Scharfe Kritik am Gesetz zur Reform der Notfallversorgung

Berlin – Der Referentenentwurf für ein Gesetz zur Reform der Notfallversorgung (NotfallGesetz) erfährt von ärztlicher Seite viel Kritik. Das Vorhaben konterkariere die Bemühungen, das Gesundheitssystem effizienter zu machen, indem es in Klinik und Niederlassung überflüssige Doppelstrukturen schaffe und dabei ausblende, dass der bestehende Ärztemangel immer weniger Handlungsspielräume lasse, warnte etwa der Vorsitzende des Hartmannbundes, Klaus Reinhardt.
„Gerade noch hat der Gesundheitsminister das Gesundheitsversorgungsstärkungsgesetz (GVSG) als Instrument gerühmt, mit dem man die Attraktivität – vor allem der hausärztlichen Tätigkeit – in der ambulanten Versorgung massiv steigern wird. Den KVen nun an sieben Tagen in der Woche für 24 Stunden sowohl eine telemedizinische als auch eine aufsuchende notdienstliche Versorgung ins Pflichtenheft zu schreiben oder etwa die Beteiligung der Niedergelassenen an sogenannten Kooperationspraxen in den Raum zu stellen, ist definitiv keine Einladung zur Niederlassung“, betonte Reinhardt.
Es sei das Gebot der Stunde, die vorhandenen, immer knapper werdenden Kapazitäten sinnvoll aufeinander abzustimmen. Hierzu bedürfe es einer intelligenten Patientensteuerung, die gewährleistet, dass die Menschen auch bei begrenzten Ressourcen in Notfällen die zum jeweiligen Zeitpunkt bestmögliche medizinische Versorgung am geeigneten Ort erhalten, so Reinhardt. Dies sei man nicht nur den Patientinnen und Patienten schuldig, sondern auch den Ärztinnen und Ärzten, die in Praxis und Klinik „bereits seit langer Zeit an der Belastungsgrenze“ arbeiten.
Der Hartmannbund-Vorsitzende hofft nun auf die Abgeordneten des Deutschen Bundestages. Diese gelte es nun davon zu überzeugen, dass entsprechende Kurskorrekturen am Gesetz noch vorzunehmen sind.
Der Vorstand der Kassenärztlichen Vereinigung Niedersachsen (KVN) übte ebenfalls scharfe Kritik am Referentenentwurf. Der KVN-Vorstandsvorsitzende Mark Barjenbruch nannte den Entwurf „einen untauglichen Reform-Vorschlag zum Nachteil der niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte sowie der Kassenärztlichen Vereinigungen.“ Grundsätzlich befürworte die KVN eine Neuordnung der Notfall- und Akutversorgung – aber nicht in dieser Form.
Thorsten Schmidt, stellvertretender KVN-Vorstandsvorsitzender, erteilte Planungen zu einem aufsuchenden Bereitschaftsdienst und telemedizinischen Angeboten an sieben Tagen die Woche und 24 Stunden am Tag eine klare Absage. „Das wird die reguläre ambulante Basisversorgung durch Ärztinnen und Ärzte ausdünnen und ist personell nicht leistbar.“ Selbst wenn nichtärztliche Assistenzberufe in die Notfallversorgung eingebunden werden, könne eine parallele Rundumversorgung zum bestehenden ambulanten und stationären System nicht etabliert werden. Dazu fehlten einfach die personellen Ressourcen.
Keine Regelungen zulasten der Vertragsärzte
Kritisch sieht die KVN auch die geplante Einrichtung einer Akutstelle, welche teilweise die bundesweit bekannte Terminservicestelle unter der Rufnummer 116117 der KVen ablösen und mit den Rettungsleitstellen vernetzt werden soll. „Eine enge Kooperation des kassenärztlichen Bereitschaftsdienstes mit den Rettungsdiensten im Land ist sinnvoll. Sie darf aber nicht allein auf eine Entlastung der Rettungsdienste und der stationären Strukturen in den Krankenhäusern abzielen und damit zu Lasten der Kassenärztinnen und Kassenärzte gehen“, warnte Schmidt.
Eine ausschließliche Steuerung der Bürgerinnen und Bürger über integrierte Leitstellen sei realitätsfremd. „Patienten gehen direkt in die Notfallambulanzen der Krankenhäuser und rufen nicht vorher die Leitstellen an, um sich in eine Versorgungsebene steuern zu lassen“, so Schmidt.
Der Referentenentwurf versuche grundsätzlich bis ins kleinste Detail die Notfallversorgung zu regulieren, bis hin zu Inhalten der Kooperationsvereinbarungen. „Das riecht nach Staatsmedizin, die von den KVen administriert werden muss“, so Barjenbruchs Fazit.
Zwar sehe der Gesetzentwurf höhere Anforderungen an die Erreichbarkeit der 116117 vor, so der Vorstandsvorsitzende des Zentralinstituts für die kassenärztliche Versorgung (Zi) Dominik von Stillfried, die gesetzlichen Krankenkassen sollen aber nur 50 Prozent der Overhead-Kosten für das verbesserte Angebot tragen.
Der Gesetzgeber würde somit „großzügig Mehrleistungen für die Versichertengemeinschaft bestellen, aber nur die Hälfte bezahlen lassen“ – denn die übrigen Aufwendungen müssten aus Beiträgen von Vertragsärztinnen und Vertragsärzten an die KVen gedeckt werden. So etwas gelte weder im Rettungsdienst noch für die Kliniken, kritisierte der Zi-Chef. „Diese Ungleichbehandlung trifft auf Unverständnis.“
Auch von Stillfried verwies darauf, dass ein 24/7-Fahrdienst und die Erweiterung der Hausbesuche im Bereitschaftsdienst auch auf die Praxisöffnungszeiten in Zeiten des Personalmangels schnell an Grenzen stoßen wird. Selbst bei zurückhaltendem Einsatz durch die 116117 bräuchte man zusätzliches Personal in erheblichem Umfang – in Konkurrenz zu Praxen, Rettungsdiensten und Krankenhäusern.
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