COVID-19: Antikörper Sotrovimab schützte besser vor BA.1/2

London – Der monoklonale Antikörper Sotrovimab, der von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) aufgrund einer fehlenden neutralisierenden Wirkung gegen die aktuelle Omikron-Variante BA.5 nicht mehr empfohlen wird, hat zu Beginn der Omikronwelle in England eine gute Wirkung erzielt.
Die Häufigkeit von Hospitalisierungen oder Todesfällen war nach einer im britischen Ärzteblatt (BMJ 2022; DOI: 10.1136/bmj-2022-071932) veröffentlichten Studie geringer als beim Einsatz des Virustatikums Molnupiravir.
Sotrovimab und Molnupiravir gehörten in Großbritannien zu den ersten Medikamenten, die im Frühstadium der Erkrankung eingesetzt wurden. Die ersten Behandlungen wurden bereits Mitte Dezember 2021 begonnen. In den ersten beiden Monaten 2022 waren es die am häufigsten angewendeten Medikamente.
Die Evidenz basierte damals auf den beiden randomisierten Studien COMET-ICE (für Sotrovimab) und MOVeOUT für Molnupiravir, die bei einer allerdings geringen Teilnehmerzahl auf einen Nutzen der beiden Medikamente hingewiesen hatten, wenn sie in der Frühphase der Erkrankung eingesetzt werden.
Die „OpenSAFELY-TPP“-Plattform des britischen National Health Service bot jetzt rückwirkend die Gelegenheit, die Wirksamkeit der beiden Medikamente zu vergleichen. Das Team um Laurie Tomlinson von der London School of Hygiene and Tropical Medicine hat ihre Analyse auf den Zeitraum bis zum 10. Februar 2022 beschränkt, weil Molnupiravir danach auf ein Mittel der dritten Wahl zurückgestuft wurde.
Auch in Europa wurde das Mittel in dieser Zeit eingesetzt. Es ist allerdings bis heute nicht zugelassen. Die WHO hat in der letzten Version ihrer „Living guideline“ für Molnupiravir eine schwache Empfehlung unter Vorbehalten ausgesprochen.
Die beiden Mittel wurden vor allem bei Patienten mit einer Abwehrschwäche wegen Einnahme von Immunsuppressiva, HIV oder seltenen neurologischen Erkrankungen und bei Patienten mit Hoch-Risikoerkrankungen wie Krebs oder auch dem Down-Syndrom eingesetzt sowie bei Patienten mit bekannten Risikofaktoren wie Diabetes, Hypertonie/Herzerkrankungen oder Lungenerkrankungen. Fast alle Patienten waren geimpft, darunter 87,6 % mindestens dreifach.
Von den 6.020 Patienten waren 3.331 mit Sotrovimab und 2.689 mit Molnupiravir behandelt worden. Wie Tomlinson berichtet, mussten 87 Patienten im Krankenhaus behandelt werden, davon 32 (0,96 %) in der Sotrovimab-Gruppe und 55 Patienten (2,05 %) in der Molnupiravir-Gruppe. Insgesamt 25 Patienten starben: 7 in der Sotrovimab-Gruppe und 18 in der Molnupiravir-Gruppe.
Tomlinson ermittelt eine Hazard Ratio von 0,54, die mit einen 95-%-Konfidenzintervall von 0,33 bis 0,88 signifikant war. Bei einer Beschränkung auf die geimpften Patienten betrug die Hazard Ratio 0,53 (0,31 bis 0,90).
Im Untersuchungszeitraum war BA.1 die dominierende Omikron-Variante in Großbritannien. Eine explorative Analyse von Patienten, die zwischen dem 16. Februar und dem 1. Mai 2022 behandelt wurden, als BA.2 die vorherrschende Variante in England war, kam jedoch zu ähnlichen Ergebnissen.
Dies ist von Interesse, weil die Bedenken gegen Sotrovimab vor allem auf in vitro-Tests beruhen, die eine deutlich abgeschwächte neutralisierende Wirkung gegen BA.2 gezeigt hatten, was inzwischen auch für BA.4 und BA.5 bestätigt wurde. Tomlinson gibt deshalb zu bedenken, dass die Aussagekraft von in vitro-Tests beschränkt ist.
Allerdings stehen mittlerweile Alternativen zur Verfügung, die in vitro eine deutlich bessere Wirksamkeit erzielen als Sotrovimab. Eine retrospektive Analyse, die keine sichere Kausalität herstellen kann, dürfte deshalb die Empfehlungen der WHO nicht verändern.
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