Bund bestätigt Reformbedürftigkeit der GOÄ, Novelle dennoch nicht in Sicht

Berlin – Die Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) bildet das medizinische Leistungsgeschehen nicht mehr hinreichend ab. Das sei „unbestritten“ und es gelte sowohl in Bezug auf die Leistungsbeschreibungen als auch hinsichtlich der Bewertung der ärztlichen Leistungen. Dies schreibt das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) in einer Antwort auf eine Kleine Anfrage der Unionsfraktion im Bundestag. Das Papier liegt dem Deutschen Ärzteblatt vor.
Ob es eine GOÄneu in dieser Legislaturperiode geben wird, ist aber weiter offen. Edgar Franke, Staatssekretär im BMG, weist in der Antwort darauf hin, dass die Bundesärztekammer (BÄK) und der Verband der privaten Krankenversicherungen (PKV-Verband) derzeit einen gemeinsamen Vorschlag für eine GOÄneu arbeiteten.
Das könnte dem BMG zufolge „als fachliche Grundlage für eine Modernisierung herangezogen werden“. Allerdings seien die Verhandlungen zwischen BÄK und PKV-Verband über die Preise „noch nicht vollständig abgeschlossen“.
Sobald der gemeinsame Vorschlag vollständig vorliege, werde das Ministerium diesen prüfen und danach entscheiden, „ob beziehungsweise inwieweit eine Reform der GOÄ auf dieser Grundlage erfolgen“ könne. Dabei werde man „insbesondere auch mögliche Auswirkungen auf das duale Versicherungssystem“ berücksichtigen.
Franke wiederholt damit Aussagen von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD), die er in einem Interview mit dem Deutschen Ärzteblatt getätigt hatte. Der Minister hatte damals eine Prüfung versprochen, aber zugleich klargemacht, dass er eine Umsetzung für unwahrscheinlich hält. Er erläuterte damals, es dürfe keine Verschiebung des Verhältnisses von PKV zur gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) geben.
Was es damit genau auf sich hat, wird auch aus der Antwort von Franke nicht ganz klar. Das Ministerium schreibt jetzt lediglich, Veränderungen in der Vergütung von ärztlichen Leistungen könnten „mittelbar Auswirkungen auf die Rahmenbedingungen des dualen Krankenversicherungssystems haben“. Das gelte etwa bei der Frage des individuellen Zugangs zu ärztlichen Leistungen, aber auch bei systemischen Fragen des Wettbewerbs. Konkreter wird das Ministerium nicht.
Die erneute Aussage macht eine Umsetzung der GOÄneu nicht unbedingt wahrscheinlicher, zumal Lauterbach noch im Februar dieses Jahres betont hatte, dass die GOÄ derzeit keine Priorität auf seiner Agenda habe. Damals hatte die Bundesärztekammer (BÄK) deutlich widersprochen.
„Bei allem Verständnis dafür, dass in dieser Legislaturperiode viele weitere wichtige gesundheitspolitische Strukturreformen angegangen werden müssen, gehört auch die Novelle der Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) zwingend auf die Agenda des Bundesgesundheitsministeriums“, sagte BÄK-Präsident Klaus Reinhardt im Februar dem Deutschen Ärzteblatt.
Die bisher gültige GOÄ stamme im Wesentlichen aus dem Jahr 1982 und sei 1996 lediglich teilnovelliert worden. Die GOÄ sei völlig veraltet und bilde weder die Dynamik des ärztlichen Leistungsspektrums noch die aktuelle Kosten- und Preisentwicklung ab.
Es sei eine „Zumutung“ für Patienten und Ärzte, dass moderne Medizin auf Basis einer so veralteten Gebührenordnung mit Hilfe von Analogziffern und unverständlichen Rechnungen abgebildet werden müsse. Aus diesem Grund komme es bei den privaten Krankenversicherern verstärkt zu Überprüfungen, die für alle Beteiligten bürokratischen Aufwand bedeuteten.
Damals hatte die BÄK darauf hingewiesen, dass die GOÄneu so gut wie konsentiert sei. Auch der 126. Deutsche Ärztetag hatte das Ministerium aufgerufen, die GOÄneu zügig umzusetzen.
Das Ministerium gesteht in dem Schreiben erneut ein, dass sich das Risiko der Intransparenz und Streitanfälligkeit der Abrechnung privater Leistungen erhöht, wenn es keine Reform gibt. Allerdings ließen sich doch einige Defizite der alten GOÄ mit bestehenden Anpassungsmöglichkeiten ausgleichen.
So seien analoge Bewertung von nicht in der GOÄ aufgeführten Leistungen, Möglichkeiten der Steigerung und abweichender Vereinbarung der Vergütung möglich. So könnten etwa ärztliche Leistungen im Zusammenhang mit digitalen Anwendungen und Diensten im Wesentlichen bereits basierend auf den Abrechnungsempfehlungen der BÄK über die GOÄ abgerechnet werden.
Dass es vermehrt bereits Probleme mit der alten GOÄ gibt, weist der Bund zurück. Es lägen dafür keine Daten vor. „Die Einschätzung, dass es zunehmend zu Problemen kommt, beruht im Wesentlichen auf Informationen der Ärzteschaft, der privaten Versicherungsunternehmen und den Vertretern der Beihilfekostenträger sowie auf Anfragen an das Bundesministerium für Gesundheit“, so Franke.
Für die Union liegen die Fakten auf dem Tisch. „Das Bundesgesundheitsministerium bestätigt unsere Überzeugung schwarz auf weiß, dass die derzeit geltende GOÄ die heutigen ärztlichen Leistungen in keiner Weise adäquat abbildet“, sagte der CSU-Gesundheitspolitiker Stephan Pilsinger dem Deutschen Ärzteblatt.
Ein Abrechnungssystem, das mit wenigen Änderungen im Wesentlichen aus dem Jahr 1982 stamme, könne den modernen Stand der Medizin und der digitalisierten Welt natürlich nicht mehr wiedergeben. Pislinger spricht von einer „Verzögerungstaktik“, die Argumentationen des Ministeriums seien „fadenscheinig“.
Tino Sorge, gesundheitspolitischer Sprecher der Union im Bundestag, wies darauf hin, dass die Bundesregierung wieder einmal im Dunkeln tappe. „Obwohl bekannt ist, dass die GOÄ völlig veraltet ist, liegen dem Gesundheitsministerium keine Erkenntnisse zu den Problemen vor, die daraus in der Praxis erwachsen“, sagte er dem Deutschen Ärzteblatt.
Der Ampel fehle „jedes Problembewusstsein“. Minister Lauterbach spiele auf Zeit, so Sorge weiter. Obwohl eine Novelle der Gebührenordnung seit Langem fällig wäre, ziehe sich das BMG aus der Verantwortung und verweise auf die Bundesärztekammer und den PKV-Verband.
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