Politik

Bundeskabinett unterstützt Aufspaltung des Robert-Koch-­Instituts

  • Mittwoch, 17. Juli 2024
Der Eingang zum Robert Koch-Institut (RKI) /picture alliance, Philipp Znidar
Der Eingang zum Robert Koch-Institut (RKI) /picture alliance, Philipp Znidar

Berlin – Das Bundeskabinett stellt sich hinter die Aufspaltung des Robert-Koch-Instituts (RKI). Es hat heute die bisherigen Pläne aus dem Bundesministerium für Gesundheit (BMG) für ein neues „Bundesinstitut für Prävention und Aufklärung in der Medizin (BIPAM)“ trotz heftiger Kritik aus Fachkreisen unverändert verab­schiedet.

Das neue Gesetz zur Stärkung der öffentlichen Gesundheit sieht ein BIPAM als neue Bundesoberbehörde vor. Dies soll die alte Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) ersetzen. Vorgesehen ist, dass 334 Beschäftigte der BZgA in das BIPAM überführt werden.

Zugleich soll die Abteilung 2 „Epidemiologie und Gesundheits­monitoring“ mit dem Arbeitsschwerpunkt der nicht übertragbaren Krank­heiten aus dem RKI herausgelöst und ebenfalls dem BIPAM zugeschlagen werden. Das BIPAM wäre damit künftig für die Gesundheitsbericht­erstattung des Bundes einschließlich des Gesund­heitsmonitorings zuständig. Aus dem RKI sollen 108 Be­schäftigte zum BIPAM wechseln.

Im Vorfeld hatte es heftige Kritik an dem Vorhaben gegeben. Der RKI-Beirat für Gesundheitsmonitoring und Gesundheitsberichterstattung ist von dem Vorhaben nicht über­zeugt. Auch eine Expertenanhörung im Bun­destag hatte viel Gegenwind gebracht. Im Kern gehen die Fachleute davon aus, dass die Aufspaltung zu einer Schwächung des RKI führen wird.

Der Minister ist davon wenig beeindruckt. „Mit dem BIPAM fördern wir den Austausch von Wissenschaft, Politik und Praxis und stärken endlich die Prä­ven­tion in der Bevölkerung“, sagte Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD). Das werde helfen, chro­nische Krankheiten und deren kostenintensive Behandlungen zu vermeiden.

Er betonte heute vor der Presse, man habe „in der Vorbeugestruktur bisher eine sehr gute Einrichtung, das Robert-Koch-Institut für die Infektionskrankheiten“. Es brauche allerdings auch Vorbeugearbeit, Kommunika­tion, Modellierung, künstliche Intelligenznutzung im Bereich der nicht übertragbaren Erkrankungen.

Den Plänen der Bundesregierung zufolge soll das neue BIPAM Daten zum Gesundheitszustand der Bevölke­rung, zu den gesundheitlichen Auswirkungen durch Klima und Umwelt und gesundheitlichen Verhaltens­weisen – auch im Blick auf Kosten des Gesundheitssystems – erheben und analysieren.

Grundlage für politische Entscheidungen

Diese Erkenntnisse sollten als Grundlage dienen, politische und strategische Entscheidungen zu treffen. Das BIPAM soll dabei eng mit dem RKI zusammenarbeiten. Aufgabe der neuen Bundesoberbehörde mit Sitz in Köln soll es darüber hinaus sein, die Koordination zwischen Bundesebene und den Gesundheitsämtern zu verbessern.

Daneben soll das BIPAM die Bevölkerung verständlich über Gesundheitsrisiken, Präventionsmöglichkeiten und „Maßnahmen im gesundheitlichen Krisenfall“ zu informieren. Es soll auch Maßnahmen zur Verhaltens- und Verhältnisprävention, einschließlich Vorsorge und Früherkennung von Krankheiten entwickeln und die Umsetzung unterstützen.

Die Verminderung von Risikofaktoren wie Rauchen, Alkoholkonsum, Übergewicht und Bewegungsarmut sei eine wichtige Aufgabe, hieß es vom BMG. Dadurch würden gefährliche Erkrankungen wie Krebs, kardiovas­kuläre und psychische Erkrankungen adressiert. Auch gehe es im BIPAM um Themen wie die gesundheitliche Chancengleichheit und mentale Gesundheit.

„Auch wenn es derzeit Stimmen gibt, die das Vorhaben komplett infrage stellen, ist für mich weiter klar: So wie es bisher war, kann es nicht bleiben“, kommentierte Johannes Wagner (Grüne), Mitglied im Ausschuss für Gesundheit, den Kabinettsbeschluss. Die Pandemie habe Schwachstellen in der Öffentlichen Gesundheit aufgezeigt, die offenkundig noch nicht repariert worden seien und an die man ranmüsse.

„Wenn wir eines gelernt haben, dann dass es für eine evidenzbasierte Gesundheitspolitik enorm wichtig ist, Daten zusammenführen und diese schnell und wissenschaftlich fundiert auswerten zu können. Das hilft dann auch den Gesundheitsämtern vor Ort bei ihrer Arbeit“, sagte Wagner. Und mindestens genauso wichtig sei es, über die Ergebnisse gut zu kommunizieren.

Großer Aufholbedarf

„Da haben wir einen Aufholbedarf, den man nicht wegleugnen kann. Die BZgA hat in diesem Bereich in den vergangenen Jahrzehnten wichtige Arbeit geleistet. Diese soll im neuen Bundesinstitut fortgeführt, weiter­entwickelt und an den neusten kommunikationswissenschaftlichen Standard angepasst werden“, sagte er.

Aus der Ärzteschaft kam heute erneut Kritik. „Es ist aus unserer Sicht völlig unverständlich, warum Herr Lau­terbach entgegen allen Empfehlungen der Fachgesellschaften, ein international renommiertes Gesundheits­forschungsinstitut zerschlagen will, das in den letzten 30 Jahren zusammengewachsen ist und Expertise zu übertragbaren und nicht-übertragbaren Krankheiten vereint“, sagte Karen Spannenkrebs, Co-Vorsitzende des Vereins demokratischer Ärzt*innen.

Auch der Bundesverband der Ärztinnen und Ärzte des Öffentlichen Gesundheitsdienstes (BVÖGD) sieht die Aufteilung von übertragbaren und nicht übertragbaren Erkrankungen auf zwei unterschiedliche Bundesinsti­tute – auf das RKI und das neue BIPAM – kritisch.

Der Verband findet aber auch Gutes an der Reform. „Mit dem BIPAM besteht die Chance, die historisch be­dingte bevölkerungsmedizinische Lücke im deutschen Forschungs- und Versorgungssystem zu schließen“, sagte der erste stellvertretende Vorsitzende des Verbandes, Emanuel Wiggerich.

„Die Gesundheitsämter in Deutschland setzen sich intensiv für die Gesundheit der Bevölkerung in Deutschland ein. Für diese Arbeit wünschen wir uns von dem neuen Institut zusätzliche Unterstützung“, so der BVÖGD-Vize. Wichtig sei zum Beispiel, die Bevölkerung mit der Hilfe des Instituts zielgruppengerecht über gesundheitliche Fragen zu informieren und die Gesundheitskompetenz zu steigern.

may/bee/nfs

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