Politik

Bund und Länder verständigen sich auf Eckpunkte für Krankenhausreform

  • Montag, 10. Juli 2023
Bund und Länder haben sich heute auf Eckpunkte für eine Krankenhausreform verständigt: Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD, 2.v.l.), und die Gesundheitsminister der Länder Karl-Josef Laumann (CDU, Nordrhein-Westfalen), Melanie Schlotzhauer (Hamburg, SPD), Manfred Lucha (Grüne, Baden-Württemberg) /picture alliance, Jörg Carstensen
Bund und Länder haben sich heute auf Eckpunkte für eine Krankenhausreform verständigt: Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD, 2.v.l.), und die Gesundheitsminister der Länder Karl-Josef Laumann (CDU, Nordrhein-Westfalen), Melanie Schlotzhauer (Hamburg, SPD), Manfred Lucha (Grüne, Baden-Württemberg) /picture alliance, Jörg Carstensen

Berlin – Im Ringen um eine Krankenhausreform haben Bund und Länder heute eine grundsätzliche Verständi­gung auf Eckpunkte erzielt. Über den Sommer soll auf Grundlage der vereinbarten Punkte ein Gesetzentwurf erarbeitet und ins parlamentarische Verfahren eingebracht werden.

In ein eigenes Gesetz soll die sogenannte Transparenzoffensive ausgelagert werden – an den diesbezügli­chen Plänen des Bundesgesundheitsministeriums (BMG) hatten die Länder bis zuletzt viel Kritik geübt.

Von einer „Revolution“ sprach heute Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD). Mit dem Umbau des Systems der diagnosebezogenen Fallpauschalen (DRG) und der Einführung von Vorhaltepauschalen nehme man ökonomischen Druck von den Krankenhäusern. Die dazu konsentierten „sehr detaillierten“ Eckpunkte stimmten ihn „zufrieden“.

Ähnlich äußerte sich Melanie Schlotzhauer (SPD), Senatorin für Gesundheit in Hamburg, im Rahmen der den heutigen Verhandlungen nachgelagerten gemeinsamen Pressekonferenz. Es sei sowohl die Handschrift der Länder wie auch die des Bundes erkennbar – insofern seien die Eckpunkte „ausgewogen, aber kein fauler Kompromiss“.

Die vorgesehenen Neuregelungen würden zu mehr Spezialisierung und Qualität führen und zugleich die Planungshoheit der Länder wahren. Der baden-württembergische Minister für Gesundheit Manne Lucha (Grüne) betonte einschränkend, es sei „noch einiges zu besprechen“.

Bezüglich eines von Krankenhausverbänden immer wieder geforderten Vorschaltgesetzes zur Bereitstellung zusätzlicher finanzieller Mittel bis zum Greifen der Krankenhausreform bleibt es bei der Position des BMG, dass eine Zusage von entsprechenden Geldern angesichts der Haushaltslage des Bundes nicht möglich ist. „Es wird zu Schließungen kommen“, sagte Lauterbach. Einige Krankenhausinsolvenzen seien „nicht mehr abwend­bar“ – über die Zahl der betroffenen Häuser wolle er nicht spekulieren.

Eine mögliche Sollbruchstelle für den weiteren Prozess der Krankenhausreform droht offenbar allerdings nicht. Im – gegen die Stimme Bayerns und bei Enthaltung Schleswig-Holsteins – geeinten Bund-Länder-Papier heißt es dazu, der Bund werde gesetzliche Anpassungen prüfen, um die schnellere Auszahlung des Pflegebudgets zielgerichtet sicherzustellen. Zudem solle geprüft werden, ob „weitere Maßnahmen zur Liquiditätssicherung auch in Bezug auf Tarif- und Inflationsentwicklung der Krankenhäuser außerhalb des Bundeshaushalts notwendig“ seien.

Ausdrücklich vorgesehen ist eine ergänzende Finanzierung von strukturverbessernden Maßnahmen, die sich unmittelbar aus der Umsetzung dieser Krankenhausreform ergeben. Hierfür soll mit Inkrafttreten der Reform­stufen eine Verlängerung und Ergänzung des Krankenhausstrukturfonds aus Mitteln von Bund und Ländern erfolgen. „Höhe und Ausgestaltung“ seien aber noch nicht vereinbart, sagte Lauterbach.

Vorhaltekosten sollen abgebildet werden

Bezüglich der Vorhaltevergütung sagt der Bund zu, eine Abschätzung zu den Folgen der Finanzreform darzu­stellen – „sobald dies möglich ist“. Den Ländern sollen geeignete Auswirkungsanalysen und Modellrechnun­gen zur Verfügung gestellt werden, die konkrete, nachvollziehbare Zahlen sowie einen Ländervergleich zum Vorhaltevolumen enthalten.

Grundsätzlich bleibt es dabei, dass durch die Einführung der Vorhaltefinanzierung zwar eine neue Verteilung des bestehenden Erlösvolumens erfolgt, sich das Erlösvolumen insgesamt aber aufgrund der Absenkung der DRG nicht erhöht.

Ausnahmen sollen für den zusätzlichen Zuschlag zur Erbringung koordinierender und vernetzender Aufgaben durch Universitätskliniken oder andere hierzu geeignete Versorger sowie die zusätzlichen Zuschläge in den Bereichen Pädiatrie, Geburtshilfe, Notfallversorgung sowie Stroke Unit, Spezielle Traumatologie und Intensiv­medizin gelten.

