Debatte um Impfungen für Jugendliche flammt wieder auf

Berlin – Angesichts der Ausbreitung der neuen Delta-Variante des Coronavirus flammt die Diskussion um Schutzimpfungen für Jugendliche in Deutschland wieder auf. Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) forderte die Ständige Impfkommission (STIKO) am Wochenende auf, sich für Immunisierungen von Jugendlichen auszusprechen. Auch SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach bekräftigte erneut die Position, Jugendliche schnell zu impfen.
Schülerimpfungen seien „das wirksamste Mittel“ gegen die sich rasch ausbreitende Delta-Variante des Coronavirus, sagte Söder der Bild am Sonntag. In jüngeren Altersgruppen seien die Inzidenzzahlen am höchsten. Die STIKO solle daher dringend überlegen, wann sie Schutzimpfungen für Jugendliche empfehle. Dann könne schnell gezielt an Schulen geimpft werden.
Auch SPD-Chefin Saskia Esken und der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach hatten die STIKO aufgefordert, ihre Haltung zur Impfung von Jugendlichen zu überdenken. Lauterbach bekräftigte am Wochenende in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung seine Forderung nach schnellen Impfungen auch für Kinder. Sie könnten dadurch nach den Ferien „in ein weitgehend normales Schuljahr starten“, sagte Lauterbach in einem Doppelinterview mit dem Mediziner Nikolaus Haas.
Dieser widersprach dem SPD-Politiker. Haas verwies unter anderem auf Erkenntnisse, wonach auch die Delta-Variante für Kinder nicht gefährlicher sei als andere. Dies zeigten Daten zum Coronageschehen aus Israel und England, sagte der Direktor der Abteilung für Kinderkardiologie und Intensivmedizin am Klinikum der Universität München. Zudem sei bekannt, „dass Ausbrüche in Schulen gleichzeitig mit Ausbrüchen in den Gemeinden passieren“. Das Virus werde durch Erwachsene in die Schulen getragen, so die Schlussfolgerung des Mediziners.
Trotz der Forderungen aus der Politik nach einer generellen Coronaimpfempfehlung für Kinder und Jugendliche ab zwölf Jahren bleibt die Ständige Impfkommission (STIKO) bei ihrem zurückhaltenden Kurs. Das Gremium nehme „die diversen Forderungen der Politik“ sehr wohl wahr, erklärte STIKO-Mitglied Martin Terhardt heute. „Wir fühlen uns weiterhin unserem Auftrag als unabhängige ehrenamtliche Kommission zur evidenzbasierten Erarbeitung von Impfempfehlungen verpflichtet.“
Die STIKO beobachte die Datenlage täglich und werde „gerade zu diesem Thema sicher schnell reagieren“, wenn es deutliche Änderungen gebe, betonte Terhardt. Die bisher verfügbaren Daten lieferten jedoch noch keine ausreichenden Beweise für die Sicherheit des Impfstoffs in der Altersgruppe. Im RBB-Inforadio hatte Terhardt am vergangenen Freitag gesagt: „Mich entsetzt das immer wieder, wie die Politik vorprescht und wissenschaftliche Daten eher ignoriert.“
Die STIKO hat bisher keine generelle Impfempfehlung für Kinder und Jugendliche ab zwölf Jahren ausgesprochen. Sie empfiehlt Impfungen nur für zwölf- bis 17-Jährige mit bestimmten Vorerkrankungen wie Adipositas, Diabetes und chronischen Lungenerkrankungen. Das Gremium begründete seine Empfehlung unter anderem damit, dass das Risiko einer schweren COVID-19-Erkrankung für diese Altersgruppe gering sei.
Auch ohne generelle STIKO-Empfehlung sind Kinder und Jugendliche ab zwölf Jahren in die deutsche Impfkampagne eingebunden, können also unabhängig von Vorerkrankungen geimpft werden. Laut Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) handelt es sich um eine individuelle Entscheidung von Eltern mit ihren Kindern und den Ärzten.
Für Kinder unter 12 Jahren gibt es bislang keinen zugelassenen Impfstoff. Nach Daten des Robert-Koch-Instituts haben bislang 3,5 Prozent der Minderjährigen mindestens eine Impfung gegen COVID-19 erhalten, vollständig geimpft sind 1,2 Prozent.
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