Politik

GKV-Spargesetz: Geteiltes Echo für Terminzuschläge

  • Montag, 17. Oktober 2022
/Michail Petrov, stock.adobe.com
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Berlin – Die geplante Alternative zur Abschaffung der Neupatientenregelung trifft auf ein geteiltes Echo in Politik und Selbstverwaltung. Während die Vertragsärzteschaft sie als nicht ausreichenden Ersatz sieht, zeigen sich die Krankenkassen bereit, dafür zu zahlen.

„Einen Facharzttermin zu bekommen, muss endlich deutlich leichter werden als bisher“, forderte Bundesge­sund­heitsminister Karl Lauterbach (SPD). Die Neupatientenregelung habe dabei nicht geholfen, wiederholt er seit Wochen regelmäßig und verweist darauf, dass vorhandene Daten keinen Nutzen belegen könnten. Trotzdem sei das Ziel richtig gewesen, die Facharztterminvergabe zu beschleunigen.

Auf die Abschaffung der Regel aus dem Terminservice- und Versorgungsgesetz (TSVG) soll deshalb ein neues abgestuftes Vergütungssystem folgen, das die Honorare für Hausärzte erhöht, die erfolgreich kurzfristig bei Fachärzten vermitteln, und für Fachärzte, die mit den Terminservicestellen zusammenarbeiten. „Patienten, die sich dort melden, sollen künftig schnell vermittelt werden“, erklärte Lauterbach.

Die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) zeigt sich von diesen Plänen nicht überzeugt. „Um es klar zu sa­gen: Ein stärkeres Einbringen der Terminservicestellen kann den Wegfall der Neupatientenregelung auf keinen Fall kompensieren“, erklärt der KBV-Vorstandsvorsitzende Andreas Gassen. „Das passt gar nicht und wären nur Bruchstücke.“ Die ohnehin bestehende Unterfinanzierung der gesamten ambulanten Versorgung werde so nur weiter verschärft.

GKV-Spitzenverband zufrieden

Die gesetzliche Krankenversicherung (GKV) zeigt sich hingegen zufrieden: „Es ist gut, dass die Politik bei der Ab­schaffung der nutzlosen und teuren Neupatientenregelung standhaft geblieben ist“, sagte ein Sprecher des GKV-Spitzenverbandes dem Deutschen Ärzteblatt auf Anfrage. „Diese Honorarerhöhungen ohne echte Mehrleistungen für die Patientinnen und Patienten waren der falsche Weg.“

Der GKV-Spitzenverband geht davon, dass mit der neuen Regelung auch neue Kosten auf die Kassen zukommen, nimmt diese aber hin: Zwar würden neue Zusatzvergütungen für die Ärzteschaft angesichts der wirtschaftlichen Gesamtsituation und steigender Krankenkassenbeiträge etwas aus der Zeit gefallen wirken.

Aber wenn die Beitragszahler schon zusätzliches Geld für Praxisinhaber aufbringen müssten, dann müsse dies­mal sichergestellt sein, dass es nur bei echten Leistungsverbesserungen für Patienten fließe, erklärte der Spre­cher.

Unklar ist noch, wie viel genau das neue Modell im Vergleich zur Neupatientenregelung kosten wird. Aus Koali­tionskreisen ist zu vernehmen, dass den Vertragsärzten ein niedriger dreistelliger Millio­nenbetrag winken könnte. Dafür könnte die Zahl der Patienten, die profitieren, um das Zehn­fache ansteigen, von 900.000 auf bis zu zehn Millionen.

Weniger erwartet man beim Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung (Zi). Es sei klar ist, dass die Strei­chung der Neupatientenregelung einen deutlichen Negativanreiz für alle Praxen setzt. „Ob diese Negativbot­schaft dadurch kompensiert werden kann, dass die finanziellen Anreize für die Terminvermittlung verstärkt wer­den, ist doch eher unwahrscheinlich“, sagte der Zi-Vorstandsvorsitzende, Dominik von Stillfried, auf Anfrage.

Gehe man von der bisherigen Frequenz der Vermittlungsfälle aus, die von der neuen Regelung erfasst seien, würden die mit dem Änderungsantrag verbundenen Regelungen zu einem Plus von lediglich vier Millionen Euro führen. „Das entspricht etwa einem Hundertstel des Verlusts durch die Streichung der Neupatientenregelung“, sagt von Stillfried.

Außerdem gebe es zwei Unbekannte in dieser Rechnung: Für Akutfälle stehe nicht fest, wie hoch der Zuschlag tatsächlich ausfallen werde – das soll erst der Bewertungsausschuss klären. Zweitens müssten Hausarztpraxen ihre Praxisabläufe anpassen und womöglich sogar zusätzliches Personal einstellen, um die Zahl der Vermitt­lungs­fälle deutlich steigern zu können.

Bislang werde die 116117 primär zu Bereitschaftsdienstzeiten beansprucht. „Sollte die Terminvermittlung für Akutfälle finanziell stärker ins Gewicht fallen, müsste sich die Inanspruchnahme der 116117 auch werktags stark entwickeln“, erklärte von Stillfried. „Die Kapazitäten der 116117 müssten dafür entsprechend angepasst werden.“

Dies wiederum wäre demnach mit zusätzlichem Aufwand bei den Kassenärztlichen Vereinigungen verbunden, der bisher vor allem von den KV-Mitgliedern getragen werden muss. „Sollte es dann zu diesen Veränderungen kommen, darf die Politik die dann eintretenden Entwicklungen bei der Inanspruchnahme aber auch nicht gleich wieder als ‚Mitnahme-Effekte‘ oder ähnliches diskreditieren“, forderte der Zi-Vorstandvorsitzende.

Anders als das Zi sieht Andrew Ullmann, gesundheitspolitischer Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, die Kos­ten-Nutzen-Kalkulation der geplanten Neuregelung: „Ich denke, das ist ein großer Posten für die ambulante Ver­sorgung. Natürlich verursacht das Mehrkosten, aber es geht auch um Leistungen, die mehr erbracht werden und deshalb gerecht vergütet werden müssen“, erklärt er dem Deutschen Ärzteblatt.

Wie groß genau der Posten ist, soll in rund einem Jahr bekannt sein: Bereits im September soll laut Ände­rungs­antrag eine Evaluation der Neuregelung durchgeführt werden. Dass dabei voraussichtlich nur Daten aus dem ersten Quartal berücksichtigt werden können, sei kein Problem, wenn deren Qualität hoch genug ist.

Ullmann hat sich nach eigener Darstellung stark für eine Alternative zur bloßen Abschaffung der Neupatienten­re­gel eingesetzt. „Die Ärzte sind nicht Teil des Problems, sondern Teil der Lösung. Wir wissen über die Belastung der Praxen sehr genau Bescheid.“ Bei der genauen Umsetzung gebe es noch Gestaltungsbedarf, aber: „Ich traue der Selbstverwaltung zu, da ein Regelwerk zu finden, das eine unbürokratische und verlässliche Umsetzung dieser Regelung ermöglicht.“

Ohnehin sei das GKV-FinStG nur ein Anfang. „Im Augenblick ist das eine Brücke, die wir bauen, bis wir die großen und wichtigen Strukturreformen angehen.“

lau

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