Patientensicherheit: BVMed fordert EU-weiten Infektionsschutz

Berlin – Rund neun Millionen Menschen sind in der EU jährlich von behandlungsassoziierten, sogenannten nosokomialen Infektionen betroffen. Etwa ein Drittel gilt als vermeidbar, vor allem durch bessere Hygiene.
Das erklärt der zuständige Fachbereich des Bundesverbands Medizintechnologie (BVMed) in einem neuen Positionspapier, das die Experten heute zum Welttag der Patientensicherheit im Rahmen einer Diskussionsrunde vorstellten.
„Allein in Deutschland sterben jedes Jahr bis zu 20.000 Menschen an diesen Infektionen“, sagte Delia Strunz, Sprecherin des Fachbereichs Nosokomiale Infektionen (FBNI) im BVMed bei der Vorstellung des Papiers. Die häufigsten Formen seien Lungenentzündung, Harnwegs- und Wundinfektionen oder Blutvergiftung.
Aber auch Covid-19 könne eine nosokomiale Infektion sein. Das strikte Einhalten von grundsätzlichen Präventionsmaßnahmen könne die Ausbreitung verhindern – und das über Grenzen hinweg.
Der Fachbereich FBNI fordere daher, das Thema Infektionsschutz dauerhaft auf die Agenda der Europäischen Kommission zu setzen und jährlich EU-weit repräsentative Daten zu behandlungsasssoziierten Infektionen zu erheben und auszuwerten.
Die damit befassten europäischen Institutionen wie das Europäische Zentrum für die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten (ECDC) müssten dafür finanziell besser und mit mehr Kompetenzen ausgestattet werden. Ausreichende Ressourcen und gut ausgebildetes Personal seien darüber hinaus auch auf nationaler Ebene wichtig, um den Infektionsschutz effektiv zu etablieren.
Kordula Schulz-Asche, Sprecherin für Pflege- und Altenpolitik sowie Berichterstatterin für Infektionsschutz der Grünen im Bundestag, brachte in diesem Zusammenhang ein Screeningsystem nach niederländischem Vorbild ins Gespräch. Die Politikerin war als Rednerin zu der Diskussion eingeladen.
Screenings seien eine gute Möglichkeit, die Ausbreitung multiresistenter Keime und die damit verbundenen schwer behandelbaren Infektionen in Krankenhäusern besser in den Griff zu bekommen.
„So könnte man versuchen, Risikogruppen schon bei der Aufnahme von Patienten stärker zu identifizieren“, so Schulz-Asche. Auch eine Kurzquarantäne bis zum Vorliegen eines Tests sei denkbar.
Die Kommission für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention (KRINKO) am Robert Koch-Institut (RKI) empfiehlt bislang eine Untersuchung von Patienten mit bestimmten Risikofaktoren auf Methicillin-resistente Staphylococcus aureus (MRSA), hält ein routinemäßiges Screening aller Patienten oder des medizinischen Personals aber für nicht erforderlich.
Das Verhindern von nosokomialen Infektionen und resistenten Erregern liegt darüber hinaus in der Eigenverantwortung von Krankenhäusern. Die gemeinsame Selbstverwaltung der gesetzlichen Krankenversicherungen wurde im Rahmen des „Gesetzes zur Änderung des Infektionsschutzes“ dazu verpflichtet, entsprechende Qualitätskriterien für den Bereich Hygiene festzulegen, die eine Bewertung von Krankenhäusern sowie einen Vergleich zwischen den Einrichtungen erlaubt.
Insofern habe von man von Seiten des Bundesgesundheitsministeriums (BMG) bereits entsprechende Vorkehrungen getroffen, erklärte Ines Perea, als Referatsleiterin am BMG unter anderem zuständig für sexuell übertragbare Infektionen, die an der Diskussion teilnahm. „Aber leider setzen nicht alle Einrichtungen das so um, wie es gefordert ist“, so Perea.
Teilweise fehle dafür auch Personal. Auf einige Bereiche des Problems sei mit der Weiterentwicklung des Krankenhausstrukturgesetzes bereits eingegangen worden.
Aber auch für niedergelassene Ärzte berge die Einhaltung von Hygienevorgaben teils Schwierigkeiten beim Fachpersonal, betonte Katja Heinze, Ansprechpartnerin für das bundesweite Kompetenzzentrum Hygiene und Medizinprodukte der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) und der Kassenärztlichen Vereinigungen (KVen).
Zu wenige Hygienefachkräfte
Dieses sei auch gegründet worden, um Ärzte beim Thema Hygienevorgaben beraten zu können. In jeder KV seien zu diesem Zweck Berater geschult worden. Bei ambulant operierenden oder auch Dialysepraxen müssten für einige Bereiche aber trotzdem zusätzlich Krankenhaushygieniker oder vergleichbare Hygienefachkräfte hinzugezogen werden.
Dieses Fachpersonal stehe aber sehr häufig nicht zur Verfügung, da es nur vergleichsweise wenige Kräfte gebe, die zudem meist durch ihre Tätigkeit in einem Krankenhaus gebunden seien. Entsprechende Ausbildungsstätten würden vor allem auf dem Land ab- statt aufgebaut.
„Corona hat gezeigt, dass es hier einen großen Bedarf gibt, der derzeit nicht gedeckt werden kann“, so Heinze. Die Regierung solle die Gelegenheit ergreifen, um hier tätig zu werden.
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