Krankenhausreform: Kritik aus Bayern, Mahnungen und Rufe nach Nachbesserungen

Berlin – Die Eckpunkte für eine Krankenhausreform stehen. Allerdings konnten sich nicht alle Länder für die Eckpunkte erwärmen. Von den 16 Ländern haben 14 dafür gestimmt. Schleswig-Holstein enthielt sich, Bayern stimmte dagegen. Die ersten Reaktionen aus Politik und Gesundheitswesen fielen gemischt aus. Es gab Mahnungen und Forderungen nach Nachbesserungen.
Die Eckpunkte sehen unter anderem vor, dass es bei der Krankenhausfinanzierung eine Aufweichung des bisherigen Systems der diagnosebezogenen Fallpauschalen (DRG) geben soll. Krankenhäuser sollen zunächst für 60 Prozent ihrer Kosten Vorhaltepauschalen bekommen. Für die Pädiatrie sind weitere Zuschläge vorgesehen. Damit soll der ökonomische Druck aus den Häusern genommen werden.
Gleichzeitig sollen die Qualitätskriterien festgelegt werden, so dass nicht mehr alle Kliniken per se alle Leistungen anbieten werden können. Die Länder können allerdings auf Ausnahmeregelungen zurückgreifen. Es soll Behandlungen geben, bei denen die Länder Abstriche bei der Qualität akzeptieren können. Etwa bei der Krebsbehandlung soll das aber nicht möglich sein.
Qualitätsdaten für Krankenhäuser will der Bund zentral bundesweit selbst veröffentlichen. Die Pläne hatten insgesamt Befürchtungen ausgelöst, dass kleine Häuser durch die Reform von der Schließung bedroht sein könnten.
Deutliche Kritik aus Bayern
Bayerns Gesundheitsminister Klaus Holetschek bezeichnete die Eckpunkte als „unzureichend“. Die bayerische Gegenstimme sei keine Verweigerungshaltung, sondern ein Ausdruck eines demokratischen Widerspruchs, dass an in der Sache noch nicht übereinstimme, sagte er nach dem Treffen in Berlin.
„Gleichwohl bin auch ich überzeugt, dass wir eine Krankenhausreform brauchen, und klar ist auch, dass das heutige Ergebnis in wesentlichen Passsagen die Handschrift Bayerns trägt. Jetzt werden wir prüfen, wie Bayern sich in den weiteren Gesetzgebungsprozess konstruktiv einbringen kann“, meinte er.
Holetschek betonte aber auch, er habe „bereits vor den heutigen Verhandlungen darauf hingewiesen, dass die verfassungsmäßig festgelegte Planungshoheit der Länder gewahrt bleiben muss. Bei den Ausnahmeregelungen für die Länder und bei der Berücksichtigung von Kooperationslösungen und Verbundmodelle seien die Aussagen des Bundes „noch zu vage“.
Ein wichtiger Punkt für ihn in den weiteren Beratungen sei, dass Lauterbach Transparenz schaffen müsse, was diese Reform bedeute. „Bevor über das Gesetz abgestimmt werden kann, muss klar sein, welche Folgen das in der Fläche haben wird“, mahnte Holetschek. „Das vermisse ich trotz mehrfacher Aufforderung bis heute.“
Schleswig-Holsteins Gesundheitsministerin Kerstin von der Decken hat die Enthaltung der Kieler Landesregierung verteidigt. Die Reform müsse kommen, aber entscheidende Fragen seien offengeblieben, sagte die CDU-Politikerin. „Deswegen haben wir uns enthalten.“ Das nun beschlossene Eckpunktepapier sei für den Norden immer noch kein zufriedenstellendes Papier.
Der rheinland-pfälzische Gesundheitsminister Clemens Hoch (SPD) geht davon aus, dass es „die allermeisten Standorte auch zukünftig gibt“. Einzelne Standorte würden eher eine sektorübergreifende Versorgung übernehmen, andere sich als Fachkrankenhäuser stärker spezialisieren. Auch Verbundlösungen seien möglich. Ein komplettes Verschwinden von Standorten erwarte er nicht.
Niedersachsens Gesundheitsminister Andreas Philippi (SPD) erklärte heute, der gordische Knoten sei durchschlagen worden. „Das ist ein richtig gutes Signal für die Handlungsfähigkeit der Politik und für das Funktionieren des Föderalismus.“ Philippi sprach von einem Paradigmenwechsel bei der Finanzierung. „Die ruinöse Überökonomisierung der Krankenhäuser ist damit gestoppt“, sagte er.