Hierfür sollen seitens der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) zusätzliche Mittel bereitgestellt werden. Der bisherige Sicherstellungszuschlag und auch der Fixkostendegressionsabschlag sollen perspektivisch in der Vorhaltevergütung integriert werden. Um die Krankenhäuser von möglichst viel unnötiger Bürokratielast zu befreien, sollen zudem „möglichst alle Zu- und Abschläge“ in die Mindestvorgaben der Leistungsgruppen integriert werden.

Die Absenkung der DRG soll perspektivisch auf Grundlage sachgerecht kalkulierter tatsächlicher Vorhalte­kos­tenanteile der jeweiligen Fallpauschalen erfolgen. Die Verantwortung sollen die Selbstverwaltungsparteien auf Bundesebene tragen.

Da dies jedoch eine bereits erfolgte Ausdifferenzierung der Leistungsgruppen sowie der relevanten Qualitäts­kriterien voraussetzt, sollen die Vorhalteanteile übergangsweise normativ ermittelt werden. Die Absenkung der Fallpauschalen würde dann, so die Planungen, pauschal um einen einheitlichen Vorhalteanteil in Höhe von durchschnittlich 60 Prozent der DRG-Vergütung erfolgen.

Ausnahmen von Qualitätskriterien der Leistungsgruppen möglich

Voraussetzung für die Verknüpfung der Vorhaltefinanzierung mit den Leistungsgruppen ist eine eindeutige Zuordnung aller Fälle zu Leistungsgruppen.

Im Eckpunktepapier heißt es dazu: „Frühestens ab dem Jahr 2024 weisen die Länder den Krankenhäusern Leistungsgruppen als Grundlage für die Vorhaltefinanzierung zu, die sich zunächst neben den fünf ergänzen­den, fachlich gebotenen Leistungsgruppen der Infektiologie, Notfallmedizin, spezielle Traumatologie, spezi­elle Kinder- und Jugendmedizin und der speziellen Kinder- und Jugendchirurgie an dem NRW-Modell orien­tieren.“ Bis „spätestens Ende 2025“ sollen dann alle Länder, die entsprechenden landesgesetzlichen Anpassun­gen vorgenommen haben.

Betont wird, dass Bund und Länder gemeinsam die Weiterentwicklung der Leistungsgruppen mit Qualitäts­kriterien erarbeiten und verantworten, die durch eine zustimmungsbedürftige Rechtsverordnung festgelegt werden sollen. Dazu ist ein mehrstufiges Verfahren vorgesehen. Die erste Stufe umfasst, mit „Recht auf Ergänzungen und Streichung“, Bund und Länder.

Die wissenschaftliche Vorarbeit soll nach Beauftragung von Bund und Ländern in einer zweiten Stufe durch die Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF), das Institut für das Entgeltsystem im Krankenhaus (InEK) und das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) erfolgen.

Auf dieser medizinisch wissenschaftlichen Grundlage würde dann in einer dritten Stufe ein gesetzlich festge­schriebener Krankenhaus-Leistungsgruppen-Ausschuss mit der Ausdifferenzierung und Weiterentwicklung der Leistungsgruppen beauftragt – hier wären dann unter auch Bundesärztekammer (BÄK), Deutsche Kranken­hausgesellschaft (DKG) sowie GKV-Spitzenverband vertreten. Die vierte Stufe umfasst dann die Rechtsverord­nung des BMG mit Zustimmung des Bundesrates.

Grundsätzlich sollen die Krankenhäuser nur dann einen Anspruch auf das leistungsgruppenbezogene Vorhal­tebudget haben, wenn ihm vom Land die entsprechende Leistungsgruppe zugewiesen wurde und die Quali­tätskriterien der Leistungsgruppe erfüllt sind. Allerdings sollen den Ländern Ausnahmetatbestände einge­räumt werden.

Wie Lauterbach betonte, werde man aber bestimmte Leistungsbereiche für diese Ausnahmen sperren – er nannte beispielhaft die Onkologie. Anders als bislang vom BMG vorgesehen, soll nun keine harte Befristung für die Ausnahmen greifen: Die Gewährung einer wiederholten Ausnahme durch die Länder soll „in begründe­ten Einzelfällen“ möglich sein.

Level Ii-Krankenhäuser weiterhin als Aus- und Weiterbildungsstandorte vorgesehen

Bezüglich der Level-Ii-Krankenhäuser, die den Plänen zufolge sektorenübergreifende und integrierte Gesund­heitsversorgung leisten sollen, wird klar gestellt, dass auch diese in die Krankenhausplanungskompetenz der Länder fallen.

Zwar heißt es weiterhin, dass diese Standorte wesentlicher Bestandteil in der ärztlichen und pflegerischen Aus- und Weiterbildung sein sollen – dies allerdings „im Verbund mit anderen Kliniken“. Sollte wie geplant umgesetzt werdem, ergeben sich daraus auch Folgen für die ärztlichen Weiterbildungsordnungen.

Im Eckpunktepapier heißt es dazu, es sei von „zentraler Bedeutung“, dass die Weiterbildungsordnungen den sektorenübergreifenden Ansatz übernehmen und die Anrechnung der Tätigkeit in dieser sektorübergreifenden Gesundheitsversorgung „uneingeschränkt“ auf die notwendigen Weiterbildungszeiten angerechnet werden.

Bei seinem Vorhaben, den Bürgern Daten zur Qualität der Krankenhäuser zur Verfügung zu stellen, bleibt Bundesgesundheitsminister Lauterbach. Dies werde der Bund nun „alleine“ umsetzen – ein entsprechendes Gesetz solle bereits im Oktober in Kraft treten. Der SPD-Politiker betonte aber ausdrücklich, die Krankenhaus­reform stelle eine gemeinsame „Qualitätsoffensive“ von Bund und Ländern dar.

aha

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