Politik

Bundesrat stimmt Infektionsschutz­gesetz zu, Bund plant nach Druck noch Änderung

  • Freitag, 16. September 2022
Karl Lauterbach (re., SPD), Bundesgesundheitsminister, spricht im Bundesrat. Im Hintergrund verfolgt Bodo Ramelow (links, Die Linke), Ministerpräsident von Thüringen und Bundesratspräsident, die Rede. /picture alliance, Wolfgang Kumm
Karl Lauterbach (re., SPD), Bundesgesundheitsminister, spricht im Bundesrat. Im Hintergrund verfolgt Bodo Ramelow (links, Die Linke), Ministerpräsident von Thüringen und Bundesratspräsident, die Rede. /picture alliance, Wolfgang Kumm

Berlin – Der Bundesrat hat den Weg für das neue Infektionsschutzgesetz frei gemacht. Die Länderkammer stimmte heute für die ab dem 1. Oktober geplanten Coronamaßnahmen. Unter dem Druck der Länder ver­sprach der Bund auf den letzten Metern noch Änderungen.

Demnach soll COVID-19 wieder aus der Liste der Infektionskrankheiten aus Paragraf 34 Infektionsschutz­gesetz gestrichen werden. Darin aufgelistet sind auch andere ansteckende Erkrankungen wie Masern, Mumps, Röteln, oder Windpocken, für die besondere Regeln gelten.

Der Bund hatte COVID-19 mit dem aktualisierten, vom Bundestag verabschiedeten Gesetz dort aufnehmen wollen. Schüler hätten damit nach Ansteckung besondere Nachweise erbringen müssen und sie hätten nach einer überstandenen Coronainfektion nur mit einem bestätigten Antigentest wieder zur Schule gehen dürfen. Kritiker hatten bemängelt, dass solche Regelungen für Arbeitsplätze nicht gelten würden.

Nun hat der Bund im Bundesrat eine Protokollnotiz hinterlassen, wonach COVID-19 wieder von der Liste ge­nom­men werden soll. Das Papier liegt dem Deutschen Ärzteblatt () vor. „Die Bundesregierung wird eine Formu­lierungshilfe für eine Streichung der Coronavirus-Krankheit-2019 (COVID-19) aus der Liste des § 34 Abs. 1 IfSG vorlegen mit dem Ziel, den Bundesrat am 7.10.2022 zur abschließenden Beratung zu erreichen“, heißt es darin.

Schleswig-Holsteins Bildungsministerin Karin Prien (CDU) zufolge hätten nach dem bisherigen Entwurf Kin­der nicht in die Schule zurückdürfen, ohne in einem Testzentrum, bei einem Arzt oder in der Schule, die zu einem Testzentrum hätte gemacht werden sollen, einen Test zu machen.

„Damit hätten wir Kinder und Jugendliche mitunter wochenlang, selbst, wenn sie symptomlos gewesen wären, mit einfachen Coronainfektionen vom Unterricht ausgeschlossen“, sagte sie. Alle anderen Menschen hätten nach fünf Tagen normal wieder am Leben teilhaben können. „Es wäre erneut eine Regelung zulasten von Kin­dern und Jugendlichen und eine unvertretbare Belastung für die Fami­lien mit Kindern gewesen“, sagte Prien.

„Ich bin sehr dankbar, das sage ich auch als Präsidentin der Kultusministerkonferenz, dass aufgrund der erheb­lichen Proteste, nicht nur der Länder, sondern auch der großen medizi­nischen Fachgesellschaften die Bundesregierung sich bereit erklärt hat, eine Protokollerklärung abzugeben und diesen Irrtum zu korrigieren.“

Diese Korrektur müsse schnell kommen und dürfe keine Regelungslücke hinterlassen. Die Gesellschaften für Kinder- und Jugendmedizin (DGKJ) und für Pädiatrische Infektiologie (DGPI) sowie der Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ) sahen das wie Prien.

Prien hatte zuvor gewettert, dass auch eine weitere Regelung aus dem In­fek­tionsschutzgesetz, die aber offen­bar erhalten bleiben soll, unsinnig sei. So sei bei einem Verdacht auf Corona einen Antigentest zu Hause ver­pflichtend. Sie hatte die Frage aufgewor­fen, wie viele Selbsttests Eltern eigentlich zu Hause vorhalten soll­ten und wer diese bezahlen solle. Da blieben viele offene Fragen.

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) erläuterte zur Liste der Erkrankungen, er nehme die Ände­rungen „gerne“ vor. „Wir entfernen das, aber es war nur zum Schutz der Kinder und zum Schutze der Vermei­dung von Schulausfall gedacht“, sagte er. Das Ziel, Kinder und Jugendliche in der Pandemie zu schützen, sei von Bund und Ländern das Gleiche.