Der saarländische Gesundheitsminister Magnus Jung (SPD) erwartet durch die Einigung auf Eckpunkte für eine Krankenhausreform künftig eine bessere Qualität und verlässlichere Finanzierung der Krankenhäuser. „Damit wird den Krankenhäusern der Druck genommen, ihre Finanzierung auf die Anzahl der behandelten Fälle zu stützen“, teilte Jung mit. „Stattdessen wird das Vorhalten von Leistungsangeboten vergütet.“
Ostdeutsche Länder zufrieden
Brandenburgs Gesundheitsministerin Ursula Nonnemacher (Grüne) hat positiv auf die Verständigung von Bund und Ländern zur Neuaufstellung der Krankenhäuser reagiert. „Das ist ein sehr ordentlicher Kompromiss, dem ich guten Gewissens zustimmen konnte“, sagte sie. Die sehr intensiven Verhandlungen zwischen Bund und Ländern hätten sich gelohnt.
Sie zeigte sich erfreut, dass das ostdeutsche Flächenland Mecklenburg-Vorpommern in einer Bund-Länder-Arbeitsgruppe vertreten sei, die über den Sommer den Gesetzentwurf schreiben wird. „Das ist ein gutes Signal.“ Nonnemacher hofft, dass so viele Kliniken wie möglich in Brandenburg erhalten bleiben. In Brandenburg gibt es laut Krankenhausplan etwas mehr als 50 Krankenhäuser.
Mecklenburg-Vorpommerns Gesundheitsministerin Stefanie Drese (SPD) zeigte sich „sehr zufrieden“. „Wir wollten gesichert haben, dass die Krankenhausplanung in Länderhand bleibt und Ausnahmetatbestände in den einzelnen Ländern Berücksichtigung finden“, erklärte Drese heute.
Ein großer Erfolg für die fünf ostdeutschen Länder sei, dass anerkannt werde, dass sich die Ausgangslage im Osten von der im Westen sehr unterscheide– vor allem durch den nach der Wende bereits vollzogenen Klinik-Strukturwandel im Osten. Außerdem solle in dünn besiedelten und unterversorgten Gebieten eine Entökonomisierung und dauerhafte Sicherstellung erreicht werden. Das sei gerade für MV wichtig, so die Ministerin.
Bundesärztekammer sieht Nachbesserungsbedarf
„Dass sich Bund und Länder heute auf ein gemeinsames weiteres Vorgehen bei der Krankenhausreform geeinigt haben, ist zunächst einmal eine gute Nachricht“, sagte der Präsident der Bundesärztekammer (BÄK), Klaus Reinhardt, heute. Leistungsgruppenplanung und Vorhaltevergütung seien „stimmige Ansätze für eine erfolgreiche Reform“.
Für ihn ist es auch richtig, dass sich Bund und Länder darauf verständigt haben, bei der weiteren Entwicklung die Bundesärztekammer, die Pflege, die Krankenhausgesellschaft und die Krankenkassen auf gesetzlicher Grundlage einzubeziehen. „Das bietet die Chance, die vielen Fragen sachgerecht zu klären, die das Eckpunktepapier noch offen lässt“, so Reinhardt.
Er betonte, in dem Gremium dürfe aber nicht nur über die konkrete Ausgestaltung der Leistungsgruppen gesprochen werden. Auch die Entwicklung der Vorhaltevergütung und die Pläne des Bundes zur Qualitätstransparenz benötigten eine sachverständige Begleitung.
Großer Kritikpunkt der Bundesärztekammer sind die Ausformulierungen für die ärztliche Weiterbildung. In den Eckpunkten sei „noch kein stimmiges Konzept“ dafür enthalten, monierte Reinhardt. Es müssten alle Kliniken in die Pflicht genommen werden, gerade auch die großen Krankenhäuser und die Kliniken, die spezialisierte Versorgungsaufträge erhalten.
Anders als es die Eckpunkte vorsehen, können die Kliniken der niedrigsten Versorgungsstufe, die Level-Ii-Kliniken, aus Sicht von Reinhardt zwar einen Beitrag leisten, aber nicht die zentrale Rolle für die ärztliche Weiterbildung spielen. Weitgehend offen bleiben im Eckpunktepapier auch die Finanzierungsfragen.
