Einheitliche Standards für Rettungsdienst geplant

Berlin – Einheitliche Standards und Vorgaben für den meist regional organisierten Rettungsdienst will die Ampelkoalition im geplanten Notfallgesetz festschreiben. Beide Vorhaben werden am morgigen Mittwoch im Gesundheitsausschuss mit Expertinnen und Experten beraten.
Die Reform von Notfall- sowie Rettungsdienst sind die Bausteine drei und vier der Krankenhausreform von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD). Der erste Baustein – das Krankenhaustransparenzgesetz – ist seit Jahresbeginn in Kraft.
Der zweite Baustein – das Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetz (KHVVG) –, das als Herzstück der Reform gilt, wurde vor zwei Wochen im Bundestag beschlossen. Am 22. November steht die Abstimmung im Bundesrat an.
Der Rettungsdienst soll – wie bereits in den vergangenen Monaten angekündigt – reformiert werden: Statt wie bislang in der ausschließlichen Verantwortung der Bundesländer und Kommunen, soll künftig die medizinische Rettungsversorgung ein Teil des Sozialgesetzbuches (SGB) V werden und damit zumindest die Vorgaben für Qualität in der Hand des Bundes sein.
Mehrere Änderungsanträge zum Gesetz liegen dazu vor, die ebenso morgen Teil der Ausschussanhörung sein sollen. In den Anträgen werden beispielsweise der Anspruch von gesetzlich Versicherten auf ein Notfallmanagement, eine notfallmedizinische Versorgung vor Ort sowie auf einen möglichen Notfalltransport festgelegt.
Der Notfalltransport sowie die Krankenfahrt werden dadurch getrennt definiert. Damit soll verhindert werden, dass aus Abrechnungsgründen Patienten in ein Krankenhaus gebracht werden, obwohl eine Versorgung vor Ort ausreichen würde.
Um die Qualitätsstandards in der Notfallrettung genauer zu definieren, soll ein „Qualitätsausschuss Notfallrettung“ beim Bundesgesundheitsministerium eingerichtet werden. Dort sollen sich je vier Vertreter aus dem GKV-Spitzenverband und den Bundesländern treffen und das Ministerium bei „allen die medizinische Notfallrettung betreffenden Fragen“ beraten. In dem Gremium sollen auch Empfehlungen zur Datenübermittlung sowie der digitalen Notfalldokumentation beraten werden.
Befassen soll sich der Ausschuss auch mit der Förderung von Erster Hilfe durch Laien und einer Einbindung registrierter Ersthelfer über mobile Alarmierungs-Apps. Im Blick steht außerdem die Nutzung einer standardisierten und vernetzten Software in Leitstellen auch über Landkreis- und Ländergrenzen hinweg.
Mit dem Notfallgesetz, an das die Änderungen zum Rettungsdienst nun integriert werden, will die Bundesregierung für eine bessere Patientensteuerung sowie für einen Ausbau der Versorgungsangebote sorgen und so die Notaufnahmen entlasten.
Dies betrifft beispielsweise auch die Pläne, die Kassenärztlichen Vereinigungen zu verpflichten, durchgängig eine telemedizinische sowie eine aufsuchende Versorgung bereitzustellen. Zudem sollen künftig sogenannte Akutleitstellen der KVen die bisherigen Aufgaben der Terminservicestelle im Bereich der Akutfallvermittlung wahrnehmen und mit den Rettungsleitstellen in einem „Gesundheitsleitsystem“ vernetzt werden – inklusive wechselseitiger digitaler Fallübergabe.
Verpflichtende INZ
Umgesetzt werden soll auch eine verpflichtende Beteiligung der KVen und ausgewählter Krankenhäuser an Integrierten Notfallzentren (INZ). Die Standorte sollen von den Selbstverwaltungspartnern nach bundeseinheitlichen Rahmenvorgaben im erweiterten Landesausschuss festgelegt werden.
Die beiden Vorhaben, die nun in einem Gesetz geregelt werden, werden von Ärzteorganisationen, Krankenkassen und Krankenhausvertretern unterschiedlich bewertet. Grundsätzlich begrüßen viele Organisationen der Selbstverwaltung im Gesundheitswesen, dass nun auch der Rettungsdienst in das Gesetz integriert werden soll.
Eine noch „konsequentere Verknüpfung" mit den aktuelle Reformvorhaben wie die Krankenhausstrukturreform (KHVVG) und das Gesundheitsversorgungsstärkungsgesetz (GVSG) wird beispielsweise vom Dachverband der Betriebskrankenkassen gefordert.
„Mit den vorliegenden Änderungsanträgen wird dies endlich aufgegriffen, indem die medizinische Notfallrettung – bestehend aus Notfallmanagement, notfallmedizinischer Versorgung und Notfalltransport – auf eine neue Grundlage gestellt wird. Eine stärkere Einbindung des Rettungsdienstes in die sektorenübergreifende Versorgung ist unabdingbar“, sagte Franz Knieps, Vorstandsvorsitzender des BKK-Dachverbandes im Vorfeld der Anhörung.
