Politik

Lauterbach: Schnelles Ende der Coronaschutz­maßnahmen nicht sinnvoll

  • Mittwoch, 28. Dezember 2022
/picture alliance, pressefoto_korb, Micha Korb
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Berlin – In der Debatte über die Zukunft der Corona-Eindämmungsmaßnahmen warnt Bundesgesundheits­minister Karl Lauterbach (SPD) vor vorschnellen Entscheidungen. „Jetzt überstürzt alle Maßnahmen fallen zu lassen, würde aus meiner Sicht wenig Sinn machen“, sagte er gestern Abend im „heute journal“ des ZDF.

Deutschland sei „in einer üblen Situation, die Krankenhäuser sind total voll, das Personal ist überlastet“, so Lauterbach. Zudem würden weiter täglich 100 bis 150 Menschen mit oder an COVID-19 sterben. „Somit ist eine sehr schnelle Öffnung hier nicht wirklich sinnvoll.“

Ausgelöst worden war die Diskussion durch ein Interview des Berliner Virologen Christian Drosten. Er hatte dem Tagesspiegel gesagt, nach seiner Einschätzung gehe die Coronapandemie in eine endemische Lage über. Ähnlich äußerte sich der Intensivmediziner Christian Karagiannidis im Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND).

„Es ist richtig, dass wir jetzt in einen endemischen Zustand übergehen“, sagte dazu Lauterbach. „Das heißt, die Wellen, die jetzt kommen, die erfassen nicht mehr die gesamte Bevölkerung, sondern nur die Teile der Bevölkerung, die nicht ausreichend geimpft sind, oder Menschen, die Vorschäden haben.“

Zugleich betonte der Minister: „Würden wir jetzt alles sofort fallen lassen, dann würde natürlich die Belastung zunehmen in einer Art und Weise, wie es nicht gut vertretbar wäre.“

Die derzeit geltenden Corona-Eindämmungsmaßnahmen beruhen auf der aktuellen Fassung des Infektionsschutzgesetzes, das bis zum 7. April 2023 gilt. Über die Maskenpflicht in Bussen und Bahnen des Nahverkehrs entscheiden die Länder selbst. Für Fernzüge und Fernbusse bundesweit ist eine FFP2-Maskenpflicht festgeschrieben.

Lauterbach zeigte sich grundsätzlich offen dafür, vor dieser Frist Maßnahmen zu beenden: „Ob wir bis April daran festhalten, das werden wir sehen“, sagte er. Die Politik werde sich bewegen. „Richtig ist: Wir können nach dem Winter mit einer deutlich entspannteren Situation rechnen.“ Er sei „froh, dass die Lage sich so entwickelt“.

Er frage sich allerdings, „ob es jetzt wirklich auf ein paar Wochen ankommt, wo wir jetzt in einer so kritischen Situation sind", fügte Lauterbach hinzu. „Ob wir nicht warten wollen, bis wir diese jetzt laufende Winterwelle hinter uns haben. Da kommt es doch jetzt nach drei Jahren Pandemie noch auf ein paar Wochen nicht an, wenn wir jetzt in einer ganz besonders schwierigen Situation sind.“

DKG will an Coronamaßnahmen bis Februar festhalten

Die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) plädiert dafür, die bestehenden Coronaschutzmaßnahmen noch bis Ende Februar aufrechtzuerhalten. Bis dahin sollte man noch Geduld haben, sagte der Vorstandsvorsitzende Gerald Gaß hute dem Sender Welt.

„Ich kann nachvollziehen, dass der Minister in dieser Gesamtlage davor warnt, jetzt einfach alles aufzugeben von heute auf morgen“. Es gebe gute Gründe, weiterhin vorsichtig zu sein.

„Deswegen ist unser Appell an die Bevölkerung, die Schutzmaßnahmen mitzutragen auf jeden Fall noch bis Ende Februar, das ist unsere Prognose.“

Gaß verwies auf eine aktuell „sehr angespannte“ Lage in den Krankenhäusern, durch relativ viele Patienten mit Infektionskrankheiten bei gleichzeitig hohen Personalausfällen.

Masken schützten auch vor anderen Infektionen, sagte er. Influenza beschäftige die Kliniken momentan am meisten, noch vor Corona und dem RS-Virus bei Kindern und Jugendlichen.

Auch Deutschlands Amtsärzte und Amtsärztinnen warnen davor, die Corona-Eindämmungsmaßnahmen kurzfristig aufzuheben. „Einem vorauseilenden Einstellen aller Schutzmaßnahmen schon zum jetzigen Zeitpunkt stehe ich kritisch gegenüber“, sagte der Vorsitzende des Bundesverbands der Ärztinnen und Ärzte des Öffentlichen Gesundheitsdienstes (BVÖGD), Johannes Nießen, der Welt von heute.

„Derzeit haben wir erhöhte Fallzahlen und eine Belastung der Krankenhäuser durch Personalausfall und anderen Infektionskrankheiten.“

Die FDP macht weiter Druck, sämtliche Coronabeschränkungen aufzuheben. Der Generalsekretär der Liberalen, Bijan Djir-Sarai, forderte die Bundesländer auf, die Maskenpflicht in Bussen und Bahnen sofort abzuschaffen.

„Es gibt keine Grundlage mehr für Grundrechtseinschränkungen. Auch die Bundesländer müssen handeln und auf die veränderte Lage reagieren“, sagte Djir-Sarai der Bild von heute.

Eine Änderung des Infektionsschutzgesetzes sei daher ebenfalls ein verfassungsrechtlich notwendiger Schritt, der jetzt erfolgen müsse, forderte der FDP-Politiker in Richtung Minister Lauterbach.

Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) hatte bereits gestern ein Ende der verbliebenen Coronaschutzmaßnahmen gefordert.

FDP-Vize Wolfgang Kubicki forderte Lauterbach ebenfalls auf, das Infektionsschutzgesetz „zügig“ zu ändern. „Christian Drosten ist einer der letzten Experten, die von einem Übergang in die Endemie sprechen. Spätestens jetzt muss Karl Lauterbach einsehen, dass es keine Begründung mehr für Grundrechtseinschränkungen geben kann“, sagte der Bundestagsvizepräsident der Rheinischen Post (heute).

Länder: Maskenpflicht als Empfehlung

Bayerns Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU) forderte den Bund auf, die wegen Corona eingeführte Maskenpflicht im Fernverkehr in eine Empfehlung umzuwandeln.

Natürlich sei zum Beispiel die Empfehlung auch künftig sinnvoll, im ÖPNV freiwillig weiterhin Schutzmasken zu tragen – auch mit Blick auf andere Atemwegserkrankungen, sagte der CSU-Politiker der Augsburger Allgemeinen (heute).

Es sei an der Zeit, von einer Phase der Pflichten in eine Phase der Empfehlungen und der Eigenverantwortung überzugehen.

afp/dpa

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