Die Ärztegewerkschaft Marburger Bund (MB) mahnte eine auskömmliche Finanzierung an. Die jetzt geplante Krankenhausreform ist eine Rechnung mit vielen Unbekannten, sagte Susanne Johna, 1. Vorsitzende des Marburger Bundes. Sie mahnte zudem eine belastbare Auswirkungsanalyse und Folgenabschätzung an. „Wir können uns eine Reform im Blindflug nicht leisten.“
Ein ungeordnetes Krankenhaussterben auf dem Weg zum Umbau der Krankenhauslandschaft wäre aus Sicht von Johna das Schlechteste, was passieren kann. „Das müssen Bund und Länder gemeinsam verhindern.“ Die Vorstellungen mancher Kassenfunktionäre und Gesundheitsökonomen, durch ein Wegfallen von 400 oder 600 Krankenhäusern könne die Versorgung ohne Qualitätsverluste aufrechterhalten werden, seien „völlig irreal und hätten dramatische Folgen für die Versorgung der Patienten“.
Johna betonte zudem, die Reform stehe und falle mit den zur Verfügung gestellten Finanzmitteln für den Transformationsprozess. „Es steht für uns außer Frage, dass eine solche Transformation ohne erhebliche Investitionen nicht gelingen kann“, sagte sie.
Schon die Zusammenlegung von Abteilungen sei nicht zum Nulltarif zu haben, wenn Umbauten nötig würden und Personal eingestellt werden müsse. Das gelte „erst recht für Fusionen.“ Selbst die Abwicklung eines Krankenhausstandortes setze eine Finanzierung voraus.
„Weltfremd und auch wirklich ärgerlich ist die Vorstellung, man könne im größeren Umfang Ärztinnen und Ärzte an Häusern weiterbilden, die ein extrem eingeschränktes Leistungsspektrum haben“, erläuterte sie weiter. Das stehe im Widerspruch zu einer qualitativ hochwertigen Weiterbildung und untergrabe die Arbeit der Ärztekammern und ihrer Mitglieder, die in freier Selbstbestimmung über Umfang und Dauer einzelner Weiterbildungsabschnitte entscheiden würden.
„Einige gute Ansätze sind erkennbar, allerdings sind viele Details noch unklar, um eine abschließende Bewertung vornehmen zu können“, urteilte Andreas Gassen, Vorstandsvorsitzender der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV).
Kritisch sieht er die Aussage, nach der die Kliniken der niedrigsten Versorgungsstufe (Level-Ii-Krankenhäuser) die zentrale Rolle für die ärztliche Weiterbildung spielen sollen. „Das lehnen wir klar ab: Die ärztliche Weiterbildung ist zu wertvoll, um sie auf einem solch niederschwelligen Altar zu opfern“, erklärte Gassen.
„Die Level-Ii-Häuser nehmen in den Eckpunkten einen breiten Raum ein“, sagte der stellvertretende Vorstandsvorsitzende Stephan Hofmeister. Sie sollen neben der allgemeinmedizinischen Versorgung noch viele weitere Leistungen erbringen können. „Wer soll das alles leisten? Die spannende Frage wird sein, ob man genügend Personal wird gewinnen können.“ Mitwirken könnten natürlich niedergelassene Hausärzte und Fachärzte, die diese Arbeit neben ihrer Praxistätigkeit leisten müssten. Da seien die Rahmenbedingungen entscheidend.
Sibylle Steiner, Mitglied des Vorstands, erläuterte: „Es ist grundsätzlich richtig, dass der Bund Transparenz bei der Qualität der jeweiligen Krankenhäuser schaffen will. Auch für dieses Vorhaben sind aber Konkretisierungen notwendig.“
Kliniken enttäuscht
Gerald Gaß, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG), nanne das Ergebnis „in seinen konkreten Auswirkungen enttäuschend“. Aus der großen Krankenhausreform, die vollmundig als Revolution angekündigt worden sei, sei ein „Eckpunktepapier voller Absichtserklärungen und Prüfaufträgen“ geworden.
„Der Bundesgesundheitsminister selbst konstatiert, dass es in den kommenden Monaten und Jahren zu vielen Krankenhausinsolvenzen kommen wird. Das wird aber lapidar hingenommen“, so Gaß. Er monierte, um die inflationsbedingten Mehraufwände auszugleichen, sehe das Eckpunktepapier nur einen Prüfauftrag für den Bund vor, ob noch Gelder vorhanden sein könnten.
