ECDC: Verstärkte Influenzaüberwachung im Sommer wegen Vogelgrippe

Stockholm/Berlin – Angesichts des Ausbruchs der hochpathogenen Vogelgrippe bei Milchkühen in den USA hat die europäische Seuchenschutzbehörde erhöhte Wachsamkeit und eine verstärkte Influenzaüberwachung in den Sommermonaten empfohlen.
Die aktuelle Situation werde in der Europäischen Union (EU) wie auch weltweit genau beobachtet, es gebe Grund für eine erhöhte Aufmerksamkeit, aber nicht für erhöhte Besorgnis, sagte die Direktorin des European Center for Disease Prevention and Control (ECDC), Pamela Rendi-Wagner, zu Wochenbeginn.
„Diese Bedrohung der menschlichen Gesundheit sollte nicht unterschätzt werden, und es ist wichtig, dass wir in unserer Zusammenarbeit wachsam und proaktiv bleiben.“
ECDC: Im Verdachtsfall niedrigschwelliger auf Vogelgrippe testen
Das ECDC weist im Rahmen der Früherkennungsbemühungen auf kürzlich aktualisierte Empfehlungen für die Influenza-Surveillance in den Sommermonaten hin, in denen die Virusaktivität in der Regel sehr gering ist.
Geraten wird, die Schwelle für Vogelgrippetests bei Menschen zu senken, um mögliche sporadische schwere Fälle beim Menschen im Krankenhaussetting aufspüren zu können. Denn die bestehenden Sentinel-Surveillance-Systeme seien nicht ausreichend sensitiv, um ein neu auftretendes Virus wie Vogelgrippe in der Allgemeinbevölkerung früh genug zu identifizieren, damit man noch rechtzeitig Kontrollmaßnahmen implementieren könne, hält das ECDC fest.
Konkret rät die Behörde, jene Patienten, die mit respiratorischen oder anderen möglicherweise passenden Symptomen ins Krankenhaus kommen, nach Kontakt zu Vögeln/Geflügel oder anderen lebenden oder toten Tieren in den zwei Wochen vor Beginn der Beschwerden zu fragen.
Weiter soll gemäß der Empfehlung bei allen Hospitalisierungen aufgrund von Symptomen, die einen Vogelgrippeverdacht nahelegen, ein Test auf Influenza A/B in Betracht gezogen werden. Auch bei ungeklärter viraler Enzephalitis/Meningoenzephalitis solle dies erwogen werden, da H5N1 bei mehreren Säugetierarten derartige Folgen nach sich gezogen habe.
Influenza-A-positive Proben, die negativ auf saisonale Viren ausfallen, müssten weiter untersucht werden – denn ohne Subtypisierung oder spezifischen Test könnten H5N1-Infektionen übersehen werden. Die Mitgliedstaaten müssten sicherstellen, dass sie über ausreichend Laborkapazitäten verfügen, um diesen und den künftigen Bedarf sicherzustellen.
RKI gibt Hinweise für Deutschland
Das Robert-Koch-Institut (RKI) schickt in einem Online-Hinweis zum empfohlenen Vorgehen hierzulande vorweg, dass die Lage von aviärer Influenza bei Tieren in Deutschland derzeit ruhig sei. „Bei Patientinnen und Patienten, die aufgrund von akuten Atemwegssymptomen ins Krankenhaus eingeliefert werden, sollte differentialdiagnostisch auch ein Influenzatest in Betracht gezogen werden.“
Einen Verdachtsfall für eine zoonotische Influenza stellten Proben dar, „die positiv auf Influenzavirus A, aber negativ auf A(H1N1)pdm09 oder A(H3N2) getestet werden“. Es wird dazu aufgerufen, diese Proben nach Rücksprache an das Nationale Referenzzentrum für Influenzaviren (NRZ) zur weiteren Untersuchung, Subtypisierung und genetischen Analyse zu schicken. Hinweise zum Einsenden von Proben sind auf der Webseite zu finden. Die Kosten für die Untersuchung von begründeten Verdachtsfällen H5N1 im NRZ für Influenzaviren trägt das NRZ selbst.
Welche Symptome bei Vogelgrippe beim Menschen möglich sind
Das ECDC schreibt, dass die Evidenz zu den zirkulierenden Viren der Klade 2.3.4.4b noch limitiert sei. Vogelgrippeinfektionen beim Menschen generell könnten asymptomatisch, aber auch schwer verlaufen.
Betroffene könnten Symptome der oberen und unteren Atemwege aufweisen, aber auch untypische nicht respiratorische Krankheitsanzeichen, wie Konjunktivitis oder neurologische Symptome. Die bisher betroffenen Menschen in den USA hatten über Bindehautentzündungen geklagt, in einem Fall aber auch über respiratorische Symptome.
In schlimmeren Vogelgrippefällen seien eine rasche Entwicklung einer schweren Pneumonie, Sepsis mit Schock, akutes Atemnotsyndrom und Enzephalitis mit tödlichem Ausgang berichtet worden, fasst das ECDC zusammen.
In der EU beziehungsweise dem europäischen Wirtschaftsraum wurden im Gegensatz zu den Vereinigten Staaten bislang keine H5N1-Infektionen beim Menschen registriert. In den USA sind bislang vier Menschen nach Kontakt zu infizierten Milchkühen nachweislich an H5N1 erkrankt, getestet wurden seit Ausbruchsbeginn im Frühjahr bisher mindestens 60 Personen.
Das ECDC betonte, dass es wichtig sei, weiterhin das Bewusstsein von Beschäftigten im Gesundheitswesen für die Möglichkeit von Humaninfektionen zu steigern, damit mögliche Fälle nicht verpasst oder verzögert diagnostiziert würden.
Bisher wird das Risiko für die Allgemeinbevölkerung vom ECDC als gering einschätzt, aber als niedrig bis moderat für Menschen, die dem Virus etwa im Beruf ausgesetzt sein könnten. Auch das Einhalten von Biosicherheits- und persönlichen Schutzmaßnahmen an Orten mit erhöhtem Vogelgripperisiko sind aus Sicht der Behörde entscheidend, um das Risiko von Spillover-Ereignissen auf den Menschen zu minimieren.
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