Ethikrat: Mehr psychosoziale Angebote für junge Menschen nötig
Berlin – Kinder und Jugendliche brauchen nach Ansicht des Deutschen Ethikrates in der Folge der Coronapandemie jetzt eine bessere Versorgung mit Beratungs-, Therapie- und Hilfsangeboten.
Nach den „katastrophischen Erfahrungen der Pandemie“ sei darauf zu achten, dass Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene nicht noch einmal „derart einseitig in ihrer Lebensentfaltung beschränkt werden“, heißt es in der Ad-hoc-Empfehlung „Pandemie und psychische Gesundheit“, die der Ethikrat heute in Berlin vorstellte.
„Während der COVID-19-Pandemie wurde nicht hinreichend gewürdigt, welchen psychischen Belastungen Kinder und Jugendliche durch die Pandemie selbst sowie durch die zu ihrer Bekämpfung ergriffenen Maßnahmen ausgesetzt waren. Ihnen wurde große Solidarität abverlangt“, sagte die Vorsitzende des Ethikrats Alena Buyx. Aber diejenigen, die selbst in Notlagen gerieten, hätten nicht zuverlässig die erforderliche Beachtung und Unterstützung erhalten.
„Wir schulden als Gesellschaft Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen nicht nur Dank und Respekt, sondern konkretes Handeln.“ Deshalb müssten unterstützende Angebote ausgebaut, Versorgungslücken geschlossen und es müsse unbedingt vermieden werden, dass junge Menschen in aktuellen und zukünftigen gesellschaftlichen Krisen als erste und besonders viele Lasten tragen müssten.
„Die internationale Studienlage zeigt einen deutlichen Zuwachs an psychischen Erkrankungen bei Kindern und Jugendlichen. Nicht nur die Schulschließungen, sondern die Erfahrungen der Krise selbst haben diese hervorgebracht“, sagte Bischöfin Petra Bahr bei der Pressekonferenz.
„Ein achtjähriges Kind mit Ängsten leidet dabei anders als eine Jugendliche mit Long COVID.“ Deshalb sei zielgerichtetes Handeln notwendig, auch über Beratungen an den Lebensorten. Zudem müssten die Zugänge zu Beratungs- und Hilfsangeboten vereinfacht werden, forderte Bahr.
„Die junge Generation sollte in der Pandemie Solidarität mit den Älteren zeigen und hat sie bereitwillig und bewusst gezeigt. Sie erfahren jetzt, dass ihre Solidarität keine Antwort findet“, mahnte die Bischöfin. „Sie müssen jetzt Solidarität und Gerechtigkeit erfahren. Das sind wir ihnen schuldig.“
„Schon vor der Pandemie gab es ein Defizit in der psychosozialen und psychotherapeutischen Versorgung für Kinder und Jugendliche – die Wartezeiten auf Behandlungsangebote sind jetzt noch länger geworden“, berichtete Ethikratmitglied Stephan Rixen.
„Wir empfehlen deshalb einen schnelleren Zugang, aber darüber hinaus auch zu prüfen, ob die Therapieangebote im ambulanten Bereich ausreichen“, sagte der Jurist. Darüber hinaus sollten alle Angebote besser miteinander vernetzt und auch die Suizidprävention ausgebaut werden.
Der Deutsche Ethikrat fordert in seiner Empfehlung unter anderem niedrigschwellige und flächendeckende schulpsychologische Angebote sowie psychosoziale Unterstützungsangebote.
Einrichtungen, die Diagnostik, Beratungsangebote, Heilbehandlungen und Hilfen zur Teilhabe für Kinder und Jugendliche, aber auch Hilfen für Eltern und Familien bereitstellen, müssten auf eine verlässliche Finanzierung bauen können. Es sollten zeitnah konkrete Pläne vorgelegt werden, wie bestehende Versorgungsdefizite in der Diagnostik und Behandlung für Kinder und Jugendliche mit psychischen Problemen behoben werden können.
Darüber hinaus sollten nach Empfehlung des Rates Informationskampagnen zur psychischen Gesundheit über Beratungs- und sonstige Hilfsangebote aufklären und Zugangsmöglichkeiten zu solchen Angeboten, auch im Freizeitbereich aufzeigen. Die im Bildungs-, Sozial- und Gesundheitsbereich tätigen Personen sollten im Hinblick auf die Prävention psychischer Belastungen und Erkrankungen spezifisch geschult werden.
Der Ethikrat empfiehlt weiter, die Forschung über die Folgen von Maßnahmen zur Bewältigung gesellschaftlicher Krisen (nicht nur von Pandemien) sollte gefördert werden. Insgesamt müsse sichergestellt werden, dass Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene in gesellschaftlichen Krisen mit allen Kräften geschützt werden. Dazu gehöre auch, ihre Anliegen ernst zu nehmen, Formen altersgemäßer Partizipation bei der Krisenbewältigung zu ermöglichen und junge Menschen selbst anzuhören.
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