SARS-CoV-2: Ärzte stützen Pläne für Tests an Flughäfen

Berlin – Die Gesundheitsminister der Länder wollen Reiserückkehrer aus Risikogebieten künftig unmittelbar nach der Rückkehr auf das Coronavirus SARS-CoV-2 testen lassen. Darauf einigten sie sich gestern in Grundzügen. Die Ärteschaft sieht das positiv.
„Der aktuelle, erneute Anstieg der Infektionszahlen in vielen europäischen Ländern zeigt, wie schnell auch bei uns die Pandemie wieder aufflammen kann“, sagte der Präsident der Bundesärztekammer (BÄK), Klaus Reinhardt. Er sprach sich für die Einrichtung von Testzentren an Flughäfen aus.
Diese könnten helfen, eine zweite Welle nach den Sommerferien zu verhindern. „Jeder, der aus einem Corona-Hotspot zurückkommt, sollte sich testen lassen“, so der BÄK-Chef. Das sei zwar nur eine Momentaufnahme. Aber es gelte, die Infektionsketten so früh wie möglich zu unterbrechen.
„Da nicht sichergestellt werden kann, dass die verpflichtende Quarantäne von diesen Reisenden eingehalten wird, ist eine Pflichttestung das sicherste Mittel, neue Infektionswellen durch aus diesen Ländern eingetragene Infektionen zu verhindern und die Bevölkerung zu schützen“, sagte auch Heidrun Gitter, Präsidentin der Ärztekammer Bremen.
Testkosten regeln
Wenn das Land schon vor Antritt der Reise als Risikoland eingestuft worden sei, sollten die Reisenden die Testkosten selber bezahlen müssen und in ihr Urlaubsbudget einkalkulieren, so Gitter. „So wie Reisende, die trotz Reisewarnung in ein Risikoland gereist sind, die finanziellen und disziplinarischen Folgen der Quarantäne selbst tragen müssen, sollte auch die Finanzierung der Pflichttests geregelt werden.“
Zudem sollten Reisende aus Risikoregionen sich freiwillig Tests unterziehen können, auch wenn das Land, in dem die Region liege, insgesamt kein Risikoland sei. Das treffe derzeit zum Beispiel auf die spanische Region Katalonien zu, die die Kammer.
Sinnvoll wäre möglicherweise auch, wenn sich die Gesundheitsminister auf eine zusätzliche Überwachung einigen könnten, indem stichprobenartig Tests von Reisenden auf freiwilliger Basis und ohne Kostenpflicht für die Reisenden entnommen werden. „So könnten wir weitere Erkenntnisse über bislang unbekannte Infektionsherde erlangen“, so Gitter weiter.
Details morgen
Morgen wollen sich die Gesundheitsminister erneut zusammenschalten, um weitere Details zum Umgang mit Reiserückkehrern zu besprechen und ein Gesamtpaket zu beschließen. Eine Rolle dabei dürften Finanzierungsfragen spielen. Details sind unklar.
In Berlin planen beispielsweise Kassenärztliche Vereinigung und Senat kostenfreie Tests für alle symptomfreien Rückkehrer aus Risikogebieten. Der Vertrag ist noch nicht unterzeichnet. Tests sollen dann in allen Arztpraxen, die dazu bereits sind, möglich sein, hieß es heute von der KV.
Die anfallenden Kosten werden von den Praxen mit der KV Berlin abgerechnet. Wie eine KV-Sprecherin auf Anfrage sagte, soll das Angebot „voraussichtlich ab circa Mitte der nächsten Woche, spätestens am 3. August starten“.
Auch aus Sicht der Krankenkassen ist bei den Testkosten der Staat gefordert. Wenn die Urlaubsrückkehrer ohne Symptome getestet werden sollten, sei eine staatliche Finanzierung gefragt, sagte Stefanie Stoff-Ahnis, Vorstand beim GKV-Spitzenverband.
Bisher müssen Menschen, die aus stark vom Coronavirus betroffenen Staaten zurückkehren, in Deutschland zunächst 14 Tage in häusliche Quarantäne. Ob sie das tatsächlich immer tun und sich bei den zuständigen Gesundheitsämtern melden, ist aber fraglich. Deshalb will die Politik nachjustieren.
Die deutschen Flughäfen sehen in Hinblick auf die angedachten Tests noch offene Fragen. „In jedem Fall gilt: Sollten die Gesundheitsbehörden einen – wie auch immer gearteten – Schnelltest anordnen, müsste dieser von den Behörden durchgeführt werden“, erklärte die Arbeitsgemeinschaft Deutscher Verkehrsflughäfen.
Mitarbeiter der Flughäfen seien nicht befugt, Passagiere auf ihren Gesundheitsstatus hin zu überprüfen. „Auch muss dann festgelegt sein, wie mit positiv geprüften Reisenden umgegangen werden soll.“
An den Berliner Flughäfen sollen Reiserückkehrer aus Risikogebieten voraussichtlich ab kommender Woche getestet, wie der Regierende Bürgermeister Michael Müller heute ankündigte. Bayern und Nordrhein-Westfalen hatten ihre Absichten dazu schon in der vergangenen Woche bekannt gemacht.
Weltweit stuft das Robert Koch-Institut (RKI) derzeit den größten Teil der Staaten als Coronarisikogebiet ein. Das betrifft zum Beispiel die USA, Russland oder Brasilien. Keine Quarantänepflicht gilt dagegen für Einreisende aus fast allen EU-Staaten – Ausnahme ist Luxemburg – und einigen anderen europäischen Ländern wie der Schweiz.
Momentan sind viele Deutsche etwa in Spanien, Frankreich, Italien oder Griechenland im Urlaub – Ländern also, die nicht als Risikogebiet eingestuft sind. Gleichwohl kann dort erhöhte Ansteckungsgefahr mit Sars-CoV-2 bestehen. Zuletzt hatten ungezügelte Partys von Urlaubern ohne Maske und Abstand auf Mallorca für Schlagzeilen gesorgt und auch die Politik aufgeschreckt.
Offen ist, ob Bund und Länder auch hier Handlungsbedarf sehen. Der stellvertretende Vorsitzende der FDP-Bundestagsfraktion, Michael Theurer, fordert eine zwischen Bund und Ländern abgestimmte Teststrategie auch für Urlaubsrückkehrer etwa vom Mittelmeer. „Deutschland kann sich kein zweites Ischgl leisten.“ Feiern im österreichischen Skiort Ischgl gelten als ein Ausgangspunkt für die Verbreitung von SARS-CoV-2 auch in Deutschland.
Zahlen aus Baden-Württemberg zeigen, dass die Bedenken nicht unberechtigt sind. Wie das Sozialministerium mitteilte, hätten mindestens 184 Reiserückkehrer das Virus mitgebracht. Mit 59 Fällen seien die meisten auf eine mögliche Infektion in Serbien zurückzuführen, sagte ein Sprecher. 28 Fälle könnten mit dem Kosovo in Verbindung gebracht werden, 16 mit Bosnien und Herzegowina und 13 mit Kroatien. Insgesamt gab es rund 30 mögliche Infektionsländer.
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