Vermischtes

Therapie für Long-COVID-Be­troffene oft mit Frustationspotenzial

  • Montag, 11. Juli 2022
/Alek, stock.adobe.com
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Berlin – Bei immer mehr Menschen sorgen die gesundheitlichen Langzeitfolgen nach einer Coronainfektion für großen Leidensdruck, Frustration und Ratlosigkeit, denn das Wissen zu Long COVID bleibt lückenhaft.

Nach Experteneinschätzungen gibt es allein in Deutschland Hunderttausende Betroffene. Als Long COVID gel­ten Beschwerden, die länger als vier Wochen nach einer Infektion bestehen – als Post COVID, wenn sie länger als zwölf Wochen danach andauern. Experten zufolge fallen zahlreiche Symptome darunter; viele gelten als moderat, andere können die Betroffenen auch stark im Alltag einschränken.

In einer Stellungnahme des Coronaexpertenrats der Bundesregierung von Mai heißt es, dass laut Studien die Mehrheit derer, die mit schwerem COVID-19-Verlauf auf Intensivstationen behandelt wurden, Langzeitkompli­kationen entwickelt. Auch nach milder Infektion erfüllten zehn Prozent die Post-COVID-Kriterien.

Die Betroffene Birgit S. sagte, auch mehr als zwei Jahre nach ihrer Coronainfektion habe sie mit starken Be­schwerden zu kämpfen. Die 29-Jährige ist zur stationären neurologischen Reha am BG Klinikum Unfallkra­nkenhaus Berlin (UKB) – seit ihrer Infektion ist die Krankenpflegekraft dauerhaft krankgeschrieben.

„Vor allem die Belastbarkeit ist sehr stark beeinträchtigt, ich schaffe es gerade mal so, den Alltag zu bewälti­gen“, sagte Birgit S. Wenn sie zu viel mache, reagiere ihr Körper mit Fieberschüben. Zudem fühle sie sich stän­dig kränklich, habe Muskelschmerzen, Konzentrations- und Wortfindungsstörungen und bekomme schlechter Luft.

Frustration und die Suche nach Antworten – all dies habe sie erlebt, sich aber inzwischen so gut es geht mit ihrer aktuellen Situation arrangiert. „Ich bin schon lange in der Akzeptanz und habe das für mich angenom­men, dass es momentan so ist.“ Von der Reha erhofft sie sich eine höhere Belastbarkeit und Schmerzvermin­de­rung.

Um das zu erreichen, ist der Therapieplan voll mit diversen Anwendungen zur Behandlung der vielen Symp­tome. So sind Psychotherapiestunden ebenso angesetzt wie digitale Therapie, medizinische Trainingstherapie an Geräten und mehr. Und auch Riechtraining steht auf dem Programm, um den in Mitleidenschaft gezogenen Geruchssinn wieder zu aktivieren.

Diagnostik und Therapie bei Long-COVID-Patienten erfolgten wegen des großen Symptomkorbs als Zusam­men­spiel verschiedener medizinischer Fachrichtungen, Therapeuten und der Pflege, erklärte der Chefarzt für Neurologie am UKB, Ingo Schmehl. „Die körperlichen und die psychischen Symptome und ihre Behandlung sind für uns immer gleichwertig.“ Schließlich sei der Leidensdruck teils immens – auch weil man nicht wisse, wie sich die Erkrankung jeweils entwickle.

Schmehl berichtet von mehr als 1.000 Long-COVID-Fällen, mit denen er bisher am Klinikum zu tun gehabt habe. Unter ihnen seien alle Altersgruppen von Erwachsenen. Mehr als 200 Symptome seien bekannt – auch er nennt etwa wie bei S. Fatigue-Symptomatiken, verminderte Belastbarkeit, Luftnot, kognitive Beeinträch­ti­gungen und Geruchs- und Geschmacksstörungen.

Die Therapie bei Coronalangzeitbeschwerden sei langwierig, doch er blicke vorsichtig zuversichtlich in die Zukunft, sagte der Neurologe. Besonders bei schneller Diagnostik und Therapie und vollständigem Impfschutz hätten Betroffene gute Chancen, wieder an den Arbeitsplatz zurückzukehren. Die Erkrankung stelle das Ge­sundheitssystem aber vor eine Mammutaufgabe. „Wir haben noch einen Riesenberg vor uns.“

Lange Fehlzeiten bei Erwerbstätigen mit Long COVID sind tatsächlich nicht selten. Nach kürzlich veröffent­lich­ten Versichertendaten der Techniker Krankenkasse (TK) haben länger anhaltende Beschwerden nach Co­ronainfektionen zwar generell vorerst nur einen kleinen Anteil an Jobfehlzeiten, betroffene Beschäftigte fallen dann aber lange aus. Die Krankschreibungen dauerten im Schnitt 105 Tage.

dpa

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