Fusion der Pharmaverbände BAH und BPI erneut gescheitert

Berlin – Die Fusion der beiden Pharmaverbände Bundesverband der Arzneimittelhersteller (BAH) und Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie (BPI) ist nach monatelanger Vorbereitung erneut gescheitert. Der BPI-Vorstandsvorsitzende Hand Georg Feldmeier trat daraufhin von seinem Amt zurück.
Zwar hatten die Mitgliedsunternehmen beider Verbände mehrheitlich für die Fusion gestimmt, allerdings war das notwendige Quorum aufseiten des BPI nicht erreicht worden. Die Mitgliedsunternehmen des BAH hatten sich mit einer Mehrheit von 86 Prozent für die Verschmelzung zum „Verband der Pharmazeutischen Industrie“ (VPI) ausgesprochen.
Beim BPI reichte die Zustimmung nicht aus: Von 72 teilnehmenden Mitgliedern stimmten 45 für Ja und 26 für Nein bei einer Enthaltung – eine Zustimmung von 62,5 Prozent. Vorgeschrieben sind 75 Prozent. Bereits 2019 war ein erster Anlauf zur Fusion der beiden Verbände gescheitert.
Über die Gründe für das erneute Scheitern haben sich bisher weder BAH noch BPI offiziell geäußert. Ein BPI-Sprecher verwies auf Anfrage darauf, dass der Verband die Ursachen erst einmal analysieren müsse. Dem Vernehmen nach soll es an keinem zentralen Streitpunkt gescheitert sein, sondern an einer Reihe organisatorischer und operativer Detailfragen, über die bis zum Schluss keine Einigkeit hergestellt werden konnte.
„Auch wenn wir unser Ziel verfehlt haben, wird der BPI die Interessen der pharmazeutischen Industrie in Deutschland weiterhin kraftvoll vertreten und dabei auch in Zukunft mit dem BAH und anderen Verbänden konstruktiv zusammenarbeiten“, erklärte Schatzmeister und Tagungsleiter Christoph Harras-Wolff gestern im Anschluss an die Abstimmung.
Auch der BAH-Vorstandsvorsitzende Jörg Wieczorek betonte, an der Zusammenarbeit mit dem Schwesterverband festhalten zu wollen. „Wir sind enttäuscht, dass wir diese historische Chance trotz der sehr vertrauensvollen Zusammenarbeit der letzten Monate nicht nutzen konnten“, betonte er gestern.
„Das klare Votum unserer Mitgliedsunternehmen für eine Stärkung und Weiterentwicklung der Interessenvertretung für die pharmazeutische Industrie ist ein eindeutiger Vertrauensbeweis für unseren Kurs als Vorstand. Wir sehen darin den klaren Auftrag, diesen zum Ziel zu führen.“
Es sei wichtig, „den Grundgedanken eines starken Verbands fortzuführen“, unterstrich er gestern auf einer gemeinsamen Veranstaltung der beiden Verbände, auf der eigentlich die erfolgreiche Fusion hätte verkündet werden sollen. Das sei angesichts der aktuellen Lage der Industrie und der Gesundheitspolitik absolut notwendig.
Die um sich greifenden Lieferengpässe „haben in den letzten Monaten die Schwächen des Systems offengelegt“, sagte er. Dabei warf er dem Bundesgesundheitsministerium (BMG) vor, nicht die Problematik an sich angehen zu wollen, sondern nur auf öffentlichen Druck reagiert zu haben.
So sei das Arzneimittellieferengpassbekämpfungs- und Versorgungsverbesserungsgesetz (ALBVVG) ausschließlich wegen eines empfundenen Handlungsdrucks aufgrund negativer Medienberichterstattung über fehlende Kinderarzneimittel zustande gekommen.
„Das war meines Erachtens nur ein Feigenblatt oder ein Alibi, denn alle anderen vulnerablen Patientengruppen wurden außen vor gelassen“, sagte Wieczorek. Das Gesetz sei „eine Ohrfeige für alle Patienten“ und löse keinerlei systemische Probleme.
So wie er nicht mit der Selbstverwaltung rede, habe Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) auch kein Ohr für die Anliegen der Industrie. „Und so wird er auch keine Perspektive für eine sichere Arzneimittelversorgung entwickeln“, erklärte Wieczorek.
FDP-Gesundheitspolitiker Lars Lindemann hatte dahingehend angemahnt, erneut bei den Erstattungspreisen nachzubessern. Bereits zuvor hatte er betont, dass die sogenannten Leitplanken im GKV-Finanzstabilisierungsgesetz (GKV-FinStG), das seine Partei mitverabschiedet hatte, ein Fehler gewesen seien. Noch im vierten Quartal werde es deshalb erneute Gespräche mit Lauterbach darüber geben, wie dort im Nachhinein nachgebessert werden könne.
Beileidsbekundungen erhielten die beiden Verbände von Lauterbachs Vorgänger und jetzigem stellvertretendem Vorsitzenden der Unionsbundestagsfraktion Jens Spahn (CDU). „Ich hätte die Fusion aus der gesundheitspolitischen Erfahrung der vergangenen Jahre heraus gut gefunden“, bekundete er heute in Berlin. Die Zersplitterung der Verbände mache es schwieriger, die Interessen der Industrie zu vertreten.
Er mahnte eine Stärkung der Pharmaindustrie als wichtigen Wirtschaftsfaktor an. Deren Probleme seien in weiten Teilen nicht rein gesundheitspolitischer Natur, sondern würden sich mit den allgemeinen strukturellen Problemen der deutschen Wirtschaft decken, erklärte Spahn, der mittlerweile Mitglied des Bundeswirtschaftsausschusses ist.
Die Investitionslücke sei in Deutschland nie so groß gewesen, 100 Milliarden Euro Investitionen aus Deutschland heraus hätten im vergangenen Jahr nur zehn Milliarden Euro Investitionen in den deutschen Standort aus dem Ausland gegenübergestanden.
Auch sei seit 2019 kein Produktivitätswachstum mehr zu verzeichnen gewesen. „Das ist ein riesiges Problem in einer alternden Gesellschaft, in der immer weniger Menschen immer mehr erwirtschaften müssen“, sagte er. „Wir brauchen Investitionen in die Produktivitätssteigerung.“
Speziell die Pharmaindustrie habe es schwer, mit ihren Anliegen Gehör zu finden. „Ich bedauere sehr, dass es nach der Pandemie nicht gelungen ist, die Bedeutung der pharmazeutischen Industrie in der Gesellschaft zu verankern“, sagte er. „Wenn sie den Ärzten oder Apothekern Geld wegnehmen, haben sie mit großen Widerständen zu kämpfen. Für die Pharmaindustrie geht niemand auf die Straße.“
Gleichzeitig erteilte er Plänen eine Absage, die Produktion generischer Arzneimittel in großem Ausmaß aus China und Indien zurück nach Europa zu holen. „Ich finde es nicht klug, mit viel Geld Dinge zurückzuholen, die Massenproduktion sind“, sagte Spahn. Dieses Geld sei besser in Innovationen und neue Technologien investiert.
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