Politik

Bundesministerium für Gesundheit hält an Spargesetz fest

  • Mittwoch, 21. September 2022
/Setareh, stockadobecom
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Berlin – Das Bundesgesundheitsministerium (BMG) hält trotz fortgesetzter Kritik vollständig an seinem Ent­wurf für ein GKV-Finanzstabilisierungsgesetz (GKV-FinStG) fest. Es plant vor der ersten Lesung im Bundestag am kommenden Freitag keinerlei Änderungen am Gesetz.

Mehrere Verbände der gesetzlichen Krankenversicherungen (GKV) haben heute in einer gemeinsamen Erklä­rung „nachdrücklich an die Solidarität der Abgeordneten mit den Beitragszahlerinnen und Beitragszahlern“ appelliert.

Die Parlamentarier müssten auf Nachbesserungen im Laufe des parlamentarischen Verfahrens insbesondere auf eine fairere Verteilung der Lasten hinwirken, schreiben der Verband der Ersatzkassen (vdek), des AOK-Bundesverbands, des BKK-Dachverbands, des Verbands der Innungskrankenkassen (ikk) sowie der Knapp­schaft.

Versicherte und Arbeitgebende würden mit mindestens elf Milliarden Euro die Hauptlast tragen, um das GKV-Finanzloch von geschätzt 17 Milliarden Euro im Jahr 2023 zu stopfen. Leistungserbringer würden demgegen­über weitgehend außen vor bleiben und auch der Bund werde seiner Finanzierungsverantwortung nicht ge­recht.

Tatsächlich wird seit geraumer gefordert, die Krankenversicherungsbeiträge von Arbeitslosengeld-II-Bezieh­en­den neu zu regeln und dabei dem Bund eine größere Rolle zukommen zu lassen. Rund zehn Milliarden Euro müssen die Krankenkassen nach eigenen Angaben bisher jährlich dafür aufbringen. Eine Reform dieser Finan­zierung findet sich jedoch weder im GKV-FinStG-Entwurf, noch arbeitet das BMG daran.

Die Leistungserbringer, insbesondere die Ärzteschaft, teilt die Auffassung der Kassen über die Lastenvertei­lung nicht und sieht sich – entgegen Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbachs (SPD) fortgesetzten Beteu­erungen, Leistungskürzungen zu vermeiden – vor allem durch die Streichung der extrabudgetären Vergütung von Neupatienten belastet.

Daten zur Neupatientenregelung überzeugen Lauterbach nicht

Lauterbach hatte in den vergangenen Wochen stets betont, die vorhandene Datenlage enthalte keinerlei Hin­weise darauf, dass diese Neupatientenregelung eine Verbesserung für Patienten gebracht hätte. Eine Erhe­bung des Zentralinstituts für kassenärztliche Versorgung (Zi) kam hingegen zu genau diesem Schluss.

Öffentlich ignoriert Lauterbach diese Zahlen bisher. Das liege daran, dass sie ihn schlicht nicht überzeugen würden, hieß es nun aus Ministeriumskreisen. Der in der Auswertung aufgezeigte Anstieg der Patientenzahlen sei demnach größtenteils durch die Coronapandemie zu erklären und die Patienten wären auch ohne extra­budgetäre Vergütung versorgt worden. Außerdem habe das Zi auffällig selektiv Quartale zum Vergleich ge­wählt.

Lauterbach hatte die Regelung, die er jetzt streichen will, 2019 im Terminservice- und Versorgungsgesetz (TSVG) selbst mit entwickelt. Dem Vernehmen nach sei er mit deren handwerklicher Umsetzung aber nicht zufrieden und sehe das vorgebliche Scheitern der extrabudgetären Vergütung darin begründet.

So wie Lauterbach bisher Proteste der Ärzte- und der Apothekerschaft an sich abprallen lässt, ignoriert er auch die Kritik aus dem GKV-Lager. Die vielfachen Appelle der Krankenkassen und ihrer Verbände seien bis­lang nicht auf fruchtbaren Boden gefallen, klagen diese.

Sie schlagen demgegenüber eine Absenkung der Mehrwertsteuer auf Arzneimittel von 19 Prozent auf sieben Prozent vor. Dadurch könnten die Beitragszahler zusätzlich um fünf bis sechs Milliarden Euro entlastet wer­den.

Linke gegen Abschaffung der Neupatientenregelung

Auch die Fraktion Die Linke im Bundestag positioniert sich gegen die geplante Abschaffung der Neupatien­tenregelung. Hierdurch sei eine Leistungsverschlechterung in der ambulanten Versorgung möglich, schreibt die Fraktion in einem Antrag vom 20. September.

Darin fordert die Linke die Bundesregierung auf, einen entsprechenden Gesetzentwurf vorzulegen, der die Kassendefizite solidarisch überwinden und keine Erhöhung der Beitragssätze der Krankenversicherungen beinhalten soll.

Konkret fordert die Linke etwa die rückwirkende Geltung des Arzneimittelmarktneuordnungsgesetz-Erstatt­ungsbetrags für neue patentgeschützte Arzneimittel ab dem ersten Monat, also sofort nach dem erstmaligen Inverkehrbringen. Derzeit sieht der Entwurf des GKV-FinStG dies für den siebten statt wie bislang dem zwölf­ten Monat nach dem erstmaligen Inverkehrbringen vor.

Zudem fordert die Linke in einem weiteren Antrag ebenfalls den ermäßigten Mehrwertsteuersatz von sieben Prozent auf Arzneimittel. Diese Ersparnis der Kassen von etwa fünf Milliarden Euro könnten dem Antrag zu­folge genutzt werden, um auf die im Gesetzentwurf geplante Erhöhung des durchschnittlichen Zusatzbeitrags um 0,3 Prozentpunkte zu verzichten. So sollen die Beitragszahlenden nicht weiter zusätzlich belastet werden.

Sollten hingegen doch Erhöhungen des Zusatzbeitrages drohen, fordert die Linke einen entsprechenden erhöhten Bundeszuschuss. Außerdem sollten laut Antrag alle Einkommen aus abhängiger und selbstständiger Arbeit sowie aus allen anderen Einkommensarten, etwa aus Kapitalvermögen oder aus Vermietung und Verpachtung ab 2024 beitragspflichtig werden.

lau/cmk

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