Erneute Proteste wegen fehlender Finanzierung der psychotherapeutischen Weiterbildung

Berlin – Erneut demonstrierten Studierende der Klinischen Psychologie und Psychotherapie, Vertreterinnen und Vertreter von Berufs- und Fachverbänden sowie der Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK) und Landeskammern, um eine angemessene Finanzierung der psychotherapeutischen Weiterbildung zu fordern. In großer Zahl stellten sie heute vor dem Deutschen Bundestag ihre Forderungen.
„Wir haben schon so viele Aktionen veranstaltet – uns rennt die Zeit davon. Wenn die Weiterbildung zum Fachpsychotherapeuten nicht finanziert wird, wird es keine Weiterbildung geben“, sagte Felix Kiunke, frisch approbierter Psychotherapeut und Petent der erfolgreichen Petition zur angemessenen Finanzierung der psychotherapeutischen Weiterbildung. „Ich könnte jetzt meine Weiterbildung beginnen, wenn es sie gäbe“, so Kiunke.
Die beiden Studentinnen Dajana Eder und Vreni Feldmann schließen im Frühjahr nächsten Jahres ihren Master ab und „wissen nicht, wie es dann weitergeht“. „Wir fordern eine tarifgerechte Bezahlung in der Weiterbildung und wir wollen für Theorie, Selbsterfahrung und Supervision nicht selbst bezahlen müssen.“
Von „großen Zukunftsängsten bei mir und vielen anderen“, berichtete Luisa Baier, Psychologiestudentin im 6. Semester des Bachelorstudiums. „Viele überlegen sich dreimal, ob sie den Master machen sollen, weil die Weiterbildung danach so unsicher ist.“
Die Passagen zur psychotherapeutischen Weiterbildung im aktuellen Kabinettsentwurf des Gesundheitsversorgungsstärkungsgesetz (GVSG) bezeichnete sie als „Dreistigkeit und Unzumutbarkeit“.
„Es ist eine Schande, dass wir jetzt so um die Finanzierung der Weiterbildung kämpfen müssen“, sagte Andrea Benecke, Präsidentin der BPtK. „Die Reform der psychotherapeutischen Ausbildung wurde vor fünf Jahren beschlossen, aber keine Regelungen zur Finanzierung – das fällt uns jetzt auf die Füße.“ Es müsse unbedingt abgewendet werden, dass es einen Fachkräftemangel gibt, forderte Benecke.
„Eine Befragung hat ergeben, dass mehr als 2.000 psychotherapeutische Praxen eine ambulante Weiterbildung anbieten würden. Doch sie können nicht, weil es keine gesetzlichen Regelungen zur Finanzierung gibt – das ist unerhört!“, erklärte Barbara Lubisch, stellvertretende Bundesvorsitzende der Deutschen PsychotherapeutenVereinigung (DPtV).
„Wenn sie jetzt nicht für eine angemessene Finanzierung der Weiterbildung sorgen, dann sorgen sie nicht für die Zukunft unserer Kinder – Kinder und Jugendliche haben aber ein Recht auf psychische Gesundheit!“, sagte die Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutin Ariadne Sartorius vom Bundesverband der Vertragspsychotherapeuten (bvvp) in Richtung Politik.
An der Seite der Psychotherapeuten zeigte sich Kirsten Kappert-Gonther (Bündnis90/Die Grünen), amtierende Vorsitzende des Gesundheitsausschusses im Deutschen Bundestag. „Multiple Krisen setzten die Seele unter Druck, doch schon jetzt haben wir ein Hilfesystem, das der Zunahme an psychisch kranken Menschen nicht mehr Rechnung tragen kann. Das wird auch ein zunehmendes Problem für die Demokratie.“
Deshalb müsse man einen Fachkräftemangel in der Psychotherapie unbedingt vermeiden, so die Politikerin. Den vorliegenden Gesetzentwurf aus dem Bundesgesundheitsministerium (BMG) bezeichnete sie als „Verschlimmbesserung der Situation“.
Seit September 2020 gibt es einen neuen Qualifizierungsweg für Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten. Dieser besteht aus einem Hochschulstudium der Klinischen Psychologie und Psychotherapie mit Möglichkeit zur Approbation und einer anschließenden Weiterbildung zum Fachpsychotherapeuten. Die Struktur der neuen Weiterbildung ist an die ärztliche Weiterbildung angelehnt.
In der Weiterbildung haben die Teilnehmenden Anspruch auf ein angemessenes Gehalt. Unklar ist bislang, wie dieses Gehalt vor allem im ambulanten Bereich finanziert werden soll. Praxen, Hochschulambulanzen und künftige Weiterbildungsinstitute hängen in Bezug auf die Schaffung von Stellen von den Regelungen zur Finanzierung ab. Auf den dringenden Handlungsbedarf wurde bereits 2023 mit einer erfolgreichen Bundestagspetition zur Finanzierung der psychotherapeutischen Weiterbildung aufmerksam gemacht. Die Petition wurde an die Bundesregierung überwiesen, damit diese tätig werde.
Im Kabinettsentwurf des GVSG vom 22. Mai wurde eine Regelung zur Finanzierung der Weiterbildung zwar aufgenommen, diese beinhaltet aber lediglich eine Refinanzierung der abrechenbaren Versorgungsleistungen der angestellten Psychotherapeuten in Weiterbildung. Bei der Verhandlung der Ambulanzen mit den Krankenkassen über die Höhe der Vergütung für diese Versorgungsleistungen sollen dem GVSG zufolge notwendige Betriebskosten der Ambulanzen für die Durchführung der Weiterbildung aber ausdrücklich nicht berücksichtigt werden dürfen.
Die Bundespsychotherapeutenkammer wies nach Bekanntwerden des Gesetzentwurfes bereits darauf hin, dass damit in der ambulanten Weiterbildung keine angemessenen Gehälter bezahlt werden können und zugleich die notwendigen Weiterbildungselemente wie Theorie, Selbsterfahrung und Supervision finanziert werden.
Darüber hinaus könne der notwendige Bedarf an Weiterbildungsplätzen nur sichergestellt werden, wenn neben den Ambulanzen auch Praxen, Kliniken und institutionelle Einrichtungen zusammen entsprechende Kapazitäten zur Verfügung stellen. Für letztere sieht der Kabinettsentwurf zum GVSG keine Regelungen vor.
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