Gute Versorgung trotz weniger Krankenhäuser
Berlin – Deutschland kann auch in Zukunft eine gute Patientenversorgung anbieten, auch wenn es deutlich weniger kleine Krankenhäuser geben wird. Das betonte Tom Bschor, Facharzt für Psychiatrie und Leiter der Regierungskommission Krankenhaus, heute auf dem Hauptstadtkongress.
Ein Viertel aller Krankenhäuser nach den Notfallstufen zwei und drei des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) versorgen derzeit 57 Prozent aller stationären Behandlungsfälle. Damit stemmen 424 von rund 1.700 Standorten die deutliche Mehrheit der Fälle, erklärte Bschor.
Wenn viele kleine Krankenhäuser nebeneinander existieren, nehmen sie sich zudem das ohnehin knappe Personal weg, da an allen Standorten Schichten und Abteilungen betrieben werden müssen, so Bschor. Zudem haben Bschor zufolge zwei Drittel aller deutschen Krankenhausstandorte weniger als 300 Betten. Die wirtschaftlich optimale Betriebsgröße liege aber bei 600 bis 900 Betten.
Auch kleinere Häuser müssten eine Geschäftsführung, Controlling, IT oder auch eine Gärtnerei betreiben und schafften es damit oft nicht, schwarze Zahlen zu schreiben. Bei größeren Krankenhäusern (mehr als 900 Betten) sinke wiederum auch oft der Betriebserlös, da sie etwa sehr teure Fälle behandeln oder aufgeblasene Verwaltungsstrukturen vorhalten, so Bschor.
Deutschland sei zudem internationaler Spitzenreiter bei den Krankenhausfallzahlen pro Einwohner. Weil es hierzulande im Vergleich zu den europäischen Nachbarn aber deutlich mehr Pflegefachkräfte und Ärztinnen und Ärzte gebe, sieht Bschor viel Potenzial, die Versorgung umzustrukturieren und trotz Fachkräftemangel eine gute Patientenversorgung künftig sicherzustellen.
Der Vergleich der Region „East of England“ in Großbritannien mit dem Bundesland Hessen – die beide rund 6,3 Millionen Einwohner bei einer ähnlich großen Fläche haben – zeige, dass es in Deutschland sehr viele kleine Krankenhausstandorte gebe. In East of England gibt es demnach zwei Unikliniken und 17 Standorte mit einer Notfallambulanz, in Hessen sind es ebenfalls zwei Unikliniken aber 68 Standorte mit einer Notfallambulanz.
Deutschland gebe deutlich mehr Geld für den Gesundheitsbereich aus als Großbritannien, aber lande bei der Sterblichkeit von vermeidbaren Ursachen sowie von behandelbaren Ursachen trotzdem auf einem ähnlichen Platz wie Großbritannien, so Bschor. Mit dem Geld, dass Deutschland investiere, erhalte es nicht die Spitzenmedizin, die es dafür eigentlich geben müsste, kritisierte er.
Neben einer stärkeren Konzentrierung von Standorten und der damit verbesserten Qualität der erbrachten Leistungen müssten zudem doppelt existierende Strukturen im ambulanten und stationären Sektor abgebaut werden, erläuterte Bschor. Darüber hinaus müssten mehr Fälle auch am Krankenhaus ambulant erbracht werden.
Verantwortung der Bundesländer
Für Jens Scholz, Professor für Anästhesiologie und erster Vorsitzender des Verbands der Universitätsklinika Deutschlands (VUD), ist die Reformbedürftigkeit der Krankenhauslandschaft insbesondere mit der unzureichenden Verantwortung der Bundesländer zu erklären. „Die Länder sind seit der Gründung der Bundesrepublik für die Krankenhausplanung zuständig. Wenn die Länder diese Planung immer gut gemacht hätten, bräuchten wir heute keine Krankenhausreform“, sagte Scholz. Jetzt sei es wichtig, Krankenhausstandorte zu konzentrieren und dafür zu sorgen, dass komplizierte Eingriffe an dafür spezialisierten Zentren erbracht werden.
Der Gesundheitsminister aus Baden-Württemberg, Manne Lucha (Grüne), stimmte Bschor zu, dass Ressourcen stärker gebündelt und gesteuert werden sowie inhaltsgleiche Doppelstrukturen abgeschafft werden müssten. Baden-Württemberg habe bereits die Zahl der Standorte von 279 im Jahr 2011 auf jetzt 209 reduziert und konzentriert, erklärte Lucha. Auch er plädierte für eine bessere Steuerung.
Allerdings bekräftigte Lucha sein Plädoyer gegen die Einführung von Levels – wie etwa das von der Regierungskommission vorgeschlagene Level 1i. Anfang Juni hatten sich Bund und Länder darauf geeinigt, dass die künftige Krankenhausreform anhand von Leistungsgruppen geplant werden soll.
Die Planung der Häuser solle nicht nach Leveln erfolgen, wie es die Regierungskommission unter der Leitung von Bschor ursprünglich vorgesehen hat und sich nach wie vor dafür ausspricht. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) hat hingegen bereits angekündigt, eine Transparenzübersicht über alle Krankenhäuser anhand der Level gestalten zu wollen.
Krankenhäuser, die zu Level 1i zugeordnet werden würden, klängen zu sehr nach „Resterampe“, bemängelte Lucha heute. Besser sei es, diese Einrichtungen Primärversorgungs- oder Gesundheitszentren zu nennen.
Außerdem sieht Lucha den G-BA in der Verantwortung der Überregulierung und überbordenden Bürokratie im Krankenhauswesen. „Nach der Reform hat das Konstrukt G-BA in der heutigen Form keine Berechtigung mehr“, so Lucha. Es brauche einen Paradigmenwechsel, der gegen die Überbürokratie wirke, so der Minister.
Der Vorsitzende der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG), Gerald Gaß, kritisierte, dass die Politik falsche Prioritäten setze. Für das Dienstwagenprivileg oder die Nichtbesteuerung von Flugbenzin gebe es etwa Milliarden, aber für eine Übergangszeit bis die Krankenhausreform greife, wolle die Regierung kein Geld bereitstellen, bemängelte Gaß.
Lauterbach hatte vorgestern angekündigt, dass er mit Krankenhausinsolvenzen vor allem im kommenden Jahr rechne. Mit dieser Aussage erntete er Kritik von allen Seiten.
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