Reform soll helfen, sexuelle Gewalt an Kindern besser zu bekämpfen

Berlin – Die Bundesregierung will die Strukturen gegen sexuelle Gewalt an Kindern und Jugendlichen gesetzlich stärken. Grund sind nicht zuletzt zu hohe Opferzahlen.
Die Daten der jährlichen Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS) zu kindlichen Gewaltopfern wiesen ein „konstant hohes Niveau aus, das nicht hingenommen werden kann“, heißt es in dem aktuellen Referentenentwurf des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSJ).
Die Fallzahlen des sexuellen Missbrauchs von Kindern und Jugendlichen sind laut PKS mit 15.520 Fällen (2021: 15.507) konstant hoch. Insgesamt weist die PKS 17.168 Betroffene aus, 73,9 Prozent davon waren weiblich. 14.891 Opfer waren zwischen sechs und 14 Jahre alt, 2.277 betroffene Kinder waren jünger als sechs Jahre.
Empirische Studien sowie Schätzungen der WHO (WHO Europa, 2013) und des Europarates geben der PKS zufolge zudem Hinweise darauf, dass das Dunkelfeld der nicht systematisch erfassten Fälle um ein Vielfaches größer ist.
Hauptbestandteil des Gesetzentwurfes aus dem BMSFJ ist die gesetzliche Verankerung der Struktur der oder des Unabhängigen Bundesbeauftragten gegen sexuellen Missbrauch von Kindern und Jugendlichen (UBSKM).
Bereits 2010 hat die Bundesregierung im Zuge des Bekanntwerdens zahlreicher Fälle sexueller Gewalt eine UBSKM – die frühere Bundesfamilienministerin Christine Bergmann – eingesetzt, deren Strukturen aber bisher nicht auf eine gesetzliche Grundlage gestellt wurden. Seit 2022 wird dieses Amt von Kerstin Claus bekleidet.
Auch eine entsprechend gesetzlich verankerte und durch Forschungsergebnisse fundierte Berichtspflicht fehlt nach wie vor. Der Gesetzentwurf sieht nun „einen wiederkehrenden Lagebericht“ zum Ausmaß sexueller Gewalt gegen Kinder und Jugendliche vor, der auch „die Identifizierung von Lücken und Bedarfen für wirkungsvolle Ansätze zur Prävention, Intervention und Hilfen sowie zur Forschung und Aufarbeitung enthält“.
Des Weiteren wird in dem Entwurf die Einrichtung eines neuen „Zentrums für Forschung zu sexueller Gewalt an Kindern und Jugendlichen“ genannt.
Um Betroffene von sexueller Gewalt in Kindheit und Jugend wirksam und verlässlich bei individuellen Aufarbeitungsprozessen zu unterstützen, wolle der Bund ein Beratungssystem bereitstellen, heißt es in dem Gesetzentwurf weiter. Die Verbindlichkeit des staatlichen Auftrags solle durch einen gesetzlichen Auftrag an die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) konkretisiert werden.
Der Entwurf beinhaltet darüber hinaus eine Erweiterung der verpflichtenden Anwendung von Schutzkonzepten – eine verbindliche Qualitätsentwicklung und -sicherung zum Gewaltschutz soll nicht mehr nur auf Einrichtungen und Familienpflege beschränkt sein, sondern sich auf alle Aufgabenbereiche der Kinder- und Jugendhilfe beziehen.
Weiter sollen Betroffene laut Gesetzentwurf ausdrücklich Zugang zu Akten beim Jugendamt bekommen, das ihnen zu ihrem Fall auch Auskunft erteilt. Zudem soll das Jugendamt durch Vereinbarungen sicherstellen, dass Betroffene auch bei Leistungserbringern Akteneinsicht und Auskünfte hierzu erhalten.
Darüber hinaus regelt der Gesetzentwurf aus dem BMFSJ, dass dauerhaft ein telefonisches Beratungsangebot im medizinischen Kinderschutz verankert wird. Davon wird im Wesentlichen die Medizinische Kinderschutzhotline (MKS) profitieren, ein bundesweites, kostenfreies und 24 Stunden erreichbares telefonisches Beratungsangebot für Angehörige der Heilberufe, Kinder- und Jugendhilfe und Familiengerichte bei Verdachtsfällen von Kindesmisshandlung, Vernachlässigung und sexuellem Kindesmissbrauch (0800-1921000).
Die MKS wird vom Universitätsklinikum Ulm, Klinik für Kinder und Jugendpsychiatrie/-psychotherapie und den DRK-Kliniken Berlin-Westend betrieben. Es besteht eine Kooperation mit dem Institut für Rechtsmedizin am Universitätsklinikum Freiburg.
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