Politik

Bundesländer setzen Ausnahmeregelungen bei Krankenhausreform durch

  • Donnerstag, 23. Februar 2023
Klaus Holetschek (CSU, l-r), Gesundheitsminister von Bayern, Karl Lauterbach (SPD), Bundesgesundheitsminister, und Melanie Schlotzhauer (SPD), Hamburger Senatorin für Gesundheit, beantworten nach der Sitzung der Bund-Länder-Arbeitsgruppe zur geplanten Reform zur Finanzierung und Neuordnung der Krankenhäuser in Deutschland Fragen von Journalisten. /picture alliance, Wolfgang Kumm
Klaus Holetschek (CSU, l-r), Gesundheitsminister von Bayern, Karl Lauterbach (SPD), Bundesgesundheitsminister, und Melanie Schlotzhauer (SPD), Hamburger Senatorin für Gesundheit, beantworten nach der Sitzung der Bund-Länder-Arbeitsgruppe zur geplanten Reform zur Finanzierung und Neuordnung der Krankenhäuser in Deutschland Fragen von Journalisten. /picture alliance, Wolfgang Kumm

Berlin – Die Bundesländer werden deutliche Abweichungen und Ausnahmen bei einer bundesweit vorgegebenen Krankenhausreform machen dürfen. Das betonten heute Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) sowie der bayerische Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU) nach einer zweiten Beratungsrunde der Ministerinnen und Minister sowie der Regierungsfraktionen des Bundestags. Auf der heutigen Agenda stand insbesondere die geplante Einführung von festen Versorgungsstufen.

​Nach den Vorschlägen der Regierungskommission zu einer grundlegenden Krankenhausreform sollen die Kliniken statt künftig nur über diagnosebezogene Fallpauschalen (DRG) nach drei neuen Kriterien vergütet werden: Vorhalteleistungen, Versorgungslevels und Leistungsgruppen. Alle Krankenhäuser in Deutschland sollen künftig einem Versorgungslevel zugeordnet werden: Vom Level 1i für Grundversorger, in denen ambulante Leistungen erbracht werden, bis zum Level 3 für Maximalversorger.

Es habe sich Konsens zwischen allen Beteiligten gezeigt, dass es eine Reform brauche, sagte Lauterbach. „Meines Erachtens hat sich auch Konsens gezeigt, dass man Krankenhausstufen der Versorgung benötigt“, so der SPD-Politiker. Nach einer Reform sollen einerseits überall gleiche Regeln gelten, andererseits könnten die Länder auch von sogenannten Öffungsklauseln Gebrauch machen, so Lauterbach.

„Das Papier des Expertenrates – so wie es vorgelegt wurde – wird nicht kommen, sondern es muss Abweichungen geben“, betonte hingegen Holetschek. Es brauche daher Länderöffnungsklauseln und Ausnahmetatbestände sowie Geld, die Reform auch umzusetzen. Mit Bayern vertrete er einen Flächenstaat und müsse bereits gewachsene Strukturen erhalten, um die Versorgung sicherzustellen. Sonst würden etwa 40 Gebursthilfen und einige Kardiologieabteilungen wegfallen, so Holetschek.

Lauterbach schien sich von den Bundesländern überzeugt haben zu lassen und erklärte heute, dass diese Abweichungen nötig seien. „Sonst werden sich die Strukturen zu schnell verändern und gut gewachsene Strukturen kaputt gehen.“ Trotzdem müssten bundeseinheitliche Vorgaben vorgegeben werden.

Damit sollen Abweichungen von den relativ starren Vorgaben der Regierungskommission welche Abteilungen ein künftiges Level-2-Krankenhaus anbieten muss, zumindest in der Übergangsphase der Reform möglich sein. So sollen etwa Krankenhäuser der Stufe II – von Lauterbach das „Brot und Butter Geschäft der Versorgung“ genannt – künftig nicht unbedingt eine Geburtshilfe und eine Stroke Unit vorhalten, sondern beispielsweise nur eine Geburtshilfe, wenn die Stroke Unit an einem Nachbarstandort vorhanden ist.

Noch keine Einigkeit bei weiteren Aspekten

Auf die Nachfrage, ob die Öffnungsklauseln lediglich die Versorgungslevel oder auch die geplanten Leistungsgruppen betreffen werden, unterschieden sich die Antworten von Lauterbach und Holetschek allerdings. Lauterbach sagte, dass die Ausnahmeregelungen in allererster Linie die Definition der Level betreffen werden. Ob Ausnahmen bei den anderen Aspekten möglich sind, werde noch zu diskutieren sein.

Es könne aber nicht sein, dass jedes Bundesland beispielsweise den Bereich der Nephrologie anders definiere, sagte Lauterbach. Mit der Einführung der Vorhaltepauschalen würde es das gleiche Geld geben. Wer allerdings lediglich eine „Billignephrologie“ mit weniger Ausstattung betreibe, würde damit aber auch die gleichen Vorhaltepauschalen bekommen wie ein Krankenhaus, dass diesen Bereich deutlich besser ausstattet, erklärte der Bundesgesundheitsminister.

Während Lauterbachs Ausführungen schüttelte der bayerische Gesundheitsminister bereits den Kopf und ergänzte, er sei für möglichst breite Öffnungsklauseln. Im weiteren Verlauf müsste die Bund-Länder-Runde auch über Ausnahmen bei den Leistungsgruppen sprechen, bekräftigte er.

