Politik

Krankenhausgutachten zeigt Unterversorgung in Teilen Sachsen-Anhalts auf

  • Dienstag, 4. April 2023
/VILevi, stock.adobe.com
/VILevi, stock.adobe.com

Halle – Sachsen-Anhalts Bevölkerung ist mit 54 Krankenhausstandorten im Land gut mit medizinischen Leistungen versorgt. Während die Situation in den Ballungszentren sogar sehr gut ist, ist die Altmark dagegen unterversorgt.

Im Norden des Landes kommt es teilweise zu langen Fahrzeiten auch bei Angeboten der Basisversorgung, wie aus einem Gutachten zur Zukunft der Krankenhauslandschaft in Sachsen-Anhalt hervorgeht, das Sachsen-Anhalts Gesundheitsministerin Petra Grimm-Benne heute in Magdeburg vorstellte.

„Wir brauchen alle Krankenhausstandorte in der Fläche“, sagte die SPD-Politikerin. Es sei aber eine Mammut­aufgabe, künftig eine gute ambulante und stationäre Versorgung im Land aufrecht zu erhalten.

Insgesamt gibt es in Sachsen-Anhalt aktuell 45 Krankenhäuser. Deren wirtschaftliche Lage sei angespannt, so das Fazit der Gutachter. Das Land sei gefordert, mehr Geld für Investitionen bereit zu stellen. Das Gutachten hat die „PD– Berater der öffentlichen Hand GmbH“ erstellt. Die Gesellschaft ist ein Beratungsunternehmen für Bund, Länder, Kommunen.

Basisversorgung am Wohnort, komplexe Behandlungen bündeln

Die Gutachter empfehlen eine gestufte Versorgung. Internistische und chirurgische Leistungen soll es weiter­hin wohnortnah geben. Je spezieller die Eingriffe sind, desto stärker sollen diese an großen Krankenhäusern und Universitätskliniken konzentriert werden. Aktuell halten sich nicht alle Krankenhäuser an die Mindestvor­gaben bei bestimmten Eingriffen, die bessere medizinische Ergebnisse sicherstellen sollen.

Nötig sei eine stärkere Zentralisierung, sagte Matthias Schatz von PD. Ein Beispiel: schwere Pankreas-Opera­tio­nen. Für Eingriffe an der Bauchspeicheldrüse gilt ab 2025 eine Mindestmenge von 20 Fällen pro Jahr. Voraussichtlich werden dann nur noch fünf bis sieben Krankenhäuser diese Mindestzahlen erfüllen. Zuletzt haben bis zu 18 Kliniken pro Jahr derartige Operationen durchgeführt. Viele haben die Mindestmengen nicht oder nur knapp erreicht.

Defizite bei Herzinfarkten und Schlaganfällen

Die durchschnittliche Fahrzeit bis zum nächsten Krankenhaus mit Notaufnahme liege im Durchschnitt der übrigen Flächenländer, stellen die Gutachter fest. Der Rettungsdienst sei mit einer Vielzahl an Standorten und Notfallfahrzeugen breit aufgestellt.

Empfohlen wird aber eine Prüfung, ob neben Halle und Magdeburg ein weiterer Hubschrauber im Norden des Landes die Versorgung deutlich verbessern könne, „insbesondere bei schweren und zeitkritischen Erkrankun­gen“.

Im Bereich der Kardiologie und der Schlaganfallversorgung stellten Gutachter Defizite fest. Es würden zu viele Patienten in Kliniken behandelt, die dafür nicht geeignet seien, weil beispielsweise die entsprechende Ausstattung fehle. „Das ist etwas, was wir eigentlich nicht wollen“, sagte Gutachter Schatz. Es sei eine bessere Steuerung notwendig, damit bereits Verdachtsfälle in geeignete Krankenhäuser kämen.

Zu viele Betten, zu wenig Personal

2021 standen in Sachsen-Anhalt rund 14.600 Betten in Kliniken für die vollstationäre Versorgung zur Verfü­gung. Bezogen auf die Einwohnerzahl stellen die Gutachter eine überdurchschnittliche Kapazität fest. Auf­grund demografischer Faktoren und der Tatsache, dass immer mehr Leistungen ambulant erbracht werden, könnten bis 2035 rund 2.000 bis 4.000 Betten abgebaut werden.

Der Mangel an medizinischem Fachpersonal werde dazu führen, dass bestimmte Leistungen in Kliniken nicht mehr angeboten werden können. Dies betreffe beispielsweise einige Kinderkliniken oder Geburtsabteilungen. „Das Hauptproblem ist der Fachkräftemangel, das Geld ist im Zweifel da“, sagte Schatz.

