Politik

Bisher kaum Widerspruch bei Einrichtung der elektronischen Patientenakte

  • Montag, 30. September 2024
Von links: Markus Beier, Bundesvorsitzender des Hausärztinnen- und Hausärzteverbands, Doris Pfeiffer, Vorstandsvorsitzende des GKV-Spitzenverbands, Florian Fuhrmann, Vorsitzender der Gematik-Geschäftsführung, und Karl Lauterbach (SPD), Bundesminister für Gesundheit /picture alliance, photothek.de, Florian Gaertner
Von links: Markus Beier, Bundesvorsitzender des Hausärztinnen- und Hausärzteverbands, Doris Pfeiffer, Vorstandsvorsitzende des GKV-Spitzenverbands, Florian Fuhrmann, Vorsitzender der Gematik-Geschäftsführung, und Karl Lauterbach (SPD), Bundesminister für Gesundheit /picture alliance, photothek.de, Florian Gaertner

Berlin – Bei der Einrichtung der elektronischen Patientenakte (ePA) erhalten die Krankenkassen bisher kaum Widerspruch von ihren Versicherten. Das erklärte die Vorstandsvorsitzende des GKV-Spitzenverbands (GKV-SV), Doris Pfeiffer, heute bei der Vorstellung der Werbekampagne für die ePA mit Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD).

Bereits seit Juni hätten 68 der 96 Krankenkassen begonnen, ihre Versicherten anzuschreiben und sie auf das Widerspruchsrecht gegen die Einrichtung einer ePA für sie hinzuweisen. Dabei hätten sie bisher auf weniger als drei Prozent ihrer Anschreiben eine negative Antwort, also einen Opt-out, erhalten.

„Das ist aus unserer Sicht ein sehr gutes Zwischenergebnis, das das Vertrauen der Menschen in unser Gesund­heitssystem zeigt“, betonte Pfeiffer. Die restlichen Krankenkassen würden im Oktober mit der Einrichtung der ePA für ihre Versicherten beginnen.

Zeitgleich meldete auch der AOK-Bundesverband eine äußerst geringe Ablehnungsquote: Weniger als ein Prozent der AOK-Versicherten würden der Einrichtung widersprechen, betonte die Vorstandsvorsitzende, Carola Reimann, heute in einem Statement.

Wesentlicher Hintergrund für die Neugestaltung der ePA war, dass bisher eine Opt-in-Regelung griff, bei der Versicherte aktiv einer Einrichtung zustimmen müssen. Dies wird als einer der Hauptgründe für die bisherige minimale Verbreitung der ePA unter den Versicherten gesehen.

Die ePA werde durch die Neuregelungen nun „massen-, aber auch praxistauglich“, erklärte Lauterbach und betonte die Bedeutung, die dem Vorhaben zukomme. Sein Ministerium habe bereits 15 Gesetze auf den Weg gebracht, aber: „Wenn ich eine Prognose wagen darf, sind es zwei Gesetze, die das Gesundheitswesen mehr als jedes andere verändern werden, nämlich die ePA und die Krankenhausreform.“

Vor allem in zwei Punkten werde die ePA schon bald die Versorgung zum Besseren verändern: Zum einen würden Befunde, Diagnosen und andere behandlungsrelevante Inhalte künftig meist vollständig vorliegen. Davon könne bisher nur selten die Rede sein.

„Ich merke das auch, wenn ich selbst an Zweitmeinungen beteiligt bin: Es fehlen in der Regel Befunde“, er­klär­te er. Zum anderen werde die ePA durch das Medikationsmanagement die Überprüfung auf Wechselwir­kungen massiv vereinfachen. Dadurch könnten bis zu 60.000 Todesfälle im Jahr vermieden werden.

Zudem verwies er, dass die Kassen durch das Gesundheitsdatennutzungsgesetz (GDNG) die Möglichkeit erhal­ten haben, datengestützte Auswertungen zum individuellen Gesundheitsschutz ihrer Versicherten vorzuneh­men. Das könne auch die Bereitstellung von Tools zur Analyse von Wechselwirkungen beinhalten. Das bedeute jedoch nicht, dass die Kassen die Medikation ihrer Versicherten kontrollieren würde.

Von diesem Punkt zeigte sich der Bundesvorsitzende des Hausärztinnen- und Hausärzteverbands, Markus Beier, wenig begeistert: „Ich warne davor, Interaktionschecks bei chronisch Erkrankten außerhalb der Praxis durchzuführen“, betonte er.

Schon bei Wechselwirkungschecks in Apotheken habe er schlechte Erfahrungen gemacht. Die individuelle Krankengeschichte und Kenntnis der Patientin oder des Patienten seien dabei von größter Wichtigkeit. „Das können wir doch nicht an die Krankenkassen auslagern“, mahnte Beier.

Für den Erfolg in den hausärztlichen Praxen sei vor allem relevant, dass das System automatisiert läuft, Daten strukturiert verarbeitet und eine Volltextsuche in den Inhalten möglichen ist. „Die PDF-Phase muss so kurz wie möglich sein“, unterstrich er.

Dem Start der ePA soll eine vierwöchige Erprobungsphase vorangehen, in der vor allem die Interdependenzen zwischen verschiedenen Anwendungen wie dem E-Rezept oder der elektronischen Arbeitsunfähigkeitsbe­schei­­ni­gung (eAU) sowie die Kompatibilität der verschiedenen Systeme – also vor allem der über hundert Praxisverwaltungssysteme (PVS) und der verschiedenen ePA der fast einhundert Krankenkassen – geprüft werden soll.

Dazu betreibe die Gematik eigens Projektbüros in den beiden Modellregionen Franken und Hamburg, erklärte der Vorsitzende ihrer Geschäftsführung, Florian Fuhrmann. Die Gematik habe mit den Pilotpraxen eigens für die dortige Erprobung Verträge geschlossen. „Wenn dann alle Kriterien, die wir mit den Gesellschaftern vereinbart haben, erfüllt sind, kann der Roll-out starten.“

Die Gematik stehe in engem Kontakt zu den über 100 beteiligten Softwareherstellern und sei „guter Dinge, dass sie die gesetzlich vorgegebene Frist einhalten können“. Man dürfe nicht vergessen, dass es sich bei der ePA um eins der größten IT-Projekte der Bundesregierung handele.

Die ePA habe großes Potenzial im Versorgungsalltag, in welchem noch zu viel Zeit dafür aufgewandt werden müsse, Befunden und anderen Informationen hinterher zu telefonieren, erklärte Beier. Allerdings müsse die Anwendung dazu auch stabil laufen. „Das war bei der bisherigen Version nicht der Fall.“

Es sei angesichts des Aufklärungsaufwands gegenüber den Patienten zudem schwierig, dass der Start der ePA mitten in die Infektionssaison falle. „Wir beantworten gern alle Fragen, werden das aber nicht immer leisten können“, sagte Beier. Deshalb sei es gut, dass die Bundesregierung eine Informationskampagne startet.

Um das Projekt in der Bevölkerung bekannt zu machen und Vorbehalte abzubauen, beginne nun 100 Tage vor dem Startschuss eine großangelegte Aufklärungskampagne. Neben Werbung und Flyern werde dazu ein Info­mobil durch Deutschland touren und in verschiedenen Großstädten Halt machen. „Damit wollen wir viele Menschen erreichen, um mit ihnen ins Gespräch zu kommen“, sagte Lauterbach.

lau

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