Politik

Verhandler bitten Minister um Umsetzung neuer GOÄ, erste Details offengelegt

  • Mittwoch, 4. Mai 2022
/everythingpossible, stockadobecom
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Berlin – Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) hat einer neuen Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) zuletzt wenig Chancen eingeräumt. Das hatte er vergangene Woche dem Deutschen Ärzteblatt erklärt. Die Bun­des­ärzte­kammer (BÄK), der Verband der Privaten Krankenversicherung (PKV-Verband) und der dbb Beam­ten­bund und Tarifunion (dbb) haben sich nun erneut an den Minister gewendet.

In einem Schreiben an Lauterbach, das dem Deutschen Ärzteblatt vorliegt, appellieren BÄK-Präsident Klaus Reinhardt, PKV-Verbandsdirektor Florian Reuther und der dbb-Bundesvorsitzende Ulrich Silberbach eindring­lich an den Minister, die GOÄ umzusetzen.

Lauterbach hatte dem Deutschen Ärzteblatt im Interview gesagt, er werde sich einen Entwurf für eine neue GOÄ an­schau­en. Man werde in dieser Legislatur­periode aber nichts machen, was das Verhältnis von PKV zur gesetz­li­chen Kranken­versicherung (GKV) ver­schieben würde.

„So haben wir es im Koalitionsvertrag beschloss­en. Und daran halte ich mich“, sagte der Minister. Aus seiner Sicht sei es „kaum möglich, eine Reform der GOÄ vorzu­nehmen, die dieses Verhältnis nicht berühren würde“.

Ärzte und Verhandlungspartner der GOÄ haben dafür wenig Verständnis. Eine Nichtumsetzung der GOÄ-No­velle würde die bestehenden Probleme mit der alten GOÄ „weiter verschärfen und schließ­lich in einer prak­tischen Nichtan­wendbarkeit der noch gültigen GOÄ münden“, heißt es dazu in dem Schrei­ben an den Minis­ter.

Ein Grund für die zunehmenden Probleme ist, dass die derzeitig gültige GOÄ im Wesentlichen aus dem Jahr 1982 stammt und zu­letzt 1996 nur in Teilen erneuert worden ist. Für Patienten, Krankenversicherer, Beihilfe und Ärzte führt das zu großen Verunsicherungen, unnötigen Rechtsstreitigkeiten und enormer Bürokratie, wie die Verhandler ausführen.

Das liegt demnach unter anderem daran, dass die derzeitige GOÄ weder die Dynamik des ärztlichen Leistungsspektrums noch die aktuelle Kosten- und Preisentwicklung abbildet.

Dadurch könnten nicht im Gebührenverzeichnis ent­haltene Leistungen nur mit Hilfe von soge­nannten Analogziffern, ent­sprechend einer nach Art, Kosten und Zeitaufwand gleichwertigen Leistung, abgerechnet werden.

BÄK, PKV und Beamtenbund führen in dem Brief an Lauterbach ein Beispiel auf, das die aktu­ellen Schwierig­kei­ten verdeutlichen soll. Demnach muss etwa eine optische Kohärenztomogra­fie des Auges, mit der Ver­änderungen an der Netz­haut erkannt und kontrolliert werden können, in Ermangelung einer entsprechenden Gebühren­ziffer analog einer Ultraschalluntersuchung des Herzens berechnet werden.

Diese Art der Leistungsabrechnung sei „für Patien­tinnen und Patienten vollkommen intransparent und unver­ständlich“, heißt es. Die Rechnungs­prü­fung begründe einen für alle Beteiligten enormen bürokratischen Auf­wand.

Ärzte, PKV-Verband und dbb weisen darauf hin, dass die neue GOÄ es allen Beteiligten künftig leichter ma­chen könnte. So seien die modernen ärztlichen Leistungen inklusive der Innovationen in dem Entwurf der neuen GOÄ in eigen­ständigen Gebüh­renpositionen beschrieben.

Analoge Abrechnungen würden durch die Novellierung nur noch in Ausnahme­fällen neuer, noch nicht bekann­ter Leistungen zur Anwendung kommen müssen. Vorgesehen sei auch, das Gebührenverzeichnis fortlaufend zu aktualisieren und dadurch ein Veralten zu verhindern.

Aufgeführt wird in dem Schreiben auch, dass eine neue GOÄ die Grundlagen für die Abrechnung ändern wür­de. Demnach sind die Gebühren der aktuell gültigen GOÄ von 1996 wie die Abrechnungsausschlüsse und die flankierenden Regelungen zur Abrechnung normativ festgelegt.

Die Gebühren der neuen GOÄ beruhten dem­gegenüber auf einer betriebswirt­schaft­lichen Grundlage, heißt es. Bezogen auf den jeweiligen leistungsspe­zi­fischen Zeitaufwand basiere die Berechnung auf den Faktoren Arztlohn, Personallohn, Kosten der technischen Komponenten und Gemeinkosten.

BÄK, PKV und Beamtenbund erklären zudem, dass zum Beispiel Gesprächsleis­tungen im neuen GOÄ-Entwurf zeit­getaktet abgebildet und in Vorbereitung oder im Nachgang zu technischen Leistungen berechnungsfähig seien. Damit sei „eine wesentliche Empfehlung der in der letzten Legislaturperiode eingesetzten Kommission für ein modernes Vergütungssystem (KOMV) zur Förderung der sprechenden Medizin bereits erfüllt“.

Übersicht der Gründe für eine neue GOÄ /BÄK
Übersicht der Gründe für eine neue GOÄ /BÄK

Korrespondierend mit den weiteren Empfehlungen für ein modernes Vergütungs­system der KOMV setzt sich der Entwurf nach Angaben des Schreibens aus Einzelleistungen und Komplexen zusammen und bildet aus­gewählte chronische Erkrankun­gen. Kooperative Teamleistungen, Koordinationsleistungen und sektorenüber­grei­fende interdisziplinäre und interprofessionelle Fallkonferenzen seien in entsprechenden Gebührenposi­tio­nen des Entwurfes abgebildet.

Die Anwendung moderner Kommunikationsverfahren wie E-Mailberatung oder Videosprechstunden seien ebenso Bestandteil des neuen Leistungsverzeichnisses wie Leistungen aus den Bereichen E-Health und Digi­talisierung.

An die Stelle des Gebührenrahmens mit Steigerungsmöglichkeiten soll dem Brief zufolge in der neuen GOÄ ein Gebührenwert je Leis­tung treten. Erschwernisse oder Besonderheiten sind demnach in dem Entwurf der GOÄ neu in mehr als 1.300 Zuschlägen berücksich­tigt. Insgesamt beinhaltet der Entwurf 5.595 Gebührenposi­tionen.

Mit dem Entwurf einer neuen GOÄ liegt aus Sicht der Verhandler eine „moderne Gebührenordnung“ vor, die im Rahmen eines Verord­nungs­verfahrens umsetzungs­fähig sei, so BÄK, PKV-Verband und Beamten­bund.

Man hoffe daher sehr, dass der Mi­nister sich „gemeinsam mit uns für eine transparente, rechtssichere und moderne ärztliche Gebührenordnung einsetzen“ wird. Nach Jahrzehnten des Stillstands dulde eine neue GOÄ „keinen weiteren Aufschub mehr“, stellen BÄK, PKV-Verband und Beamtenbund klar. Die Novellierung der GOÄ gehöre „zwingend auf die Agenda der Bundesregierung“.

may

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