Die Länder hätten sich „noch nicht einmal zu einer verbindlichen Selbstverpflichtung zur Aufstockung ihrer Investitionsmittel“ auf das erforderliche Niveau bereit erklärt. Damit negieren auch die Länder ihren Anteil an der derzeitig miserablen Lage der Krankenhäuser, sagte Gaß.
Aus seiner Sicht sezte die Politik ihre Hoffnung einzig und allein auf die Vorhaltepauschalen. Dabei sei klar, dass die Finanzreform erst 2027 wirksam werden könne. „Bis dahin bleiben die Krankenhäuser mit ihren Problemen alleine. Die Insolvenzwelle rollt und die Versorgung wird sich verschlechtern“, erklärte der DKG-Chef.
Lauterbach hatte mehrfach klargestellt, dass der Bund angesichts der schwierigen Haushaltslage keine Zusagen für weitere Mittel machen könne, die die Kliniken vom Bund erhalten könnten. Er sprach davon, dass die Reform nicht verhindern könne, dass in den kommenden Monaten Krankenhäuser in die Insolvenz gehen würden.
Die Geschäftsführerin des Katholischen Krankenhausverbands Deutschland, Bernadette Rümmelin, sagte dazu, der „selbsterklärte Revolutionär Karl Lauterbach“ habe sich in vielen Punkten den Realitäten beugen müssen. Das sei auch dringend nötig gewesen. Die Sorge bleibe, dass in den nächsten Monaten „wahllos auch solche Kliniken in die Insolvenz rutschen, die für eine hochwertige Versorgung wichtig sind“.
Rümmelin forderte den Bund auf, den Krankenhäusern angesichts von Inflationskosten und Tarifsteigerungen unter die Arme zu greifen: „Tut er das nicht, sind insbesondere freigemeinnützige Krankenhäuser gefährdet.“ Denn im Gegensatz zu öffentlichen Kliniken werde ihr Defizit nicht von den Kommunen aufgefangen.
Christoph Radbruch, Vorsitzender des Deutschen Evangelischen Krankenhausverbandes, sieht das Risiko, dass durch die Reform Krankenhäuser bei den vorgesehenen Kriterien zur Verteilung der Vorhaltekosten benachteiligt behandelt werden. „Dadurch können einige Krankenhäuser übervorteilt werden“, sagte er.
Damit könne einer nicht sachgerechten Verteilung der Finanzmittel Vorschub geleistet werden. Bei der detaillierten Ausarbeitung der Vorhaltekostenfinanzierung sei es notwendig, ein System einzuführen, das nachprüfbaren und sachgerechten Verteilungskriterien folgt. „Nur so ist eine Übervorteilung einzelner Kliniken zu verhindern.“
Enttäuschend ist für Radbruch, dass die Eckpunkte noch eine Vielzahl an Prüfaufträgen enthalten. So seien keine wirtschaftlichen Soforthilfen für Krankenhäuser, keine Anpassung der Landesbasisfallwerte zur Kompensation der Kostensteigerungen, keine Steigerung der Vorhaltekosten außerhalb der Veränderungsrate und keine Abbildung der Tarifabschlüsse in den Vorhaltekosten enthalten.
Eine Planungssicherheit, die die Krankenhäuser im Hinblick auf die Fortführungsprognosen und die Aufstellung der Wirtschaftspläne 2024 jetzt benötigen, bleibe damit aus. „Die Krankenhäuser werden damit im Regen stehen gelassen.“
Die deutschen Universitätsklinika begrüßen den positiven Abschluss der Beratungen. „Wichtig ist jetzt, dass die Eckpunkte auch konsequent gesetzlich verankert und umgesetzt werden, damit Versorgungsangebote auf personell und technisch adäquat ausgestattete Kliniken konzentriert werden“, sagte Jens Scholz, 1. Vorsitzender des Verbands der Universitätsklinika Deutschlands (VUD).
„Die Einführung von bundeseinheitlichen Leistungsgruppen wird die Versorgungsaufträge der einzelnen Häuser deutlich schärfen und die Krankenhausstrukturen bundesweit vergleichbarer machen“, erklärte Jens Bussmann, Generalsekretär des VUD. Dieses neue Planungsinstrument müsse regelmäßig evaluiert und weiterentwickelt werden.
