Politik

Hilfsorganisationen kritisieren Zugang zu Gesundheits­versorgung

  • Donnerstag, 28. Januar 2021
/picture alliance, Rupert Oberhäuser
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Berlin – Der Zugang zu medizinischer Versorgung ist in Deutschland für Menschen ohne Versicherung eingeschränkt. Wer obdach- oder mittellos ist, die Krankenversicherungsbeiträge nicht bezahlen kann oder keinen geklärten Aufenthaltsstatus hat, bleibe häufig unterversorgt. So lautete die Kritik mehrerer Hilfsorganisationen in einer Anhörung des Gesundheits­ausschusses des Bundestages zu Anträ­gen der Linken und Grünen gestern.

Darin hatten beide Fraktionen darauf abgezielt, die Gesundheitsversorgung für bisher ausgeschlossene Bevölkerungsgruppen zu verbessern. Gerade in der Coronapandemie sollten alle in Deutschland leben­den Menschen, unabhängig von ihrem Aufenthaltsstatus, angstfrei ärztliche Hilfe aufsuchen können, heißt es im Antrag der Grünenfraktion.

Die Kosten dieser Behandlungen könnten, dem Vorschlag der Linken zufolge, zum Beispiel aus einem neuen Härtefallfonds bezahlt werden. Außerdem bräuchte es „bundeseinheitliche Regelungen zur Ein­führung eines anonymen Krankenscheins“, wie er bereits in Berlin und Thüringen eingesetzt werde. Die Anträge sollen zunächst weiter im Ausschuss beraten werden.

„Die beiden Anträge greifen ein seit Langem bekanntes Problem auf, das jedoch durch die COVID-19-Pandemie mehr Sichtbarkeit und Dringlichkeit erhalten hat“, schrieb die Organisation Ärzte der Welt in ihrer Stellungnahme.

Ihren Angaben zufolge hätten „hunderttausende Menschen“ in Deutschland keinen Zugang zu benötigter medizinischer Versorgung. Die Ergebnisse des Mikrozensus 2019, nach denen rund 61.000 Menschen in Deutschland ohne Krankenversicherung lebten, würden das Problem unterschätzen, so der Ärzteverein. Denn dabei würden nur Personen befragt, die mit einem Privathaushalt in Deutschland gemeldet seien.
Betroffene könnten teilweise alternative Versorgungsstrukturen nutzen.

Im Jahr 2019 seien mehr als 2.500 Personen in den vier Anlaufstellen der Ärzte der Welt versorgt wor­den. Elf Prozent davon seien Kinder unter fünf Jahren gewesen. Doch solche ehrenamtlichen Ange­bote könnten die Gesundheitsversorgung nicht flächendeckend für die betroffenen Bevölkerungsgruppen sicherstellen, sagte Johanna Offe von Ärzte der Welt bei der Anhörung. Dies sei eine klar staatliche Auf­gabe der Daseinsvorsorge.

Ein temporärer Lösungsvorschlag, den mehrere Verbände unterstützten, war die breitere Verfügbarkeit von Clearingstellen und anonymen Krankenscheinen. „Wenn Menschen in Anonymität in der Bundes­re­publik leben und diese Anonymität aufgeben müssen, um ärztlich betreut zu werden, werden sie diese Betreuung gar nicht oder zu spät in Anspruch nehmen“, sagte der Arzt Peter Bobbert von der Bundes­ärzte­kammer. Die anonymen Scheine ließen sich seiner Ansicht nach auch bundesweit umsetzen.

Elisabeth Fix von der Caritas nannte die anonymen Krankenscheine „ein unheimlich wertvolles Instru­ment“. Sie bedauere daher, dass es die Scheine in erst zwei Bundesländern gebe.

Der Vorschlag der Linken-Fraktion, die Versorgung nicht versicherter Menschen über einen Härtefall­­fonds zu finanzieren, wurde besonders vom GKV-Spitzenverband und den privaten Krankenversich­erungen abgelehnt.

Ohne Krankenversicherung durch die Pandemie

Darüber hinaus habe sich die Situation von Nicht-Versicherten in der Pandemie weiter verschlechtert, kritisierten die Ärzte der Welt. Sie hätten häufig keine Möglichkeit zur Isolation, litten oft an Vorerkran­kungen und könnten weniger Schutzmaterialien besorgen. Auch sei die Kostenübernahme für Corona­tests, die Impfung oder eventuell notwendige Krankenhausbehandlungen nicht geklärt.

Die aktuelle Coronavirustestverornung des Bundesgesundheitsministeriums spricht derweil auch Nicht-Versicherten einen Anspruch auf Coronatests zu.

Vulnerable Personengruppen wie Menschen ohne Krankenversicherung, Wohnungslose oder Menschen ohne Papiere „erkranken häufiger und vor allem schwerer an COVID-19, gleichzeitig haben sie einen schlechteren Zugang zur Gesundheitsversorgung und sind stärker durch die Infektionsschutzmaßnahmen eingeschränkt“, sagte Maria Klein-Schmeink, die stellvertretende Fraktionsvorsitzende und gesundheits­politische Sprecherin der Grünen.

Damit würden sie während der Pandemie „weiter an den Rand der Gesellschaft gedrängt“, ergänzte Filiz Polat, Fraktionssprecherin für Migrations- und Integrationspolitik.

jff

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