Politik

Sachverständigenrat für umfassende Krankenhausreform und Digitalisierung

  • Freitag, 27. Oktober 2023
/ipopba, stock.adobe.com
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Berlin – Um den ansteigenden Fachkräftemangel zu bekämpfen, braucht es eine echte Restrukturierung der Krankenhauslandschaft sowie ehrgeizige Maßnahmen zur Digitalisierung der Gesundheitsversorgung. Das for­derte gestern der Sachverständigenrat Gesundheit & Pflege (SVR) nach einer Sitzung in dieser Woche.

Der SVR arbeitet zudem gerade an einem Gutachten zur Fachkräftesituation im Gesundheitswesen, kündigte der Ratsvorsitzende Michael Hallek an. Der Fachkräftemangel sei nicht mit einer zu geringen Anzahl an Ärztinnen und Ärzte sowie Pflegefachpersonen zu erklären, denn deutsche Kennzahlen bewegten sich bei vielen Heilberufen im internationalen Vergleich pro Einwohner im oberen Mittelfeld, so der Rat.

Vielmehr liege der Mangel an einer regionalen Fehlverteilung und dem nicht bedarfsgerechten Einsatz vor­handener Fachkräfte. Zudem trage „eine erschreckend beschränkte Nutzung digitaler Technologien deutlich zu den beklagten Engpässen bei“.

Deshalb sei es wichtig, die Reformvorhaben weiter voranzutreiben, die in den Augen des SVR wichtig sind, um die Überlastung und Fehlnutzung von Fachkräften abzubauen. Diese sind insbesondere die Krankenhaus­re­form sowie die Digitalisierung in Form der beiden Gesetzentwurfe zur Gesundheitsdatennutzung, das Digital­gesetz (DigiG) und das Gesundheitsdatennutzungsgesetz (GDNG).

„Wenn diese beiden Vorhaben jetzt wieder bis zur Wirkungslosigkeit geschreddert werden, werden sowohl die Fachkräfte als auch die Patientinnen und Patienten darunter leiden“, warnte Hallek.

Die Sachverständigenräte für Wirtschaft und Gesundheit hätten schon 2018 in einer gemeinsamen Stellung­nahme Strukturreformen in der Krankenhauslandschaft gefordert, ergänzte der Gesundheitsökonom und stellvertretende SVR-Vorsitzende, Jonas Schreyögg.

„Viele Vorschläge aus dem SVR-Gutachten 2018 wurden im Koalitionsvertrag und von der Krankenhauskom­mis­sion aufgegriffen. Es ist traurig, dass so gut wie alle unsere Empfehlungen fünf Jahre später immer noch aktuell sind“, bemängelte Schreyögg.

Wie in anderen Bereichen trete Deutschland auch im Gesundheitswesen auf der Stelle. „Das mindert letztlich die Qualität und Verfügbarkeit von Gesundheitsversorgung und Pflege“, sagte Schreyögg. Er forderte die Politik deshalb auf, das aktuelle Zeitfenster für eine nachhaltige Reform im Sinne der Patienten zu nutzen.

Länder in der Pflicht zur durchgreifenden Klinikreform

Die Pflegewissenschaftlerin und ebenfalls stellvertretende SVR-Vorsitzende, Melanie Messer, rief die Länder auf, ihre Verantwortung im Bereich der Krankenhausplanung wahrzunehmen.

„Die Menschen müssen besser darüber informiert werden, dass eine durchgreifende Krankenhausreform für die Qualität ihrer Versorgung mehr bringt als das Festhalten an kleinteiligen Strukturen, deren Rund-um-die-Uhr-Betrieb viele Fachkräfte bindet – oft bei schlechteren Ergebnissen“, so Messer.

Sie sprach sich für die Spezialisierung von Krankenhäusern aus, die zu einer besseren Qualität führen würde. Kleinere Krankenhäuser könnten etwa als ambulante Versorgungszentren künftig verstärkt ambulante Ein­griffe, Rehabilitationen oder eine kontinuierliche Begleitung bei chronischen Erkrankungen übernehmen und damit zu einer guten Versorgung der Bevölkerung beitragen.

„Wie in vielen anderen Ländern müssen dafür Pflegefachpersonen mit erweiterten Kompetenzen eigenver­antwortlich heilkundliche Tätigkeiten ausüben können – in der stationären wie in der ambulanten Versor­gung“, forderte Messer.

Neben der Krankenhausreform könne auch eine wirksame Digitalisierung zur Behebung des Fachkräfteman­gels beitragen, so Hallek. „So würde durch eine umfassende elektronische Patientenakte (ePA) das aufwendige Zusammensuchen der patientenspezifischen Gesundheitsdaten wie Medikation, Impfungen, Allergien, Vorer­krankungen, Labor- und Bildbefunden wegfallen.“

Es brauche zudem eine gesetzliche Basis, damit Gesundheitsdaten sowohl für gemeinwohldienliche For­schung als auch für die bedarfsgerechte Steuerung und Weiterentwicklung des Gesundheitssystems zugäng­lich seien, forderte der SVR. Diese Zugänge müssten streng geschützt werden, würden aber erheblichen Nutzen bringen.

Der SVR ist ein seit 1985 gesetzlich verankertes Gremium wissenschaftlicher Politikberatung im deutschen Gesundheitswesen. Der interdisziplinär besetzte Rat erstellt Gutachten mit Analysen und Reformvorschlägen. Er besteht aus sieben Mitgliedern, die für vier Jahre vom Bundesgesundheitsminister für Gesundheit berufen werden.

cmk/EB

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