Positive Stimmen aus den Ampelfraktionen
Nach harten, aber auch konstruktiven Verhandlungen stehe ein „gutes Ergebnis“, sagte die stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende Dagmar Schmidt. Es werde die Qualität der Krankenhausbehandlung deutlich verbessert und eine flächendeckende Versorgung gesichert.
Christos Pantazis, stellvertretender gesundheitspolitischer Sprecher der SPD im Bundestag, betonte, mit der Verständigung sei der „Weg frei für die tiefgreifendste Struktur- und Finanzreform in der Krankenhausversorgung der letzten 20 Jahre“.
Fast allen Beteiligten sei die Bedeutung und Notwendigkeit dieser Krankenhausreform bewusst, schließlich sei die Situation der Krankenhauslandschaft prekär. „In Anbetracht dieser schwierigen Lage war fast allen Beteiligten klar, welche Konsequenzen ein Scheitern der Verhandlungen hätte. Daher einte fast alle der Wille, die Verhandlungen zum Erfolg zu führen“, sagte er.
„Leider haben wohl nicht alle Länder den Ernst der Lage und die Notwendigkeit eines Kompromisses verinnerlicht“, betonte Pantazis. So habe sich „Bayern seit jeher quergestellt und aus wahlkampftaktischen Erwägungen unverantwortlich gehandelt“. Er finde ich es auch sehr schade, dass sich Schleswig-Holstein bei der Abstimmung enthalten habe. „Aber auch ohne diese beiden Länder wird die Reform eine Mehrheit im Bundesrat erhalten“, sagte er.
Der Grünen-Gesundheitsexperte Armin Grau erklärte, mit der Einigung sei „ein wichtiger Meilenstein der Krankenhausreform geschafft“. Es gebe „ein gemeinsames Grundverständnis der Reformziele“ für die nun notwendige Ausarbeitung des Gesetzes. Der Zeitplan, dieses schon zum 1. Januar 2024 in Kraft zu setzen, sei dabei „sehr ambitioniert“.
„Geschafft, die Einigung von Bund & Ländern auf Eckpunkte zur Krankenhausreform steht“, twitterte Janosch Dahmen, gesundheitspolitischer Sprecher der Grünen im Bundestag. „Die Situation der Kliniken duldet keine Sommerpause. Patienten & Personal leiden inzwischen gleichermaßen. Das ändern wir jetzt mit der Ausbuchstabierung eines guten Gesetz.“ „Die Reform wird Kliniken retten und die richtige Versorgung zur richtigen Zeit am richtigen Ort sicherstellen. Aus Konkurrenz wird Kooperation unter den Kliniken“, so Dahmen.
„Künftig ist Qualität statt Quantität die Devise“, sagte Christine Aschenberg-Dugnus (FDP). Der FDP-Gesundheitspolitiker Lars Lindemann unterstützte auch Pläne von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD), Qualitätsdaten für Krankenhäuser zu veröffentlichen. „Wir brauchen eine große Offenheit darüber, was bestimmte Strukturen im Krankenhaussektor zu leisten in der Lage sind“, sagte er der Ärzte Zeitung. Krankenhäuser, die bestimmte Leistungen nicht zu einem bestimmten Qualitätsniveau erbringen könnten, müssten im Zweifel damit aufhören und ausscheiden. „Das ist schmerzhaft, aber es ist so.“
Stefanie Stoff-Ahnis, Vorstand beim GKV-Spitzenverband, sprach von einem „Erfolg, dass auf Basis von Leistungsgruppen künftig bundeseinheitliche Qualitätsanforderungen gelten werden“. Wichtig sei, dass die bestehenden Vorgaben zur Versorgungsqualität nicht aufgeweicht würden.
„Im Rahmen des weiteren Gesetzgebungsverfahrens kommt es jetzt darauf an, die vorgelegten Eckpunkte zu konkretisieren. Dabei sind noch eine Reihe Fragen zu klären, etwa zur Ausgestaltung der sogenannten Level-1i-Häuser“, sagte sie.
Unklar bleibe letztlich die Finanzwirkung der Eckpunkte. Der Bund habe keine konkreten finanziellen Zusagen gemacht und die Länder verpflichteten sich weiterhin nicht, die Investitionskosten zu finanzieren. „Dies darf nicht zu Lasten der Beitragszahlenden gehen.“
„Angesichts des zunehmenden Fachkräftemangels und der offensichtlichen Qualitätsprobleme brauchen wir diese Reform“, erklärte die Vorstandsvorsitzende des AOK-Bundesverbandes, Carola Reimann. Wichtig sei aber, dass sie auch tatsächlich eine qualitätsorientierte Konzentration der Krankenhausleistungen bringe.