Die Verknüpfung von Notfall- und Rettungsdienstreform in einem Gesetz sieht die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) allerdings kritisch. „Wir plädieren daher dafür, Fragen des Rettungsdienstes vorerst auszuklammern und gemeinsam mit den Ländern in einem gesonderten Gesetz zu entwickeln. So lässt sich gewährleisten, dass die wichtige Notfallreform zeitnah umgesetzt werden kann“, erklärte der Vorstandsvorsitzende der DKG, Gerald Gass, in einer Mitteilung.
Für die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) ist die Notfallreform zu wenig durchdacht: „Über einige gute Ansätze wie etwa die Weiterentwicklung der Strukturen rund um die Nummer 116117 in eine Akutleitstelle und eine Terminservicestelle kommt der Gesetzentwurf nicht hinaus", heißt es von den drei Vorständen Andreas Gassen, Stephan Hofmeister und Sibylle Steiner.
Die Entlastung von Notaufnahmen werde mit dem Gesetz „völlig verfehlt“. Denn: „Durch die im aktuellen Entwurf vorgesehene Öffnung von Notaufnahmen an den sogenannten Integrierten Notfallzentren (INZ) an Krankenhäusern während der Praxisöffnungszeiten entsteht ein ungeordnetes Nebeneinander mehrerer Anlaufstellen.“ Zudem bleibe die Frage, wie die „knappe Ressource Arztzeit“ erfüllt werden soll.
Ähnlich sieht das der Hausärztinnen- und Hausärzteverband. „Das geplante Gesetz biegt aber leider nach ein paar sinnvollen Ansätzen in Richtung „Wünsch-dir-Was“ ab. Hier werden Doppel- und Dreifachangebote versprochen, für die es kein Personal gibt und die weder sinnvoll noch zweckmäßig wären“, so die beiden Bundesvorsitzenden Nicola Buhlinger-Göpfarth und Markus Beier.
Von der Bundesärztekammer (BÄK) hieß es, dass nicht ausreichend Ärztinnen und Ärzte zur Verfügung stünden, um die im Entwurf vorgesehene bundesweite flächendeckende 24/7-telemedizinische und aufsuchende notdienstliche Versorgung sicherzustellen sowie nach Dienstschluss die geplanten Notdienstpraxen mit besetzen zu können.
„Zeit und Umfang sollten deshalb bedarfsorientiert in gemeinsamen Gremien auf Länderebene unter Einbeziehung der Landesärztekammern geklärt werden können“, sagte BÄK-Vizepräsidentin Ellen Lundershausen. Mit Blick auf den stationären Sektor betonte sie, die geplante Neuausrichtung von Krankenhausplanung und-vergütung müsse so gestaltet werden, dass die stationäre Versorgung von komplex erkrankten, multimorbiden Notfallpatienten und die dafür erforderliche Vorhaltung ausreichend refinanziert würden.
In ihrer schriftlichen Stellungnahme für die Ausschussanhörung hebt die BÄK zudem die große Bedeutung der Gesundheitskompetenz und der Gesundheitssystemkompetenz im Zusammenhang mit der Notfallversorgung hervor.
„Viele Menschen suchen – oftmals aus Unwissenheit – nicht bedarfsgerechte Strukturen auf. Solange hier keine intensive Aufklärungsarbeit geleistet wird und solange Gesundheitskompetenz nicht von Kindheit an und in den Lebenswelten der Menschen gestärkt wird, ist davon auszugehen, dass die Zahl der Hilfesuchenden nicht sinkt, sondern eher steigt und dass gut gemeinte Versorgungspfade von der Bevölkerung nicht angenommen werden.“
Der Verband der Universitätsklinika (VUD) bewertet das Vorhaben positiv: „Die Reform der Notfallversorgung ist wie die Krankenhausreform ein wichtiger Baustein für eine effizientere Versorgung. Hierfür ist es zum einen wichtig und richtig, Integrierte Notfallfallzentren (INZ) an ausgewählten und fachlich geeigneten Krankenhäusern anzusiedeln und diesen die Federführung zuzuweisen“, so Jens Scholz, 1. Vorsitzender des VUD. Und weiter betont Scholz: „Dies müssen in erster Linie Krankenhäuser der G-BA-Notfallstufen 2 und 3 sein.“
Andere Verbände betonten, dass die Frage nach der Finanzierung der Ausweitung des Angebotes weiter ungeklärt sei. Das stellt beispielsweise die KBV heraus. Fragwürdig erscheint Akteuren der gesetzlichen wie privaten Krankenversicherung die Einschätzung über die Einsparpotenziale.
„Die im Gesetzentwurf beschriebenen Einsparpotenziale von bis zu einer Milliarde Euro jährlich sind nicht nachvollziehbar", heißt es beispielsweise von der Vorstandsvorsitzenden des AOK-Bundesverbandes, Carola Reimann.
„Das Reformgesetz der Bundesregierung setzt einen problematischen Trend weiter fort: Wie schon bei der Krankenhausreform und der Pflegeversicherung verlagert sie die Kosten der allgemeinen Daseinsvorsorge auf die Beitragszahler der Sozialversicherungen“, erklärte Florian Reuther, Direktor des PKV-Verbandes. GKV und PKV sollten diese Kosten nicht tragen müssen, die PKV dürfe gar nicht an den Kosten beteiligt werden.
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