten. Die militante Palästinenserorganisation nutze die Krankenhäuser „als Kommandozentralen und Verstecke“ mit Zugängen zu ihrem unterirdischen Tunnelsystem.
„Die Terroristen bewegen sich frei im Al-Schifa-Krankenhaus“ in Gaza-Stadt sowie in weiteren Krankenhäusern, sagte der Armeesprecher. Zudem nutze die Hamas den in diesen zivilen Einrichtungen gelagerten Treibstoff für ihre Angriffe. „Es gibt Treibstoff in den Krankenhäusern, und die Hamas nutzt ihn für ihre terroristische Infrastruktur“, sagte Hagari. Israel hatte die Hamas bereits mehrfach beschuldigt, die Bevölkerung des Gazastreifens als „menschliche Schutzschilde“ zu benutzen.
Die Hamas wies die Vorwürfe umgehend als „unbegründet“zurück. Die Äußerungen des israelischen Armeesprechers entbehrten „jeder Grundlage“, sagte der Hamas-Beamte Issat Al-Rischk.
Vor dem Hintergrund einer geplanten Bodenoffensive hatte Israel mehr als eine Millionen Zivilisten im Norden des Gazastreifens aufgefordert, sich im Süden in Sicherheit zu bringen. In der Nacht zu gesterm war das israelische Militär nach eigenen Angaben kurzzeitig mit Panzern in den Gazastreifen eingedrungen. Der „gezielte Angriff“ im Norden des Palästinensergebiets sei Teil der „Vorbereitungen für die nächsten Kampfphasen“, erklärte die Armee mit Blick auf die geplante Bodenoffensive.
Bei dem Angriff der Hamas wurden israelischen Angaben zufoge etwa 1.400 Menschen getötet und mehr als 220 Menschen als Geiseln verschleppt.
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