Verbände mahnen zu Umsetzung von Kinderlebensmittelwerbegesetz

Berlin – 35 Verbände, Organisationen und Initiativen kritisieren in einem gemeinsamen Schreiben mangelndes Engagement der Bundesregierung beim Schutz vor Kindern vor ungesunder Lebensmittelwerbung. Seit einem Jahr herrsche Stillstand beim geplanten Kinderlebensmittelwerbegesetz.
Damals hatte Bundesminister für Ernährung und Landwirtschaft Cem Özdemir (Grüne) Eckpunkte und einen ersten Referentenentwurf eines Gesetzes zur Beschränkung von Werbung für ungesunde Lebensmittel, die sich an Kinder und Jugendliche richtet (KLWG) vorgestellt. Dafür hatte er allerdings umgehend Gegenwind vom Koalitionspartner FDP erhalten.
Bundeskanzler Olaf Scholz solle sich nun dafür einsetzen, dass das Gesetz noch vor der Sommerpause konsequent und wirkungsvoll umgesetzt wird, appelliert das Bündnis aus Medizin, Gesundheitsförderung, Wissenschaft, Verbraucherschutz sowie Kinder- und Jugendschutz unter Federführung Deutschen Allianz Nichtübertragbare Krankheiten (DANK) in einem offenen Brief an ihn.
Zu den 35 Mitgliedern des Bündnisses gehören unter anderem die Bundesärztekammer (BÄK), der Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ), die Deutsche Diabetes Gesellschaft (DDG), die Deutschen Gesellschaften für Epidemiologie (DGEpi), für Ernährungsmedizin e.V. (DGEM), für Kardiologie - Herz- und Kreislaufforschung (DGK), für Kinder- und Jugendmedizin e.V. (DGKJ) und für Nephrologie (DGfN) sowie die Deutsche Herzstiftung (DHS) und das Deutsche Krebsforschungszentrum (DKFZ).
„Wir setzen die gesunde Zukunft unserer Kinder aufs Spiel, wenn die Bundesregierung das Vorhaben nicht endlich anpackt und verbindliche Regelungen verankert“, kritisiert BÄK-Präsident Klaus Reinhardt. Laut der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) sei jeder siebte Todesfall in Deutschland auf ungesunde Ernährung zurückzuführen. Auch die Weltgesundheitsorganisation (WHO) empfehle, Werbung für ungesunde Lebensmittel gesetzlich einzuschränken, um Fehlernährung bei Kindern und Jugendlichen zu bekämpfen.
BVKJ-Vizepräsidentin Angela Schütze-Buchholz verweist auf ungesunde Ernährungsgewohnheiten unter Kindern und Jugendlichen. „Kinder essen doppelt so viel Süßigkeiten, aber nur halb so viel Obst wie empfohlen. Das bleibt nicht ohne Folgen“, sagt sie. 15 Prozent der Kinder- und Jugendlichen in Deutschland seien von Übergewicht betroffen, weshalb ihnen im weiteren Leben schwerwiegende Folgeerkrankungen wie Typ-2-Diabetes, Bluthochdruck oder Herz-Kreislauferkrankungen drohen würden.
„Unsere Gesellschaft darf nicht zulassen, dass eine Generation kranker Menschen heranwächst“, mahnt sie. „Das vielkonsumierte ungesunde Zuckergetränk muss zum Auslaufmodell werden. Gesunde Nahrungsmittel – am besten preiswerter als ungesunde Alternativen – sollten zur ersten Wahl werden.“
Die wissenschaftliche Grundlage für die Notwendigkeit einer Regulierung sei unbestreitbar, schreibt die DANK: Werbung steigere das Kauf- und Konsumverhalten und fördert die Ernährungspräferenzen von Kindern. Laut einer Studie der Universität Hamburg würden mediennutzende Kinder zwischen drei und 13 Jahren pro Tag im Schnitt 15 Werbespots für ungesunde Lebensmittel sehen. 92 Prozent der gesamten Werbung, die Kinder wahrnehmen, vermarkte demnach ungesunde Lebensmittel wie Fast Food, Snacks oder Süßigkeiten.
„Die Regelungen müssen umfassend sein und dort wirken, wo Kinder Werbung ausgesetzt sind – sei es bei TV-Werbung, Außenwerbung oder Influencer-Werbung in den sozialen Medien“, heißt es im offenen Brief an den Bundeskanzler. Die omnipräsente Werbung für ungesunde Lebensmittel habe fatale gesundheitliche Folgen.
„Eltern müssen tagtäglich gegen eine Milliardenindustrie ankämpfen, die ihre Kinder mit geschickten Marketingtricks lockt“, heißt es weiter. „Die Gesundheit der Kinder darf nicht zwischen den Interessen der Industrie zerrieben werden. Die Politik muss den Stillstand beenden und die Gesundheit der Jüngsten in unserer Gesellschaft durch ein starkes Gesetz schützen.“
Deshalb fordere das Bündnis den Bundeskanzler eindringlich auf, sich dafür einzusetzen, dass das KLWG als wichtige Maßnahme für mehr Kindergesundheit ohne weitere Verzögerungen und Abschwächungen umgesetzt wird. „Der Schutz der Kindergesundheit muss Vorrang haben vor den wirtschaftlichen Interessen der Werbeindustrie und der Hersteller ungesunder Lebensmittel“, mahnen die Verbände.
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