Ärzteschaft

Schmerzmediziner: Millionen Patienten nicht ausreichend versorgt

  • Dienstag, 4. Juni 2024
David L/peopleimages.com, stock.adobe.com
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Berlin – Für viele chronische Schmerzpatientinnen und -patienten bleibe eine adäquate Versorgung in Deutschland unerreichbar. Darauf wies heute die Deutsche Schmerzgesellschaft im Rahmen einer Pressekonferenz zum Aktionstag gegen den Schmerz hin.

„Viele Betroffene können ein interdisziplinär multimodales Therapieangebot (IMST) nicht in Anspruch nehmen, wenn sie zu weit weg wohnen, kein Auto haben, zu wenig Geld für tägliche Anfahrten und Parkgebühren, keine angemessene Anbindung an den öffentlichen Nahverkehr haben, oder schlichtweg im Rahmen ihrer Erkrankung zu erschöpft sind, um häufige Fahrten zu schaffen“, gab Frank Petzke, Präsidiumsmitglied der Deutschen Schmerzgesellschaft, zu bedenken.

Zur Überprüfung der realistischen Versorgungslage sei es daher wichtig, Daten zu erheben, die nicht nur die Versorgungsstrukturen, sondern auch realistische Erreichbarkeit entsprechender Einrichtungen aus Patientenperspektive aufzeigen. Genau dies wolle man mit einer noch unveröffentlichten Studie, in deren Rahmen erstmals sämtliche Standorte teil- und vollstationärer schmerzmedizinischer Angebote in Deutschland kartiert wurden, leisten.

Erste wichtige Ergebnisse präsentierte die Schmerzgesellschaft heute. In der Untersuchung wurden für 1.000 Modellpatienten in Deutschland die Fahrzeiten zu den nächstgelegenen schmerzmedizinischen Einrichtungen analysiert. Hier ergaben sich laut den Schmerzmedizinern besonders für teilstationäre Einrichtungen wie Schmerztageskliniken und universitäre Schmerzambulanzen „erschreckende Zahlen“ – insbesondere mit öffentlichen Verkehrsmitteln ist demnach für 68 bis 75 Prozent der Betroffenen der Weg nur unrealistisch zu bewältigen.

Bei den vollstationären Einrichtungen ergab die Analyse Entfernungswerte vom jeweiligen Wohnort zwischen 26 Kilometer mit Extremwerten bis zu 244 Kilometer. Hier stelle sich, so die Scherzgesellschaft, auch das Problem der Begründung für die Notwendigkeit einer vollstationären Behandlung, die nicht für alle Patienten mit dringlichem Therapiebedarf gegeben ist. Fehlende Erreichbarkeit von Alternativen stelle keine ausreichende Begründung dar.

Die ambulante, spezialisierte Basisversorgung sei zudem „bei weitem zahlenmäßig nicht ausreichend“, um die Menge der Schmerzpatienten ambulant „aufzufangen“. Im Zuge der Versorgungsengpässe hätten die Kassenärztlichen Vereinigungen (KVen) die Fallzahlen in der Versorgung von niedergelassenen, ambulant tätigen spezialisierten Schmerzmedizinern schon sehr großzügig nach oben gesetzt. Rechne man auf die identifizierten Behandelnden diese erhöhten Fallzahlen hoch, würde dies in Deutschland die Versorgung von maximal rund einer halben Million Menschen mit chronischen Schmerzen ermöglichen.

„Doch tatsächlich haben wir bis zu sechs Millionen Betroffene, die eine hochspezialisierte ambulante Schmerztherapie benötigen. Daran wird das Versorgungsdefizit sehr deutlich“, erklärte Petzke, Leiter der Abteilung Schmerzmedizin an der Klinik für Anästhesiologie am Universitätsklinikum Göttingen.

Auch die Krankenhausreform der Bundesregierung werde leider zu keiner positiven Veränderung beitragen. „Da Schmerz keine eigene Leistungsgruppe mit eigenen Vorhaltepauschalen und einer Planungsperspektive in der aktuellen Krankenhausreform wird, drohen insbesondere nötige spezialisierte Zentren weiter wegzufallen und sich die ohnehin schon sehr ausgedünnte Versorgung für Schmerzpatientinnen und -patienten weiter zu verschlechtern“, so Petzke.

Man fordere deshalb unter anderem die Einführung einer eigenen Leistungsgruppe der ‚Interdisziplinären multimodalen Schmerzmedizin‘ mit entsprechenden Qualitätsvorgaben und Vorhaltepauschalen bei der Krankenhausreform.

EB/aha

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