Bundesregierung bringt Coronafahrplan auf den Weg

Berlin – Die Bundesregierung hat wieder schärfere staatliche Eingriffsmöglichkeiten für eine erwartete Coronawelle im Herbst und Winter auf den Weg gebracht. Die heute vom Kabinett gebilligten Pläne sehen unter anderem eine bundesweite FFP2-Maskenpflicht in Flugzeugen und Fernzügen vor.
Kinder zwischen sechs und 14 Jahren sowie Personal sollen auch medizinische Masken tragen können. In Kliniken und Pflegeheimen soll bundesweit eine Maskenpflicht gelten, dort soll man vor dem Zutritt auch einen negativen Coronatest nachweisen müssen.
Die Länder sollen zudem vom 1. Oktober 2022 bis 7. April 2023 per Landtagsbeschluss abgestuft nach Infektionslage weitere Vorgaben anordnen können. Dazu zählen Maskenpflichten in Bussen und Bahnen im Nahverkehr sowie in öffentlich zugänglichen Innenräumen. Eine zwingende Ausnahme von einer Maskenpflicht soll es geben, wenn man beim Besuch von Kultur-, Freizeit- oder Sportveranstaltungen und in der Gastronomie einen negativen Test vorzeigt.
Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) verteidigte heute diese Option. „Die Schnelltests schlagen, wenn man ansteckend ist, sehr gut an.“ Geimpfte zeigten oftmals zunächst Symptome, noch bevor sie ansteckend seien und der Test positiv ausfalle. Andersherum sei dies aber bei Ungeimpften, dort könne die Viruslast bereits sehr hoch sein und die Menschen bereits ansteckend, bevor der Test positiv sei, erklärte Lauterbach.
Stand jetzt wolle er die aktuelle Regelung der Bürgertests aber nicht ändern. „Zum jetzigen Zeitpunkt ist das Regelwerk rund“, sagte er und betonte, dass die Tests auch mit der Bezahlung des Eigenanteils von drei Euro je Test weiterhin in Anspruch genommen werden.
Ab Oktober sollen für die Ausnahme der Maskenpflicht Antigenschnelltests laut Gesetzentwurf zur Änderung des Infektionsschutzgesetzes, der dem Deutschen Ärzteblatt vorliegt, genutzt werden können. Die Durchführung der Tests darf dabei maximal 24 Stunden zurückliegen und die Tests müssen entweder vor Ort unter Aufsicht oder in einer Teststelle durchgeführt worden sein. Tests, die im Rahmen einer betrieblichen Testung erfolgt sind, können ebenfalls gelten.
Weiter ist vorgesehen, dass zudem Ausnahmen von der Maskenpflicht mit Nachweisen als vollständig geimpft und genesen erlaubt werden können. Diese Regelung war zunächst auch als zwingende Ausnahmemöglichkeit vorgesehen. Auf Wunsch der Länder hat die Regierung dies nun allerdings zu einer Kann-Möglichkeit geändert.
Die geplanten Regeln gehen auf ein Konzept von Lauterbach und Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) von Anfang August zurück. Lauterbach sagte: „Mit diesem Instrumentarium können wir die absehbare Coronawelle im Herbst bewältigen.“ Die Länder bekämen alle Möglichkeiten, angepasst zu reagieren. Es bleibe das Ziel der Coronapolitik, hohe Todeszahlen, viele Arbeitsausfälle und schwere Langzeitfolgen zu vermeiden.
„Wir wollen im kommenden Herbst deutlich besser gerüstet sein, als das in der Vergangenheit der Fall war“, sagte Lauterbach weiter. Buschmann betonte, dass das Verfahren zur Erarbeitung des neuen Schutzkonzepts ein so hohes Maß an Transparenz wie noch nie in dieser Pandemie erfahren habe. Beratungen in der Regierung und mit den Ländern hätten stattgefunden und nun werde das Vorhaben in das Parlament geleitet.
Der vom Kabinett gebilligte Entwurf geht nun in den Bundestag und könnte dort am 8. September beschlossen werden. Zustimmen muss dann auch noch der Bundesrat.
Neu vorgesehen sind Sonderzahlungen von 1.000 Euro pro Monat dafür, dass Pflegeheime künftig Beauftragte benennen müssen, die sich um Impfungen, Hygiene und Therapien für Infizierte etwa mit dem Medikament Paxlovid kümmern. Die Einrichtungen sollen für den Aufwand 250 Euro pro Monat erhalten – für Beschäftigte, die die Aufgaben allein oder im Team übernehmen, soll es insgesamt 750 Euro geben.
Kampagne zu Long COVID geplant
Lauterbach kündigte darüber hinaus eine weitere Kampagne des Bundes zum Thema Long COVID an. Hier sei bislang zu wenig gemacht worden. Insbesondere auch für Jüngere, die sich wiederholt infizieren, steige das Long-COVID-Risiko. Wenn Menschen das verstünden, würden sie sich auch entsprechend verhalten, so Lauterbach.
Der gesundheitspolitische Sprecher der CDU/CSU-Fraktion, Tino Sorge, kritisierte, dass mit diesem Vorhaben die Verantwortung erneut auf die Bundesländer abgeschoben und ein Flickenteppich entstehen werde. Laut Sorge fehlt vor allem der Fokus auf den Schutz vulnerabler und gefährdeter Gruppen, stattdessen gebe es nun Diskussionen in welchen Bereichen die Maskenpflicht nun gelten soll. Den Ländern werde außerdem nicht gesagt, unter welchen Voraussetzungen sie die Coronamaßnahmen beschließen sollen.
Weitere Kritik am Gesetzentwurf kommt aus Bayern: „Es kann eigentlich nicht sein, dass die Länder die Hausaufgaben machen, die der Bund offenbar nicht machen möchte“, sagte der bayerische Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU) der Augsburger Allgemeinen. „Ich bleibe dabei, dass die Länder vom Bund klare und nachvollziehbare Parameter brauchen, nach denen festgelegt werden kann, ab wann bestimmte Maßnahmen zum Infektionsschutz ausgelöst werden sollen.“
Die Coronabestimmungen im Infektionsschutzgesetz waren im Frühjahr stark zurückgefahren worden. Allgemeine Maskenpflichten beim Einkauf oder für Veranstaltungen und Zutrittsregeln wie 2G und 3G fielen weg. Nun geht es um einen Anschluss der bestehenden Regelungen, die am 23. September auslaufen. Sie sind die Rechtsgrundlage für Maßnahmen der Länder und nennen mögliche Instrumente.
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