Politik

GKV-Spargesetz: Änderungen bei Neupatienten­regelung noch möglich

  • Mittwoch, 12. Oktober 2022
Andrew Ullmann (FDP). /picture alliance, Flashpic, Jens Krick
Andrew Ullmann (FDP). /picture alliance, Flashpic, Jens Krick

Berlin – Bis zur Verabschiedung des geplanten GKV-Finanzstabilisierungsgesetzes könnte es noch zu wesent­lichen Änderungen bei den Neuerungen in der Vergütung der ambulanten Versorgung kommen. Das stellte FDP-Gesundheitspolitiker Andrew Ullmann gestern Abend in Aussicht.

Bei der Vergütungssituation niedergelassener Ärzte gehen die Meinungen der Gesundheitspolitiker in der Am­pelkoalition auseinander. Die gesundheitspolitische Sprecherin der SPD-Fraktion, Heike Baehrens, widersprach dem Mantra des Parteikollegen und Bundesgesundheitsministers Karl Lauterbach, dass es mit ihm keine Leis­tungskürzungen geben werde.

„Man stellt durchaus Leistungen infrage“, erklärte sie gestern bei einer gesundheitspolitischen Debatte des GKV-Spitzenverbandes. So habe man erkannt, dass es keinerlei Belege für einen Nutzen der extrabudgetären Vergütung für die Aufnahme von Neupatienten gebe, die 2019 mit dem Terminservice- und Versorgungsgesetz (TSVG) eingeführt worden war. Deshalb plane man nun die Abschaffung der Regelung.

Die Proteste der Ärzteschaft gegen die Pläne finde sie „erschreckend“. Schließlich handele es sich um die Rück­nahme einer extrabudgetären Vergütung „für eine Leistung, die eigentlich eine Selbstverständlichkeit ist, näm­lich die Aufnahme eines Patienten“, sagte Baehrens. „Dann so einen Aufstand zu machen, finde ich sehr prob­le­matisch.“

Das wollte Ullmann, selbst Facharzt für Innere Medizin, Hämatologie, internistische Onkologie und Infektio­logie, so nicht stehen lassen. Es gebe ein „Ungleichgewicht in der Bezahlung“, kritisierte er. Die Ärzte seien zu zusätzlichen Sprechstunden verpflichtet worden und hätten im gleichen Zug die extrabudgetäre Vergütung für Neupatienten erhalten. Da könne es nicht sein, dass die Vergütung gestrichen werde, aber die Verpflichtung zu mehr Sprechstunden erhalten bleiben.

Er sehe deshalb Nachbesserungsbedarf – der durchaus bedient werden könnte. Wie genau, dazu könne er noch nichts sagen. „Wir sind gerade in Gesprächen“, erklärte er und verwies auf das altbekannte Strucksche Gesetz: Kein Gesetz verlässt den Bundestag so, wie es hineinkommt. Auch Baehrens‘ Auffassung von Leistungskürzun­gen wies Ullmann zurück. „Es geht nicht um eine Leistungskürzung im Sinne einer Versorgungskürzung“, er­klärte er. „Das wäre fatal.“

Einigkeit herrschte quer durch die Parteien – neben Baehrens und Ullmann saßen auch die gesundheitspoliti­schen Sprecher der Grünen, Janosch Dahmen, sowie der Unionsfraktion, Tino Sorge, in der Runde – darüber, dass das GKV-FinStG lediglich die Grundlage für größere Reformen bildet. In den Begründungen dafür un­terschieden sie sich.

Das Klein-Klein des Gesetzes sei „ein Riesenfehler“, erklärte Sorge. „Wir brauchen Strukturreformen, die wir mit Geld erst einmal anstoßen müssen.“ Doch an diesem Geld mangele es nun einmal in der nahen Zukunft, wan­dte Dahmen ein. „Das Gesetz ist kein Flickwerk“, sagte er. Vielmehr solle es die Finanzierung für einen kurz­fristigen Zeitraum sichern und dabei alle Beteiligten in die Verantwortung nehmen. „Wir hoffen, dass uns das Gesetz Luft verschafft, um den tieferen Strukturwandel in den kommenden Jahren anzugehen.“

Sorge forderte die Koalitionäre auf, dabei ehrlich zu sein: Die anliegenden Strukturreformen würden nicht ohne die Schließung von Krankenhäusern vonstattengehen. Das müsse man auch offen eingestehen. Hier widersprach ihm Ullmann mit den Plänen zur Ambulantisierung bisher stationär erbrachter Leistungen, die die Bundesregierung auf Grundlage des zweiten Berichts der von Lauterbach eingesetzten Krankenhauskommis­sion zeitnah angehen will.

„Wir haben im ländlichen Bereich kleine Häuser, die eine volle Krankenhausversorgung nicht gewährleisten können, aber ambulante Leistungen voll erbringen können“, erklärte er. Eine verstärkte Ambulantisierung könne diesen Häuser retten.

„Wir müssen grundlegendere Probleme angehen“, forderte auch Ullmann. So schaffe der morbiditäts­orientierte Risikostrukturausgleich (Morbi-RSA) ein „Fehlanreizsystem bei den Abrechnungen“ oder aber gingen die Ver­sorgungsstrukturen in städtischen und ländlichen Gebieten auseinander. „Das System funktioniert so nicht auf Dauer.“

Das sahen auch die Gastgeber so, wenn auch erneut aus anderen Gründen: Die einmalige Freisetzung von Mit­teln werde langfristig nichts an den Finanzierungsproblemen der gesetzlichen Krankenversicherung ändern, betonte Doris Pfeiffer, Vorstandsvorsitzende des GKV-Spitzenverbands. Deren Hauptgrund sei neben steigen­den Leistungsausgaben vor allem die Verteilung der Lasten.

So werde bereits seit zehn Jahren über eine ausreichende Übernahme der Krankenversicherungsbeiträge von Arbeitslosengeld-II-Beziehenden diskutiert. Zwischen zehn und 10,5 Milliarden Euro koste das die GKV im Jahr. Genauso sehe es beim Bundeszuschuss aus, der nicht nur erhöht, sondern regelbasiert dynamisiert werden müsse.

Der allergrößte Teil dieses Geldes werde nämlich für versicherungsfremde Leistungen aufgebracht. Deshalb gehe es bei den Forderungen auch nicht um eine Subventionierung der GKV, sagte Pfeiffer, sondern um die Finanzierung von Bundesleistungen, die die Kassen übernehmen: „Wenn wir eine klare Aufgabenübernahme durch die Kassen haben, dann soll doch bitte der Bund auch dafür aufkommen.“

lau

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