Holetschek hatte vor zwei Wochen bei einer Vorlage eines Gutachtens bereits betont, dass die Reformpläne des Bundes die Notfallversorgung und die stationäre Versorgung an jedem achten Krankenhaus in Bayern gefährde. „Mit dem der­zeitigen Konzept drohen drastische Einschnitte in der bayerischen Krankenhaus­landschaft“, so der Minister.

Er drohte mit einer Klage vor dem Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe, sollte der Bund die Planungshoheit der Länder durch die Reform aushebeln und sich gegen Korrekturen und eine Länderöffnungsklausel sperren.

Die Hamburger Gesundheitssenatorin, Melanie Schlotzhauer (SPD), erklärte heute, ihr sei sehr daran gelegen, dass die Transformationskosten rund um die Reform gemeinsam von Bund und Ländern getragen werden müssen. Sonst könne die Transformation weder in der Geschwindigkeit noch in der Tiefe umgesetzt werden.

Sie betonte, dass es von den Ländern aber auch den großen Wunsch gebe, bundeseinheitliche Definitionen von Qualitätsvorgaben zu formulieren. Im nächsten Schritt werde man über die Leistungsgruppen sprechen. Sie sei zuversichtlich, hier zu einer Lösung zu kommen, die Flexibilität aber auch Einheitlichkeit ermögliche.

Eigentlich hätte die Runde heute ein gemeinsames Papier abstimmen wollen, erklärte Lauterbach. Dieses werde auf der Arbeitsebene aber noch einmal überarbeitet. Offenbar hat der heute erreichte Konsens zu der Verabschiedung des Papiers nicht gereicht.

Auch Lucha spricht sich für Öffnungsklauseln aus

Der baden-württembergische Gesundheitsminister Manne Lucha (Grünen) betonte, ähnlich wie Holetschek, die Notwendigkeit von Ausnahmeregelungen. Die Vorstellungen einer Expertenkommission könne nicht auf alle Bundesländer gleichermaßen übertragen werden. „Es gibt längst ganz bewusst gestaltete strukturelle Weiterentwicklungen, die wir beispielsweise in Baden-Württemberg ganz aktiv mitgestalten und die dazu führen, dass nicht alles überall vorgehalten wird. Denn das wäre weder bedarfsgerecht noch könnte es mit dem noch vorhandenen Personal im Krankenhausbereich gestemmt werden.“

Er zeigte sich aber optimistisch und sagte: „Wir haben hier alle mit den gleichen Herausforderungen zu kämpfen uns müssen daher alle an einem Strang ziehen.“

Der Bundestagsabgeordnete Christos Pantazis (SPD) zeigte sich ebenfalls zuversichtlich: „Die heutige Sitzung der Bund-Länder-Gruppe hat gezeigt, dass der Wille zu einer grundlegenden Krankenhausreform groß ist. Alle Beteiligten sind sich einig: Die Krankenhausreform wird zu einer Verbesserung der Qualität der Versorgung und mehr Patientensicherheit führen.“

GKV-Spitzenverband will klar definierte Leistungsbereiche

Stefanie Stoff-Ahnis, Vorstand beim GKV-Spitzenverband, betonte, dass die Leistungen eines Krankenhauses und seine belegte Expertise künftig Maß für eine bedarfsgerechte und qualitätsgesicherte Kranken­hausversorgung sein solle. Entscheidend seien in diesem Zusammenhang insbesondere Mindestfallzahlen. „Wer etwas häufig macht, der macht es gut. Die Vergütung an klar definierten qualitätsgesicherten Leistungsbereichen festzumachen, ist richtig“, so Stoff-Ahnis.

Diese Vorgaben müssten zudem bundeseinheitlich gelten. „Ausstiegsklauseln, die in einzelnen Regionen zu einer schlechteren Versorgungsqualität führen, wären für Patientinnen und Patienten der falsche Weg“, betonte Stoff-Ahnis.

„Wie gut bundesweite Vorgaben funktionieren, sehen wir auch an den Regelungen für die Notfallstrukturen aus dem Gemeinsamen Bundesausschuss“, erklärte Stoff-Ahnis weiter. Der GKV-Spitzenverband empfehle daher, auf das im G-BA vorhandene Wissen und die Expertise der Selbstverwaltung zu Entwicklung von bundeseinheitlichen Strukturen zurück zu greifen.

Die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) forderte gestern zudem ein „Sondervermögen Krankenhaus“, das den Reformprozess der nächsten Jahre finanzieren, absichern und begleiten solle. Die DKG verlangte, dass sich Bund, Länder und GKV in angemessener Weise an der ergänzenden Vorhaltefinanzierung, dem Aufbau eines Strukturfonds und der Finanzierung ambulanter Leistungen an den Krankenhäusern beteiligen sollten.

Bund und Länder wollen bis vor der parlamentarischen Sommerpause im Juli einen gemeinsamen Vorschlag für eine Krankenhausreform entwickeln. Dieser Vorschlag soll über die Sommerpause vom BMG zu einem Gesetzentwurf weiterentwickelt werden. Die Hoffnung ist, dass der Gesetzgebungsprozess im Dezember abgeschlossen sein wird, so dass die Reform Anfang 2024 in Kraft treten kann. Neben der Krankenhausreform soll zudem auch eine Reform der Notfallversorgung beraten werden.

cmk

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