Ausland

Selenskyj: Angriffe auf Stromnetz sind „Verbrechen gegen die Menschlichkeit“

  • Donnerstag, 24. November 2022
/picture alliance, NurPhoto, Oleg Pereverzev
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Kiew – Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat die russischen Angriffe auf das ukrainische Strom­netz bei einer Dringlichkeitssitzung des UN-Sicherheitsrats als „Verbrechen gegen die Menschlichkeit" verur­teilt.

„Wenn wir Temperaturen unter Null Grad haben und Millionen von Menschen ohne Energieversorgung, ohne Heizung und ohne Wasser sind, ist das ein offenkundiges Verbrechen gegen die Menschlichkeit“, sagte Selens­kyj gestern in seiner Videoansprache. Die anhaltenden russischen Angriffe setzen der Ukraine schwer zu.

Gestern hatte Kiew erneut heftige Raketenangriffe auf wichtige Infrastruktur in der Hauptstadt Kiew ge­mel­det. Dabei wurden nach Angaben von Bürgermeister Vitali Klitschko drei Menschen getötet, darunter auch ein 17-jähriges Mädchen.

Bei einem russischen Angriff auf ein Krankenhaus im Süden der Ukraine wurde nach ukrainischen Angaben zudem ein Neugeborenes auf der Entbindungsstation getötet. Landesweit gab es nach Angaben von Polizei­chef Igor Klymenko gestern mindestens sechs Tote und 36 Verletzte.

Selenskyj warf Moskau „Terror und Mord“ vor und wies den ukrainischen UN-Botschafter an, die Dringlichkeits­sit­zung zu dem heftigen Raketenbeschuss auf Kiew zu beantragen. „Die Ermordung von Zivilisten, die Zerstö­rung von ziviler Infrastruktur sind Terrortaten“, erklärte er vor der Sitzung auf Twitter. Die internationale Staa­tengemeinschaft müsse darauf eine „entschlossene Antwort“ geben.

Russland verfügt im UN-Sicherheitsrat als eines von fünf ständigen Mitgliedern über ein Vetorecht. Moskau kann damit jede Resolution des mächtigsten Gremiums der Vereinten Nationen zum Ukraine-Krieg verhin­­dern. Selenskyj forderte den Sicherheitsrat auf, sich „nicht von einem internationalen Terroristen(staat) in Geiselhaft nehmen zu lassen“.

Der französische UN-Botschafter verurteilte die russischen Angriffe auf die ukrainische Energieinfrastruktur als „klaren Verstoß gegen das humanitäre Völkerrecht“. Das Ziel Moskaus sei klar: Angesichts militärischer Niederlagen versuche Russland „Terror zu säen“, sagte der Diplomat Nicolas de Rivière vor dem UN-Sicher­heitsrat.

Nach dem russischen Beschuss war in Kiew am Mittwoch die Wasser- und Stromversorgung ausgefallen. Auch in anderen Teilen des Landes gab es nach Angaben der ukrainischen Behörden Blackouts. In der westukraini­schen Stadt Lwiw wurde bei Raketenangriffen ein Umspannwerk beschädigt. In zwei Stadtteilen fiel laut Gou­verneur Maxym Kosyzky daraufhin der Strom aus.

Drei ukrainische Atomkraftwerke mussten wegen des heftigen Beschusses vom Stromnetz getrennt worden. Aufgrund der massiven Stromausfälle seien alle Reaktoren der Atomkraftwerke Riwne, Piwdennoukrainsk und Chmelnyzka automatisch vom Stromnetz getrennt worden, teilte der staatliche Betreiber Energoatom mit.

Auch im Nachbarland Moldau, das wegen des Kriegs bereits mit erheblichen Energieproblemen zu kämpfen hat, kam es laut Vize-Regierungschef Andrej Spinu zu „massiven Stromausfällen“. Das Land grenzt an die Ukraine und ist an das ukrainische Stromnetz angebunden.

Insgesamt feuerte Russland gestern nach Angaben der ukrainischen Luftwaffe rund 70 Marschflugkörper ab, von denen 51 von der ukrainischen Flugabwehr abgeschossen wurden. Auch fünf Kamikaze-Drohnen vom Typ Lancet seien zerstört worden.

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) sagte in Berlin, der russische Präsident Wladimir Putin könne den Krieg gegen Ukraine „auf dem Schlachtfeld gar nicht mehr gewinnen kann, so viel scheint klar“.

„Deshalb bleibt mein Appell an Putin: Beenden Sie das sinnlose Töten, ziehen Sie Ihre Truppen komplett aus der Ukraine ab und willigen Sie in Friedensgespräche mit der Ukraine ein.“ Die russischen Angriffe auf zivile Infrastruktur in der Ukraine verurteilte der Kanzler als „Bombenterror gegen die Zivilbevölkerung“.

Russland zweifelt nach eigenen Abgaben allerdings nicht am Erfolg seiner Offensive. „Die Zukunft und der Erfolg der Spezialoperation stehen außer Zweifel“, sagte Kreml-Sprecher Dmitri Peskow.

afp

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