Weiter Kritik an Coronaschutzplänen des Bundes für den Herbst

Berlin – Die Kritik an den Coronaschutzplänen des Bundes für die kalte Jahreszeit dauert weiter an. Nachdem gestern die Gesundheitsministerkonferenz (GMK), aber auch Opposition und Verbände auf Anpassungen gedrängt hatte, äußerten sich Krankenhäuser und Ärzte heute ähnlich.
Der Entwurf für das neue Infektionsschutzgesetz beinhaltet etwa, dass die Bundesländer ab Oktober wieder Maskenpflichten – etwa in Innenräumen – verhängen dürfen. Bundesweit soll weiterhin eine Maskenpflicht in Bus, Bahn und Flieger sowie neu eine Masken- und Testpflicht in Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen gelten.
Viel Kritik gibt es vor allem daran, dass Menschen von Maskenpflichten in Restaurants oder bei Kultur- und Sportveranstaltungen befreit sein sollen, wenn ihre Impfung nicht länger als drei Monate zurück liegt.
Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) hält die geplante Ausnahme für praktikabel. Die Einhaltung könne durch eine farbliche Kennzeichnung des Impfzertifikats in der Corona-Warn-App kontrolliert werden, sagte er im ZDF-„heute journal“. Die Kontrolle des Zertifikats sei durch solch eine Kennzeichnung einfach.
Er stellte mit Blick auf Kritik der vergangenen Tage auch klar, dass mit der Möglichkeit der Ausnahme von der Maskenpflicht keineswegs eine Empfehlung für eine Auffrischung der Impfung alle drei Monate zu verstehen sei. Das sei abwegig und wäre auch „medizinisch unsinnig“, sagte Lauterbach in den ARD-„Tagesthemen“.
„Wer soll das überprüfen? Und was passiert, wenn so eine Impfung drei Monate und zwei Tage alt ist?“, fragte hingegen der Präsident der Bundesärztekammer Klaus Reinhardt in SWR Aktuell. Die vorgesehene Regelung, dass Frischgeimpfte bei bestimmten Anlässen keine Masken tragen müssten, sei „wenig alltagstauglich“.
Der Chef der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG), Gerald Gaß, hält die Ausnahmen für Geimpfte für „völlig unpraktikabel“. Sie würden dem Ziel eines guten Infektionsschutzes widersprechen. Auch die für die Krankenhäuser geplanten Regeln seien nicht umsetzbar: Den Einrichtungen werde mit den neuen Regeln ein so nicht umsetzbarer, zusätzlicher Aufwand aufgebürdet.
Frank Dastych, Vorstandsvorsitzender der Kassenärztliche Vereinigung Hessen (KVH), rief den Bund auf, sich in Bezug auf die Pläne zum Impfen von der Ständigen Impfkommission (STIKO) beraten zu lassen. Die Politik müsse der Wissenschaft folgen. Auch brauche es nach zwei Jahren endlich eine sachliche Diskussion, idealerweise unter Federführung der STIKO.
Die STIKO empfiehlt die vierte Impfung bislang für Menschen ab 70, Lauterbach hatte sie davon abweichend auch für jüngere angeregt. Er erläuterte heute auf tagesschau24 erneut die Idee dahinter. „Es muss für jeden eine Botschaft geben“, erklärte der Minister. Wie die Empfehlungen dabei aussähen, sei offen. Da sei die Ständige Impfkommission gefragt.
FDP-Gesundheitspolitiker Andrew Ullmann warnte die Länder heute generell davor, den Gesetzentwurf der rot-grün-gelben Bundesregierung noch einmal aufzuschnüren. „Die Gesundheitsminister der Länder befinden sich auf dem Holzweg, wenn sie noch weitere Verschärfungen verlangen“, sagte er der Augsburger Allgemeinen.
„Wir geben den Ländern ausreichend Rüstzeug für eine dezentrale Bekämpfung der Pandemie.“ Ullmann kündigte nach Angaben der Zeitung an, dass die Vorschläge von Lauterbach und Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) im Gesetzgebungsverfahren im Bundestag auf ihre Praxistauglichkeit geprüft werden.
Ein Sprecher von Bayerns Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU) forderte in den Zeitungen der Mediengruppe Bayern: „Wir brauchen klare Indikatoren und Schwellenwerte, um festzulegen, wann welche Maßnahme greifen soll.“ Dies müsse der Bund machen. „Wenn jedes Land selbst entscheidet, kommen wir nie zu einheitlichen und nachvollziehbaren Regeln, sondern erhöhen nur die rechtlichen Risiken.“
Baden-Württembergs Gesundheitsminister Manne Lucha sieht den Bund in der Pflicht, im Herbst bei Bedarf erneut die epidemische Notlage auszurufen. „Sollte sich die Infektionslage im Herbst extrem zuspitzen, erwarten wir vom Bund die Ausrufung der epidemischen Lage von nationaler Tragweite, damit wir notfalls den vollen Instrumentenkasten der Maßnahmen zur Verfügung haben“, teilte der Grünen-Politiker mit.
Es gehe jetzt darum, dass sich nicht nur die Gesundheitsminister der Länder einig seien, sondern vor allem darum, dass man auf Bundesebene einen breiten Konsens finde, wie man ab Oktober mit der Pandemie umgehe, sagte Lucha im Nachgang der Gesundheitsministerkonferenz (GMK) von Bund und Ländern.
„Das, was wir im Land tun können, werden wir tun“, betonte Lucha. Man werde mit Sicherheit alle Instrumente, die der Bundesgesetzgeber zur Verfügung stelle, bei Bedarf so nutzen, dass man bei der Pandemiebekämpfung den größtmöglichen Nutzen mit den geringstmöglichen Beschränkungen erreiche.
Der Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ) sprach sich gegen eine Maskenpflicht für Schüler im Herbst und Winter aus. „Der BVKJ ist grundsätzlich gegen eine Maskenpflicht in Schulen“, sagte Jakob Maske, Bundessprecher des BVKJ, dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. „Wichtig ist auch, dass es anlasslose Testungen nicht mehr geben sollte, die Sensibilität liegt hier nur bei 40 Prozent“, so der Kinderarzt. Es gebe viele falsch negative, aber auch falsch positive Ergebnisse.
Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) schloss heute Schulschließungen in der Coronakrise aus. „Flächendeckende Schulschließungen darf und wird es nicht mehr geben“, sagte sie im ZDF-„Morgenmagazin“. Die Folgewirkungen der vergangenen Schulschließungen seien immer noch zu sehen. So gehe die Bildungsschere auseinander, Jugendliche litten zudem unter psychischen, sozialen und körperlichen Problemen.
„Das oberste Ziel ist, dass der Präsenzunterricht erhalten werden kann“, führte Stark-Watzinger aus. Es solle „so viel Normalität wie möglich“ herrschen. Sie verteidigte das neue Infektionsschutzgesetz gegen Kritik. Die Länder hätten die Möglichkeit, bei der Gefährdung des Präsenzbetriebs an den Schulen eine Maskenpflicht anzuordnen.
Sie hätten auch die Möglichkeit, sich und den Schulen Regeln zu geben. „Es sollte ja auch der Sommer genutzt werden, um so etwas vorzubereiten“, mahnte sie. Weder Corona noch die Gaskrise dürfe Bildung beeinträchtigen, forderte Stark-Watzinger.
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