Auch der Bund habe sich über­legt, was man tun könne, um zu ver­hindern, dass viele Ausbrüche in den Schu­len stattfinden. „Das war unser Vorschlag. Wenn Sie einen eigenen Vorschlag entwickeln wollen, das ist das, was die Länder machen wollen, sind wir damit voll einver­standen“, so Lauterbach. Das sei der Wert einer solchen Beratung.

Kritik an fehlenden Schwellenwerten

Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) bemängelte heute vor der Länderkammer, es fehlten genaue Schwellenwerte, ab denen die Maßnahmen der Länder greifen sollen. Er kritisierte zudem, dass die umstrittene einrichtungsbezogene Impfpflicht mit der Neuregelung nicht abgeschafft werde – sie gilt nun­mehr weiter bis zum 31. Dezember des laufenden Jahres.

Die einrichtungsbezogene Impfpflicht trage immer mehr Unfrieden in die Einrichtungen, so der Linken-Poli­tiker. Befürchtet wird, dass sich der Personalnotstand in Heimen und Gesundheits­einrichtungen weiter ver­schärfen könnte.

Lauterbach hatte in Bezug auf die Schwellenwerte darauf verwiesen, dass es nicht sinnvoll sei, einzelne Aspekte wie die Inzidenzen in den Vordergrund zu rücken. Vielmehr habe man ein Gesamtpaket aus Daten geschnürt, um mit dem Pandemieradar die Situation insgesamt besser beurteilen zu können. Dazu gehört Lauterbach zufolge auch, dass die Krankenhäuser künftig alle notwendigen Daten liefern könnten. Er sei zuversichtlich, dass die Einrichtungen bald an das Meldesystem Demis angeschlossen seien.

Die Krankenhäuser sind da weniger optimistisch. Von der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG) hieß es prompt, die Krankenhäuser hätten „aktuell keine Möglichkeit haben, die im Gesetz vorgesehenen verpflichten­den Datenlieferungen vollständig zu erfüllen“. Es gebe bis heute keine digitalen Schnittstellen dafür. Darauf weise man seit Monaten hin.

„Wir werden nicht zulassen, dass das Bundesgesundheitsministerium mit diesem Gesetz der Öffentlichkeit suggeriert, dass ab dem 17. September 2022 alle Krankenhäuser den geforderten umfassenden Datenkranz liefern, obwohl dies teilweise weder objektiv technisch noch vom manuellen Aufwand her leistbar ist“, schreibt die DKG. Die Verantwortung für diese andauernde Misere trage der Bundesgesundheitsminister und nicht die seit über zwei Jahren mit der Pandemiebekämpfung belasteten Krankenhäuser.

Trotz Gegenwinds für die Reform ließ die Länderkammer das Gesetz heute passieren. In Deutschland gelten im Herbst und Winter damit wieder bestimmte Masken- und Testpflichten gegen Corona. Das Gesetz geht auf einen Vorschlag von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) und Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) zurück und war vergangene Woche bereits im Bundestag beschlossen worden. Nun sei das Land „gut vorbereitet“, sagte Lauterbach.

Bundesweit vorgeschrieben werden FFP2-Masken in Kliniken, Pflegeheimen und Arztpraxen. Auch in Fernzü­gen gilt weiter eine Maskenpflicht, wobei für Kinder zwischen 6 und 13 Jahren eine einfache OP-Maske reicht. In Flugzeugen fällt die Maskenpflicht weg. In Pflegeheimen und Kliniken muss außerdem vor dem Zutritt ein negativer Test vorgelegt werden.

Möglich wird eine Maskenpflicht in Nahverkehrszügen und -bussen sowie in Innenräumen wie Geschäften, Restaurants und Veranstaltungsräumen. Die Länder können dort ab 1. Oktober Maske vorschreiben, müssen dies aber nicht. Wer einen negativen Test vorzeigt, ist in der Gastronomie und bei Veranstaltungen zwingend von einer solchen Pflicht auszunehmen. An Schulen und Kitas sollen Tests vorgeschrieben werden können. Ab Klasse fünf ist eine Maskenpflicht möglich.

Wenn sich die Infektionslage verschlimmert, können die Länder mit einem Landtagsbeschluss weitere Vorga­ben machen: Maskenpflicht auch bei Draußenveranstaltungen, wenn Abstände von 1,50 Meter nicht möglich sind; Besucherobergrenzen für Innenveranstaltungen; Hygienekonzepte für Betriebe und andere Einrich­tungen.

Geplant ist eine neue bundesweite Impfkampagne. Informiert werden soll über die Impfstoffe, die an neue Virusvarianten angepasst sind. Zudem sollen Medikamente bei COVID-19-Erkrankten stärker zum Einsatz kommen. Auch soll es bessere, tagesaktuelle Daten zur Klinikbelegung geben. Heime müssen Beauftragte benennen, die sich um Impfungen, Hygiene und Therapien für Erkrankte etwa mit dem Medikament Paxlovid kümmern.

may/dpa/afp

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