„Hier kommt es nun darauf an, wie das Gesetz im weiteren Prozess konkret ausgestaltet wird. Am Ende muss eine Reform stehen, die die stationäre Versorgung tatsächlich voranbringen wird“, sagte sie. Es bestehe die Gefahr, dass zu viele Abstriche in Sachen Qualität gemacht würden.
Die Einführung der Leistungsgruppen ist für uns das zentrale Element der Reform. Sie sollten allerdings auf der Bundesebene vorgegeben werden – ohne faule Kompromisse auf Kosten von Qualität und Patientensicherheit.
„Die Einführung von einheitlichen Leistungsgruppen auf Grundlage bundeseinheitlicher Qualitätsstandards eröffnet die Chance, die Krankenhausversorgung zukünftig stärker nach Qualitätskriterien zu strukturieren. Das darf aber nicht durch weitreichende Ausnahmeregelungen für die Länder verwässert werden“, erklärte auch Jörg Meyers-Middendorf, Vertreter des Vorstandes des Verbandes der Ersatzkassen (vdek).
Er bezeichnete es als „gut“, dass der Bund mit einem eigenen Gesetz für mehr Informationen und Aufklärung über die Qualität der erbrachten Leistungen sorgen wolle. Das könne die Transparenz „deutlich erhöhen“.
Leider sei im finalen Eckpunktepapier das Versprechen für eine erlösneutrale Umsetzung der Reform zuletzt nicht durchgehalten worden, monierte Franz Knieps, Vorstandsvorsitzender des BKK Dachverbandes. Stattdessen griffen Bund und Länder jetzt mit Zuschlägen für einzelne Leistungsgruppen und einem höheren Sicherstellungszuschlag nach weiteren GKV-Finanzmitteln.
„Zuerst müssen die Krankenhausstrukturen reformiert werden, bevor zusätzliches Geld ins System fließt und nicht zukunftsfähige Strukturen mitfinanziert werden. Die Reform wird die benötigten Mittel und das Personal freisetzen, die die bedarfsnotwendigen Strukturen der Kliniken sichern. Diese Entwicklung sollte zuerst abgewartet werden, bevor weitere Beitragsmittel aufgewendet werden“, forderte Knieps.
Für den stellvertretenden PKV-Verbandsdirektor und Leiter des Geschäftsbereichs Leistung, Joachim Patt, haben die Eckpunkte „einen schwerwiegenden Konstruktionsfehler“. Kosteneffizienz und Qualitätsorientierung blieben auf der Strecke, wenn Krankenhäuser künftig eine Vorhaltevergütung ohne jeglichen Bezug zu ihren erbrachten Leistungen erhalten.
„Eine Vorhaltefinanzierung sollte nur dort gezahlt werden, wo sie unabdingbar notwendige Leistungsbereiche sichert, die sich nicht aus dem regulären Betrieb finanzieren können“, sagte er. Die von Minister Lauterbach proklamierte „Entökonomisierung“ dürfe nicht dazu führen, unwirtschaftliche und nicht bedarfsnotwendige Strukturen zu erhalten.
Ulrike Geppert-Orthofer, Präsidentin des Deutschen Hebammenverbands, erklärte, es sei „mehr als enttäuschend, worauf sich die Verhandler in Hinblick auf die Versorgung von Mutter und Kind“ geeinigt hätten. „Mit dem gut gemeinten Sicherstellungszuschlag allein ist es leider nicht getan. Ohne eine Leistungsgruppe für die physiologische, hebammengeleitete Geburt kann eine echte Reform der klinischen Geburtshilfe nicht funktionieren“, sagte sie.
Der Deutsche Berufsverband für Pflegeberufe (DBfK), der Bundesverband Pflegemanagement und der Verband der Schwesternschaften vom Deutschen Roten Kreuz übten scharfe Kritik daran, dass der Stellenwert der professionellen Pflege in den Eckpunkten „ignoriert wird“. Ohne professionelle Pflege und ohne eine Ausweitung des pflegerischen Verantwortungsbereichs werde eine Krankenhausreform nicht gelingen.
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