Unicef warnt vor Impflücken

Köln – Das UN-Kinderhilfswerk Unicef hat vor einem weltweit steigenden Infektionsrisiko mit Masern gewarnt. Nach Schätzungen seien seit 2010 rund 169 Millionen Kinder nicht gegen Masern geimpft worden. Das entspreche rund 21,1 Millionen Ungeimpften, die jedes Jahr dazukämen, sagte eine Sprecherin des Kinderhilfswerks einer heute in London und Köln veröffentlichten Erklärung zufolge.
Die wachsende Zahl an nicht geimpften Kindern habe den Boden für die aktuellen Masernausbrüche in mehreren Ländern bereitet, warnte Unicef anlässlich der Weltimpfwoche. „Das Masernvirus wird es immer schaffen, ungeimpfte Kinder zu finden“, sagte Unicef-Exekutivdirektorin Henrietta Fore.
Für einen vollständigen Schutz sind zwei Masernimpfungen notwendig. Die globale Impfrate für die erste Maserndosis lag 2017 bei 85 Prozent, nur 67 Prozent erhielten auch die zweite Impfdosis. In den ersten drei Monaten des Jahres 2019 wurden bereits mehr als 110.000 Masernfälle weltweit registriert – ein Anstieg um fast 300 Prozent. Schätzungsweise 110.000 Menschen, die meisten von ihnen Kinder, starben 2017 an Masern; das sind 22 Prozent mehr als 2016.
Auch in Deutschland gibt es Lücken beim Impfschutz: 168.000 Kinder haben zwischen 2010 und 2017 ihre erste Masernimpfung versäumt. In den USA (mehr als 2,5 Millionen), Frankreich (rund 600.000) und Großbritannien (etwa 500.000) sind die Versäumnisse laut Unicef noch größer.
Besonders kritisch ist jedoch die Situation in einigen Entwicklungs- und Schwellenländern: Allein in Nigeria hätten 2017 fast vier Millionen Babys unter einem Jahr die erste Masernimpfung nicht erhalten, so das Kinderhilfswerk. In Indien waren es fast drei Millionen und in Pakistan, Indonesien und Äthiopien jeweils mehr als eine Million Babys.
Unterdessen hatte gestern der Deutsche Ethikrat gefordert, dass die Debatte um eine Einführung einer Impfpflicht in Deutschland nicht auf Kinder beschränkt bleiben darf. Erwachsene machten die Hälfte der an Masern Erkrankten aus.
Die Krankenkassen appellierten heute an die Bevölkerung, sich impfen zu lassen. „Wer sich impfen lässt, schützt nicht nur sich selbst, sondern auch die Menschen in seiner Umgebung vor schweren Erkrankungen“, erklärte der Vorsitzende des Verbandes der Ersatzkassen (vdek), Uwe Klemens. Impfungen gehörten zu den sichersten und wirksamsten Vorsorgemaßnahmen der Medizin. Viele Impfungen würden von den Krankenkassen übernommen.
Wegen der Ausbreitung der Masern in Europa trommeln auch die EU und die Weltgesundheitsorganisation WHO gemeinsam für das Impfen. Bei 80.000 Maserninfektionen in Europa habe es 2018 mehr als 70 Todesfälle gegeben, erklärten die WHO und das EU-Präventionszentrum ECDC gestern zum Start der Europäischen Impfwoche. Die Daten für die ersten Monate 2019 deuteten darauf hin, dass der Trend sich fortsetze.
Fortschritte hin zu den UN-Entwicklungszielen und Gesundheitsschutz seien Priorität in Europa, betonten die beiden Organisationen: „Die Ausrottung der Masern und der Röteln und der Schutz für Kinder und Erwachsene vor anderen durch Impfung vermeidbarer Krankheiten ist ein entscheidendes Element zum Erreichen dieser Ziele.“ Nötig sei dafür gemeinsames und verantwortliches Handeln.
Mit dem Thema Impfen befasst sich auch eine Expertenrunde auf dem Kongress der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin (DGIM) am 6. Mai in Wiesbaden. Mit der Kampagne „Ich bin geimpft. Und Sie? Lassen Sie uns reden!“ sollen Ärztinnen und Ärzte ihre Patienten ermuntern, sich impfen zulassen.
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