Geburtshilfe oft nicht wirtschaftlich

In den meisten Regionen kann in weniger als 30 Minuten eine Geburtsklinik erreicht werden, stellenweise sind es zwischen 45 und 60 Minuten. Bereits heute schaffen aber einige der Geburtskliniken nicht oder nur knapp 300 Geburten pro Jahr. Die Hälfte hat auch Probleme, „die meist als wirtschaftliche Untergrenze angesehenen 600 Geburten“ zu erreichen.

Personalausfälle führen immer wieder zu temporären Schließungen. Für eine akzeptable Versorgung im Land seien aber fast alle Geburtskliniken notwendig, so die Gutachter. Beispielsweise würde ein Wegfall der Klinik in Gardelegen, die nicht auf 300 Geburten komme, zu einer schwierigen Versorgungssituation in der Region führen, hieß es. Die aktuell vorhandenen Stationen sollten unbedingt so lange wie möglich erhalten werden, sagte Gutachter Schatz. Dies werde aber schwieriger werden.

Die Universitätskliniken sollen nach Vorstellungen der Gutachter künftig eine stärkere Steuerung überneh­men. Nötig sei eine „koordinierende Rolle und die Projektmanagementkompetenz, um neue Ansätze zur Verbesserung der Versorgung in die Umsetzung zu bringen“.

Durch Telemedizin sollen Experten beispielsweise kleinere Kliniken unterstützen. So könnten Spezialisten in die Behandlung eingebunden werden, ohne dass die Patienten lange Fahrzeiten auf sich nehmen müssten, hieß es. Die Versorgung müsse insgesamt effizienter werden, sagte der Ärztliche Direktor des Universitäts­klinikums Halle, Thomas Moesta.

Schwierige Finanzlage der Kliniken

Unterdessen erwartet mehr als die Hälfte der Kliniken in Sachsen-Anhalt für das vergangenen Jahr einen negativen Jahresabschluss, wie eine Blitzumfrage zeigt, die die Krankenhausgesellschaft des Landes gestern veröffent­licht hat.

Demnach bewerten fast drei Viertel der befragten Häuser ihre aktuelle wirtschaftliche Situation als schlecht oder eher schlecht. „Das alles ist alarmierend“, sagte der Vorsitzende der Krankenhausgesellschaft, Wolfgang Schütte. „Die wirtschaftliche Lage ist extrem angespannt und wird sich weiter zuspitzen, wenn nicht gegen­gesteuert wird.“

An der Befragung haben den Angaben zufolge 24 Krankenhäuser mit 10.177 Betten teilgenommen. Das ent­spreche 68 Prozent der Betten in Sachsen-Anhalt.

Nur 20 Prozent der Kliniken erwarten laut Umfrage ein positives Ergebnis. 25 Prozent rechnen mit einem ge­rade noch ausgeglichenen Ergebnis, was vor allem den bereitgestellten Coronaausgleichszahlungen geschul­det ist. 55 Prozent der Kliniken rechnen mit einem negativen Ergebnis. „Ohne diese hätten deutlich mehr Krankenhäuser ein negatives Ergebnis“, hieß es.

In diesem Jahr sei die Lage noch dramatischer. Nahezu alle Krankenhäuser in Sachsen-Anhalt erwarteten eine deutliche Verschlechterung ihrer finanziellen Lage. Nach einer Berechnung lag die Kosten-Erlös-Lücke im vergangenen Jahr landesweit bei 194 Millionen Euro.

Das Defizit werde sich 2023 auf rund 450 Millionen Euro verdoppeln, hieß es. Zudem kämen die von Bundes­gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) versprochenen Entlastungen für die gestiegenen Energiekosten nicht bei den Krankenhäusern an.

Die Krankenhausgesellschaft plädiert für ein Vorschaltgesetz zur geplanten Krankenhausreform des Bundes noch vor dem Sommer. Die Hoffnung, dass die Reform die derzeitige Situation verbessern würde, sei naiv, hieß es. Soforthilfen müssten zudem die gestiegenen Energie- und Sachkostensteigerungen kompensieren und Tarifsteigerungen vollständig abgedeckt werden.

dpa

Diskutieren Sie mit:

Diskutieren Sie mit

Werden Sie Teil der Community des Deutschen Ärzteblattes und tauschen Sie sich mit unseren Autoren und anderen Lesern aus. Unser Kommentarbereich ist ausschließlich Ärztinnen und Ärzten vorbehalten.

Anmelden und Kommentar schreiben
Bitte beachten Sie unsere Richtlinien. Der Kommentarbereich wird von uns moderiert.

Es gibt noch keine Kommentare zu diesem Artikel.

Newsletter-Anmeldung

Informieren Sie sich täglich (montags bis freitags) per E-Mail über das aktuelle Geschehen aus der Gesundheitspolitik und der Medizin. Bestellen Sie den kostenfreien Newsletter des Deutschen Ärzteblattes.

Immer auf dem Laufenden sein, ohne Informationen hinterherzurennen: Newsletter Tagesaktuelle Nachrichten

Zur Anmeldung