Ausland

Mehr Malaria, mehr Hunger und neue Krankheiten

  • Freitag, 18. November 2022
/boscorelli, stock.adobe.com
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Paris – Die Weltgesundheits­orga­nisation WHO hält den Klimawandel für die größte Gefahr für die Gesundheit der Menschheit. Forscher versuchen derzeit intensiv, die gesundheitlichen Folgen des Klimawandels zu berech­nen. Dies sei jedoch eine äußerst komplizierte Aufgabe, sagen Experten.

Denn die globale Erwärmung wirke sich viel­fältig auf die Gesundheit aus, von den unmittelbaren Gefahren der Hitze und des extremen Wetters bis hin zu langfristiger Nahrungs- und Wasserknappheit, Luftverschmutzung und der Zunahme von Krankheiten.

Die WHO schätzt, dass der Klimawandel zwischen 2030 und 2050 jährlich 250.000 zusätzliche Todesfälle durch Unterernährung, Malaria, Durchfall und Hitzestress verursachen wird. Dies gilt jedoch als „extrem konservative Schätzung“ der wahren Ausmaße, sagt Jess Beagley, politische Leiterin der Nicht-Regierungs­organisation Global Climate and Health Alliance.

„Der Klimawandel multipliziert die Bedrohungen“, sagt Beagley. Fast 70 Prozent aller Todesfälle weltweit gehen auf Krankheiten zurück, die durch die globale Erwärmung verschlimmert werden könnten, heißt es in einem Be­richt des IPCC, des Gremiums der Klimaexperten der Vereinten Nationen, aus diesem Jahr.

Auch Nahrungsmittelknappheit wird sich auf die Gesundheit der Menschen auswirken. Fast hundert Millionen mehr Menschen waren im Jahr 2020 von schwerer Ernährungsunsicherheit bedroht als in den Jahren 1981-2010, heißt es in einem Bericht von The Lancet Countdown vom Oktober, einer führenden Initiative zur Berechnung der Folgen des Klimawandels auf die Gesundheit.

Extreme Dürre habe in den zurückliegenden 50 Jahren um fast ein Drittel zugenommen, schreibt The Lancet, wo­durch hunderte Millionen Menschen Gefahr liefen, keinen Zugang zu Trinkwasser zu haben. Von den 3,3 Millio­nen Todesfällen durch Luftverschmutzung 2020 hingen 1,2 Millionen direkt mit den Emis­sionen fossiler Brenn­stoffe zusammen, heißt es in dem Bericht weiter.

Wissenschaftler haben auch Alarm geschlagen, dass wärmere Temperaturen Mücken und andere Tiere, die Krank­heiten übertragen, in neue Gebiete drängen. Die Hitze verschlimmere die Ausbreitung bestehender Krankheiten und erhöhe das Risiko für die Entstehung neuer Krankheiten, etwa Zoonosen wie SARS-CoV-2, der Erreger von COVID-19.

Die Wahrscheinlichkeit einer Ansteckung mit Dengue stieg in den vergangenen 50 Jahren um zwölf Pro­zent, und in Teilen Afrikas hat sich die Malaria-Saison deutlich verlängert, heißt es im Lancet Countdown-Bericht. Eine neue Plattform vom Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen und dem Climate Impact Lab sagt voraus, dass die globale Erwärmung in einigen Teilen der Welt tödlicher werden könnte als Krebs.

Laut dem Worst-Case-Szenario der Forscher könnte der Klimawandel dazu führen, dass die Sterblichkeits­rate bis 2100 um 53 Todesfälle pro 100.000 Menschen weltweit steigt, wenn die CO2-Emissionen nicht schnell reduziert werden. Für die derzeitige Weltbevölkerung würde dies 4,2 Millionen zusätzliche Todesfälle pro Jahr bedeuten.

Hannah Hess vom Climate Impact Lab sagt, selbst diese Prognosen seien wahrscheinlich konservativ, weil sie frühere Daten zu Sterblichkeit und Wetter auf mögliche künftige Temperaturszenarien hochrechneten und dabei potenzielle Bedrohungen zum Beispiel durch von Mücken übertragene Krankheiten nicht berücksichtigten.

Manche Experten fordern, die zusätzlichen Todesfälle durch den Klimawandel in die „sozialen Kosten von Koh­len­stoff“ einzubeziehen, also den Preis für den Schaden, der einer Tonne CO2 zuzurechnen ist. Eine im September veröffentlichte Studie kam zu dem Ergebnis, dass der aktuelle Preis von 51 US-Dollar pro Tonne fast viermal zu niedrig ist, auch weil die Auswirkungen zusätzlicher Todesfälle unterschätzt würden.

Alan Dangour von der globalen Wohltätigkeitsorganisation Wellcome Trust geht davon aus, dass „der Klima­wandel bald jeden Aspekt der öffentlichen Gesundheit“ beeinflussen werde. „Wenn wir den Klima­wandel nicht in unser Denken einbetten, haben wir nicht begriffen, worum es geht.“

afp

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