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COVID-19: Virologe Drosten erwartet Wirkung der Einschränkungen in einem Monat

  • Freitag, 20. März 2020
Dresden: Ein Absperrband hängt vor einem Spielplatz. Um die Ausbreitung des Coronavirus zu verlangsamen hat die Bundesregierung das öffentliche Leben erheblich eingeschränkt. /picture alliance
Dresden: Ein Absperrband hängt vor einem Spielplatz. Um die Ausbreitung des Coronavirus zu verlangsamen hat die Bundesregierung das öffentliche Leben erheblich eingeschränkt. /picture alliance

Berlin – Von den steigenden Temperaturen im Frühjahr erhofft sich der Berliner Virologe Christian Drosten nur einen geringen Effekt. Dennoch erwartet er, dass zusammen mit den Isolationsmaßnahmen in einem Monat eine Wirkung zu sehen sein wird. Das sagte der Direktor des Instituts für Virologie der Charité – Universitätsmedizin Berlin heute in einem Interview mit der Zeit.

Einen länger anhaltenden Ausnahmezustand bis zu einem Jahr kann der Virologe nicht ausschließen. Auch das BMJ berichtet darüber, dass der COVID-19-Ausbruch voraussichtlich etwa bis zum Frühjahr 2021 andauern könnte. Etwa 80 Prozent der Bevölkerung wären infiziert und bis zu 15 Prozent der Menschen (7,9 Millionen) müssten in Großbritannien in ein Krankenhaus eingeliefert werden. Das besagt zumindest ein Dokument, das von Public Health England, eine Exekutivagentur des britischen Ministeriums für Gesundheit und Soziales, für die Regierung erstellt wurde.

Susan Hopkins, die stellvertretende Direktorin des nationalen Infektionsdienstes von Public Health England, sagte, dass die Berechnung auf einem Worst-Case-Szenario beruhen würde. Sie sollen der Bevölkerung die Relevanz empfohlener Quarantänemaßnahmen verdeutlichen.

Die Deutsche Gesellschaft für Epidemiologie geht davon aus, dass die bisher ergriffenen Maßnahmen nicht ausreichen könnten. Aktuell liege „ein kurzes Zeitfenster von 1 bis 2 Wochen vor“, in dem eine Überlastung des Gesundheitssystems noch vermieden werden könne.

Drosten rechnet nicht damit, dass in Deutschland alle Einschränkungen über ein langen Zeitraum bis ins Jahr 2021 bestehen bleiben. „Man wird nachjustieren können und müssen.“

Um ein realistischeres Bild von der Zahl der Infizierten zu bekommen, regt er an, jeden Haushalt, in dem ein nachgewiesenermaßen Corona-Infizierter lebt, insgesamt als erkrankt zu zählen und entsprechend zu isolieren: „Ist ein Familienmitglied infiziert, steckt es alle anderen an. Sagt man gleich, die sind alle positiv, spart man sich viel Testaufkommen.“ Dieses Vorgehen will Drosten auch den Gesundheitsämtern vorschlagen.

Alternative Lösungen für Schulschließungen und den Arbeitsmarkt

Der Wissenschaftler fordert außerdem, sich schon jetzt für die Zeit nach Ostern Lösungen für die Schulen zu überlegen, damit diese nicht zu lange geschlossen bleiben müssen: Vorstellbar wäre, dass die Nutzung der Gänge unter den Schülern räumlich aufgeteilt würde. Die große Pause und kleine Pausen könnten entfallen, um die effektive Gruppengröße in Schulen zu senken.

Angesichts der absehbar bis zu 15 Millionen Infizierten in Deutschland und der Einschränkungen auf dem Arbeitsmarkt schlägt Drosten vor, Menschen Arbeitserlaubnisse zu erteilen, die per Schnelltest negativ getestet wurden. „In der Medizin gibt es schon die Überlegung, sich frei testen zu lassen, damit man arbeiten gehen kann.“ Das könne man auch auf andere Berufsgruppen ausweiten, erklärte der Virologe im Interview mit der Zeit. Es werde zudem immer mehr Menschen mit Antikörpern geben, die zumindest bis zum Ende der Pandemie immun sein würden. Auch sie könnten trotz des Ausnahmezustands dann vielleicht wieder arbeiten gehen.

In Bayern hat die Staatsregierung heute Mittag weitreichende Ausgangsbeschränkungen verhängt. Der SPD-Gesundheitsexperte Lauterbach hält zur Eindämmung der Coronavirus-Krise lange Ausgangssperren für kaum noch abwendbar. „Ich befürchte, dass wir an Ausgangssperren nicht vorbeikommen, die wir auch länger durchhalten müssen“, sagte der stellvertretende SPD-Fraktionschef der Augsburger Allgemeinen (Samstag). „Wenn ich mir das Verhalten von Teilen der Bevölkerung ansehe, scheint vielen der Ernst der Lage nicht klar zu sein“, kritisierte der Gesundheitspolitiker.

Besorgnis in der Bevölkerung nimmt zu

Ein Trend zu mehr Sorge zeichnet sich dennoch ab, wie das COSMO-Konsortium zeigt. Es ermittelt seit drei Wochen einmal pro Woche in einer „Snap-Shot“-Online-Umfragewelle, wie 1.000 Personen subjektiv die Risiken von SARS-CoV-2 wahrnehmen. Im Vergleich zur Vorwoche stieg der Anteil der Menschen, die das Coronavirus eher besorgniserregend oder besorgniserregend einschätzen von 52 auf 71 Prozent. 34 Prozent (Vorwoche 25 Prozent) halten eine Erkrankung für gefährlich, ein knappes Drittel ist sich unsicher.

Eine willentliche Ansteckung (Corona-Partys) scheint sehr selten vorzukommen. Jedoch sei besonders bei jüngeren Menschen zu beobachten, dass sie eher davon ausgehen, an COVID-19 zu erkranken als ältere und dies aber als weniger schwerwiegend wahrnehmen. Und diese geringere wahrgenommene Ernsthaftigkeit der Erkrankung sei mit geringerem Schutzverhalten verbunden, heißt es in der Auswertung der Umfrage. Hier könnte womöglich ein Appell an die Solidarität helfen.

kna/gie

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