Politik

BSI: Konnektorentausch wäre technisch nicht nötig

  • Freitag, 4. November 2022
/Gorodenkoff, stock.adobe.com
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Berlin – Der physische Austausch zehntausender Konnektoren zur Verbindung mit der Telematikinfrastruktur (TI) wäre aus Sicht des Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) vermeidbar gewesen. Die Gematik-Gesellschafter hätten demnach nur zustimmen müssen.

Bereits seit Monaten gärt die Kritik an der Tatsache, dass die gesetzliche Krankenversicherung (GKV) mehrere hundert Millionen Euro für den Austausch von TI-Konnektoren aufbringen muss, während das Bundesgesund­heitsministerium (BMG) eigens ein Gesetz schreibt, um das 17 Milliarden Euro große Finanzloch in der GKV zu stopfen.

Technisch wäre der Austausch nicht nötig gewesen, so der Vorwurf, den das BSI jüngst mit der Antwort auf eine Anfrage des FDP-Bundestagsabgeordneten Maximilian Funke-Kaiser untermauerte. Das Papier liegt dem Deutschen Ärzteblatt vor.

Es seien „unterschiedliche Verfahrensvorschläge der beteiligten Institutionen, wie mit dem Ablauf der Zertifi­katsgültigkeit umzugehen ist, wahrzunehmen“, schrieb Funke-Kaiser, digitalpolitischer Sprecher seiner Frak­tion, an das BSI. So würden zwar Gematik und Hersteller auf die Notwendigkeit des physischen Austauschs verweisen, der stelle jedoch „nicht nur für die Leistungserbringer, sondern für das gesamte Gesundheitswesen einen enormen Kostenfaktor da“.

Der hätte vermieden werden können, wie das BSI in seiner Antwort erneut bestätigte: Zwar sei der der Schlüsseltausch für die Geräteidentität des Konnektors, der sogenannten g-SMC-Karte, aus kryptographischer Sicht nach fünf Jahren sinnvoll.

Das BSI könne dabei einer Verlängerung der Nutzungsdauer von bis zu maximal drei Jahren auch zustimmen, „wenn sich alle beteiligten Akteure bewusst sind, dass sich dadurch das Sicherheitsniveau auf ein zwar grund­sätzlich noch tragbares, aber geringeres Sicherheitsniveau absenkt“.

Aber: „Eine Verlängerung der Gültigkeit des durch den Konnektor verwendeten Schlüsselmaterials kann dabei durch eine Software-Lösung, welche die Gematik spezifiziert hat und die vom BSI mitgetragen wird, umge­setzt werden“, so die Behörde.

Tatsächlich ist auf dem Entwicklerportal GitHub sogar bereits ein Patch verfügbar, der die notwendige Ver­längerung der Sicherheits­zertifikate ermöglichen soll, ohne den Konnektor physisch auszutauschen. Ihn hat allerdings der Chaos Computer Club (CCC) bereitgestellt, der kürzlich einen Konnektor der Compugroup Medi­cal (CGM) auseinandernahm, um am echten Beispiel die Möglichkeit eines Softwareupdates zu belegen.

Auch Sicht des CCC und anderer Kritiker ist der Fall eindeutig: Die Konnektorenanbieter verdienen am unnöti­gen Austausch und erhalten dabei politische Rückendeckung. Die Gematik weist das entschieden zurück und betont, dass alle ihre Gesellschafter sich für den physischen Austausch ausgesprochen haben.

Die prinzipielle Möglichkeit eines Softwareupdates sei demnach auch seitens der Gematik nie angezweifelt worden. Vielmehr hätten sich die Gesellschafter nach einer Abwägung der Risiken für den Austausch ent­schieden.

Funke-Kaiser fordert nun, das Thema noch nicht abzuhaken. „In Anbetracht des enormen krisenbedingten Drucks auf unser Gesundheitssystem ist es mehr als sinnvoll, über bessere Alternativen zu einem kompletten Tausch der Konnektoren zu sprechen“, erklärte der 29-Jährige auf Anfrage.

Nicht nur das BSI habe diese Auffassung, sondern zuvor auch viele andere Fachleute. „Softwarelösungen sind der richtige Weg dahin und sparen enorm viel Geld, welches das Gesundheitssystem in diesen Zeiten auch dringend gebrauchen kann“, betont Funke-Kaiser.

Unterstützung erhält er dabei vom Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ). „Die Industrie hat offensichtlich zu Unrecht die Möglichkeit einer Softwarelösung geleugnet. Man will sich auf Kosten der Patientenversorgung eine goldene Nase verdienen“, erklärte BVKJ-Präsident Thomas Fischbach.

Das müsse Folgen für die zukünftige Zusammenarbeit mit den jeweiligen Unternehmen haben. Fischbach will die Notbremse ziehen: Es müsse wenigstens die Geldverschwendung noch schnellstens verhindert werden, wo dies überhaupt noch möglich ist.

Für die Kinder- und Jugendärzte seien nicht nur die Kosten von Tausenden Euro pro Praxis ein Ärgernis, son­dern vor allem, dass sie und ihre MFA sich tagtäglich mit einer nicht funktionierenden Technik auseinander­setzen müssten.

„Diese Zeit würden wir natürlich viel lieber mit der Behandlung unserer Patientinnen und Patienten verbrin­gen“, betonte Fischbach und verwies darauf, dass das Problem seiner Ansicht nach noch tiefer liegt: „Unsere Telematik-Infrastruktur darf nicht länger von den Partikularinteressen weniger Unternehmen abhängig sein. Schon im Februar hätte man von Seiten der Gematik und dem Bundesgesundheitsministerium als Mehr­heitseigner die Softwarelösung samt eines Finanzierungsmodells vorbereiten müssen.“

lau

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